Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)

Nr. 3† Wessobrunn, Kloster 1199

Beschreibung

Grabschrift für Abt Sigibald (1173–1199). Genauer Standort und näheres Aussehen unbekannt, tatsächliche inschriftliche Ausführung nicht gesichert.

Text nach Clm 22040.

  1. I.

    Filum quod lachesis bene traxerat atropos occatproice cloto colum vetat ire soror tua fusum

  2. II.

    Anno milleno bis centeno minus unoHeu locus orbatur a) celebris celebri patre plangitIane secunda dies tua sibaldum tulit orbidoctus erat largusque datum duplicando talentumDistribuit reliquisb) nonb) sibi quippe vivens.Unde sui memores effecit quosque merendoUt prestetur ei locus eterne requieiPro pietate dei devote qui pre isc) ora.

Übersetzung:

Den Faden, den Lachesis reichlich bemessen hat, schneidet Atropos ab. Wirf Klotho, den Spinnrocken weg. Deine Schwester verbietet, daß sich die Spindel dreht1). (I)

Im Jahre 1000 und zweimal 100 minus einem Jahr, ach, trauert der berühmte Ort, da er seinen berühmten Vater verloren hat. Janus, dein zweiter Tag hat dem Erdkreis Sigibald genommen. Er war gelehrt und freigebig: er verdoppelte das ihm gegebene Talent und verteilte es zugleich, denn er lebte für die anderen, nicht für sich. Daher bewirkte er, daß alle seiner Verdienste wegen seiner gedenken. Daß ihm für seine Liebe zu Gott ein Ort der ewigen Ruhe gewährt werde, darum bete, der du davor stehst, fromm! (II)

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

  • Poetae Latini minores 5, 388; (I)
  • Nach Mt 25,16–17. (II, datum duplicando talentum)

Versmaß: Hexameter, mit einigen Abweichungen.

Datum: 1199 Januar 02.

Kommentar

In der ältesten Überlieferung, in Clm 22040, ist der Text ohne näheren Zusammenhang am Ende der Handschrift aufgeführt. In den Handschriften BHStA KL Wessobrunn Nr. 3a, Clm 1211 und Clm 1927 wird der Text mit Epitaphium überschrieben, wobei nicht eindeutig hervorgeht, ob es sich lediglich um ein Grabgedicht handelte oder ob der Text inschriftlich ausgeführt war. Erst Leutner, Historia 233, spricht von einem sepulcrum hoc epitaphio fuit insignitum, das er jedoch nach einem „Tegernseer Codex“ zitiert. Er selbst hat also offenbar eine möglicherweise ehemals existierende Inschrift nicht mehr im Original gesehen. Da Inschrift I nicht in BHStA KL Wessobrunn Nr. 3a, Clm 1211, Clm 1927 und Clm 1928 enthalten ist, können ihm diese Handschriften nicht als Vorlage gedient haben.

Sigibald (auch Sibald) wurde bereits von seinem Vorgänger Abt Ulrich I. zum Abt designiert. Am 26. Dezember 1173 ist er gewählt worden. Er war einer der bedeutendsten Äbte des Klosters. Er förderte auch sehr das damals bestehende Frauenkloster in Wessobrunn. Er mehrte die Güter des Klosters2) und veranlaßte auch eine heute verlorene erste Chronik des Klosters3). Sigibald verstarb am 2. Januar 11994). Seiner wird im Wessobrunner Hausnekrolog und im Nekrolog von Weihenstephan gedacht5).

Textkritischer Apparat

  1. orbatus Leutner, Historia.
  2. Danach Leerstelle mit Rasur.
  3. es, darüber als Alternative is angegeben Clm 1927; praeis Leutner, Historia 234.

Anmerkungen

  1. In den ersten beiden Versen wird auf die drei antiken Schicksalsgöttinnen verwiesen: Lachesis, die den Lebensfaden bemißt und bewahrt, Atropos, die ihn durchschneidet und Klotho, die den Lebensfaden spinnt.
  2. Andrian-Werburg, Wessobrunn 92.
  3. Nach Leutner, Historia 234 veranlaßte Sigibald den Mönch Ludwig, die Geschehnisse seiner Zeit der Nachwelt zu überliefern. Seine Chronik muß zur Zeit Leutners noch ununterbrochen für die Jahre 1195 bis zum Jahr 1227 vorgelegen haben.
  4. Nach Andrian-Werburg, Wessobrunn 383, ist die von Leopolder (BHStA KL Wessobrunner Nr. 3a, 86) errechnete und von Leutner übernommene Regierungsdauer von 28 Jahren und acht Tagen nicht haltbar.
  5. Vgl. MGH Necrologia 1, 42 (Wessobrunn) und MGH Necrologia 3, 203 (Weihenstephan).

Nachweise

  1. BHStA KL Wessobrunn Nr. 3a (Fotoband 45) p. 111; Clm 1211 fol. 240v; Clm 1927 p. 122; Clm 1928 p. 14; Clm 22040 fol. 133v; Leutner, Historia 233–234.

Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 3† (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0000305.