Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)

Nr. 87 Weilheim, Stadtmuseum (1508)

Beschreibung

Zwei Fragmente einer figuralen Grabplatte für den Wessobrunner Abt Heinrich Zäch (1498–1508). Oberhalb des Treppenaufgangs zum ersten Stock, derzeit unzugänglich, durch eine feste Bretterwand verdeckt, Inv. Nr. Pl 190. 1865 im Hinterhof der inmitten Weilheims gelegenen Gastwirtschaft „Zum Mohren“ bei Grabungsarbeiten gefunden1), ursprünglich in Wessobrunn, in der ehemaligen Kapelle des heiligen Benedikt2). Erhalten ein Fünftel des oberen Teils, vom unteren Teil ist nur ein Bruchstück vorhanden. Das obere Stück zeigt im Relief den Abt in Pontifikalkleidung, darüber gotisches Astwerk, auf den verbleibenden Seitenteilen die Überreste einer lateinischen Umschrift.

Text nach einer Fotografie des Stadtmuseums Weilheim von ca. 1966, ergänzt nach Clm 1927.

Maße: H. 150 cm, B. 97,5 cm3), Bu. 9,5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

© Stadtmuseum Weilheim [1/1]

  1. [QVI ·] MARIVS · PATRIEa) · FVERAT · / QVIb) ∙ TVLLIVS · ORE · ETc) [QVI GRAVITATE CATO · RELIGIONE NVMA / ABBAS HENRICVS PASTORd) CELEBERRIMVS E]HE(V)e) / CONCI[DIT f) HAC TRISTI CONTVM]VLAT(VS) · HVMO

Übersetzung:

Was Marius4) dem Vaterland, was Tullius5) durch seine Rede, was Cato6) durch seine Würde, was Numa7) durch seine Frömmigkeit gewesen ist, war Abt Heinrich, der weitberühmte Hirte. Ach, er verfiel dem Tode: Nun ist er in dieser traurigen Erde bestattet.

Versmaß: Distichen.

Kommentar

Frühhumanistische Kapitalis auf Grabmälern der Spätgotik findet sich eher selten. Ein annähernd vergleichbares Stück befindet sich in der ehem. Benediktinerklosterkirche St. Quirin in Tegernsee. Die retrospektiv angefertigte figurale Grabplatte für Abt Udalschalk von Neuburg (Abt von Tegernsee 1091–1102)8) zeigt ebenfalls eine Majuskelschrift aus dem frühhumanistischen Bereich. Sie weist jedoch noch stärkere Reminiszenzen an die Gotische Majuskel auf und ist, im Unterschied zu dem Wessobrunner Stück, erhaben gearbeitet. Das Grabmal Udalschalks wird Hans Haldner zugeschrieben, von dem auch die von Propst Johannes Vendt gestiftete Tumbadeckplatte im Kloster Polling stammt9). Da die Grabplatte des Abtes Heinrich Zäch zu wenige eindeutige Vergleichsmerkmale mit dem Haldner-Stück aufweist, läßt sich in diesem Fall jedoch keine nähere Zuweisung treffen.

Vgl. zur Schrift auch Einleitungskapitel XLVI.

Die Grabplatte ließ Abt Kaspar Götz (1508–1525), der Nachfolger Zächs, 1508 für 16 Gulden in der Benediktskapelle errichten10).

Zu Abt Heinrich Zäch vgl. die folgende Nummer.

Neben der Grabplatte von Abt Heinrich Zäch war eine Tafel mit einer weiteren Lobpreisung seiner Verdienste angebracht (vgl. die folgende Nummer).

Textkritischer Apparat

  1. A ohne Querstrich, unziales E.
  2. Q mit langer Cauda in der Unterlänge.
  3. In Clm 1927 folgt QVI, was eigentlich nicht mehr ins Versmaß paßt; ET fehlt, nur QVI Clm 27160.
  4. PRAESVL nach Leutner, Historia 378.
  5. Unziales E; kein Kürzungszeichen erkennbar.
  6. Vergrößertes Initial-C.

Anmerkungen

  1. StpfA MH/WM II/83.
  2. Clm 1927 p. 199; Clm 27160 fol. 12r; Leutner, Historia 377.
  3. Maßangaben nach Aufzeichnungen im Stadtmuseum Weilheim. Die Höhenangabe bezieht sich auf das heute vorhandene Fragment. Andrian-Werburg, Wessobrunn 404 nennt als Maß der ursprünglichen Platte 170x95 cm.
  4. Gaius Marius (156–86 v.Chr.), römischer Feldherr und Staatsmann.
  5. Marcus Tullius Cicero (106–43 v.Chr.), römischer Redner und Staatsmann.
  6. Marcus Porcius Cato d. Ältere (234–149 v.Chr.), römischer Feldherr und Staatsmann.
  7. Numa Pompilius, sagenhafter zweiter König Roms.
  8. Tegernsee, Lkr. Miesbach. – Zu Abt Udalschalk vgl. kurz Hartig, Oberbayerische Stifte 1, 19 u. 24.
  9. Liedke, Haldner 46f., Abb. 28, und 162. – Zur Tumbadeckplatte des Johannes Vendt vgl. Nr. 57; die Inschrift dort ist in Gotischer Minuskel gefertigt.
  10. Vgl. Andrian-Werburg, Wessobrunn 404.

Nachweise

  1. Clm 1927 p. 199 (Zusatz von jüngerer Hand); Clm 27160 fol. 12r; Leutner, Historia 377–378; Mauthe, Wessobrunner Abt 143–148; Fotografie des Stadtmuseums Weilheim.

Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 87 (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0008701.