Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)

Nr. 151(†) Weilheim, St. Pölten, Kapelle St. Agatha 1570

Beschreibung

Wendelinslegende auf Tafelbild. An der Westwand, ursprünglich an der Südwand1). Fast quadratisches Bild in Plattenrahmen mit Aufsatz, oben in der Mitte eingesetzt und den Mittelteil des Aufsatzes bildend, Relief Hl. Wendelin mit Herde in Landschaft. Das Bild rechts und links oben auf Höhe des Reliefs vorspringend. In Landschaft integriert Szenen aus der Vita des Hl. Wendelin. Unter dem Relief in der oberen Mitte des Tafelbildes auf einer gemalten Schrifttafel in gemaltem Rahmen mit Rollwerk und seitlichen Voluten zwei gemalte Schriftfelder nebeneinander. Die Tafel wurde 1874 renoviert.

Text ediert nach heutigem Befund (nach der Restaurierung 1874); wesentliche Textvarianten bei Schmidtner, St. Wendel (Textaufnahme vor der Restaurierung 1874) angemerkt2).

Schriftart(en): Fraktur.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/2]

  1. Sta). Wendelin, Gott auserkohren, vom kö(ni)gl(ichen)b) Geschlecht geb(oren) /Aus Schotten kam ins deutsche Land ein Pilger fremd u(nd) unbekantc) /In Armuth wollt [er] dienen Gott hat selig gewon(n)en sein Br(ot)d) / Einen Edelman(n) dient er um die Speise) und hütet ihm das Viehf) mit Fleiß. /Das mehret u(nd) segnet ihm der Herr, einst triebg) er das Vieh gar ferr /Etlich Meilen an einen Berg dahin alsh) ihm Gott der Herr erschini) /Auch trit dortj) sein Edelman(n) der redet ihn gar zornig an. /Daß er das Vieh so weit getriebenk), ist doch nicht überrecht ausgebliebe(n)l) /Noch heim vor seinen Herrnm), den Edelman dieß wunder nahmn) /Seines dienst er sich unwürdig acht; im in de Wald eine Wohnung machti) / Da dient er Gott eine kurze Zeito) //Ein Kloster lag davon nicht weit, als der Abt dort Tod ging ab. /Die Stim(m) Gott Sta). Wendelinp) gab, das er der Mönche Hirt soll seini) /Die Brüder holen ihn hinein, aus der Wildniß von seiner Klausen /Den Kloster thät er fleißig hauseq), in Demuth, Heiligkeit ohne Klagi) /Starb selig am Sta). Ursel Tag, u(nd) in dem Kloster war begraben, /Wollt aber seine Ruhe dort nicht haben, sondern zwei Ochsen führen ihn /An den Berg da ihm Gott erschin, daselbst ligt er begraben noch. /Gelobt sei Gott im Himmel hoch, der Sta). Wendelinp) also begnadt /Ihm das Vieh behütet u(nd) gesegnet hat; Er behüt uns u(nd) unser Vieh /Von allem Unfall noch täglich und helf uns dort in all zugleich /Zu Sta). Wendelinp) ins Himmelreichr). 1570 . Ren(o)v. 1874.

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Das Bild ist als Rahmen für das ältere Relief geschaffen worden, darauf weist die Gestaltung des oberen Bildteils und des Rahmens mit der das Relief extra hervorhebenden Verkröpfung hin. Der Text der Tafel wie auch die Schrift dürfte durch die Renovierung im Jahre 1874 stark verfälscht worden sein. Schmidtner überliefert 1870 wohl den ursprünglichen Text2). Zur Schrift vgl. auch Einleitungskapitel LII.

St. Wendelin lebte als fränkischer Einsiedler oder Mönch um 570 in den Vogesen. Nach der Legende des 14. Jahrhunderts ist er ein schottischer Königssohn gewesen und hat sich als Einsiedler und Hirte dort niedergelassen. Er ist Abt des Klosters Tholey bei St. Wendel an der Saar gewesen3). Wendelin war als Patron der Hirten und Bauern ein in ganz Europa hoch verehrter Heiliger.

Textkritischer Apparat

  1. Sanct Schmidtner, St. Wendel.
  2. Khinigkhlichen Schmidtner, St. Wendel.
  3. als ein Pilgeram Frembt unbekhandt Schmidtner, St. Wendel.
  4. Ohne Kürzungszeichen, wohl aus Platzmangel; und hart Selig gewinen Sein brott Schmidtner, St. Wendel.
  5. ein Edlman dient umb die speis Schmidtner, St. Wendel.
  6. Vieh mit Fleiß in verkleinerter Schrift rechts unter der Zeile.
  7. eins mall Treibt Schmidtner, St. Wendel.
  8. Alldort Schmidtner, St. Wendel.
  9. Letztes Wort in verkleinerter Schrift rechts unter der Zeile.
  10. Reutt dort Fir Schmidtner, St. Wendel.
  11. hat triben Schmidtner, St. Wendel.
  12. Letzter Buchstabe bzw. Kürzung nicht erkennbar; nit yber recht ausbliben Schmidtner, St. Wendel.
  13. Es folgt zusätzlich kham als Reim auf namb Schmidtner, St. Wendel.
  14. Letzter Buchstabe nicht vollständig erkennbar.
  15. Es folgt der Wechsel auf das zweite Schriftfeld.
  16. Wendel Schmidtner, St. Wendel.
  17. Sic!, Kürzung für hause(n) fehlt; hausen Schmidtner, St. Wendel.
  18. Amen folgt Schmidtner, St. Wendel; der Renovierungsvermerk fehlt noch; die Jahreszahl 1570 erscheint bei Schmidtner über die zwei Schriftfelder verteilt: unter der ersten Schriftkollonne 15, unter der zweiten 70.

Anmerkungen

  1. Böhaimb, Chronik 77.
  2. Der Text bei Schmidtner, St. Wendel Nr. 43, ist bes. in der Orthographie wohl näher am ursprünglichen Originaltext. Bei der Restaurierung 1874 wurde offenbar die Inschrift nicht nur nachgemalt, sondern auch „korrigiert“. Die Edition richtet sich nach dem heutigen Befund auf dem Original, weist aber wesentliche Varianten aus; vgl. auch Schmidtner, Überblick Weilheims 104.
  3. LCI 8, 593f.

Nachweise

  1. Schmidtner, St. Wendel Nr. 43; Schmidtner, Überblick Weilheims 104; Kdm OBB III (Weilheim) 736; DiB I,23 (Weilheim-Schongau) 596f. (mit Abb.); Helm, Agathakapelle 57–59, 80.

Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 151(†) (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0015106.