Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 97 Neukirchen vorm Wald, Pfk. St. Martin 1545

Beschreibung

Epitaph für den Pfleger Hans Harschl. Innen, an der Nordwand des Langhauses, im dritten Abschnitt von Westen. Ursprünglicher Standort unbekannt1). Hochrechteckige Platte, darin Relief: in der Mitte Kreuz mit Titulus (I), am Kreuzfuß Totenkopf über Knochen, links vom Kreuz der Verstorbene in Harnisch, kniend mit gefalteten Händen, vor ihm Helm und Panzerhandschuhe, rechts vom Kreuz Vollwappen, im Hintergrund auffallende Bäume, darunter eine Palme mit Früchten, auf Hügeln; über der Darstellung geschwungenes Schriftfeld, am oberen Rand von Blattranken bekrönt, darin Spruch (II), am unteren Rand der Platte ohne Rahmen Grabinschrift (III). Rotmarmor. Kaum Spuren von Oberflächenabnutzung, Vorlinierung ist noch sichtbar.

Maße: H. 208 cm, B. 102 cm, Bu. 2 cm (I), 3,5 cm (II, III).

Schriftart(en): Kapitalis (I, II), Gotische Minuskel mit Versalien (III).

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. I.

    INRI

  2. II.

    MORIa) / SERIVSb) AVT CICIVSc) NICHIL EST / BENEb) VIVERE VITA EST / ETERNA · ETb) CELVM / QVI BENE VIXIT / HABET

  3. III.

    Anno 1545 iar Jst gestorben der Edl / vnd Vest Hanns Harschl pfleger zum / Tiessenstaind)2) den 17 aprilis dem got g(nad)e)

Übersetzung:

Es gibt nichts Ernsteres und Schnelleres als zu sterben; gut zu Leben bedeutet das ewige Leben; und derjenige besitzt den Himmel, der gut lebt. (II)

Versmaß: Elegisches Distichon. (II)

Wappen:
Harschl3).

Kommentar

Dieses Grabmal stellt das früheste (steinerne) Epitaph (mit Andachtsbild) im Erfassungsraum dar und weist gleichzeitig eine der frühesten Verwendungen von Kapitalis im selben Gebiet auf. Die Kapitalis wirkt dabei relativ ausgewogen und orientiert sich eindeutig an den klassischen Formen, wobei deren Übernahme nicht immer gelingt: M hat senkrecht stehende Außenschäfte, die Cauda des Q setzt weit rechts an; die unterschiedlichen Buchstabenproportionen und das Spiel zwischen Haar- und Schattenstrichen – wie es in der klassischen Kapitalis auftritt – ist hier eher zurückhaltend verwendet. Trotzdem zeichnet sich das Epitaph als Stück mit „modernen“ Tendenzen aus. Auch der Spruch (II), der in einem lateinischen, elegischen Distichon verfasst ist, weist auf humanistischen Einfluss.

Weiters fällt bei diesem Stück die besondere Ausgestaltung des Hintergrunds, vor allem mit charakteristischen Bäumen, auf, was vielleicht noch auf den Einfluss der sogenannten Donauschule deuten könnte.

Im Gegensatz zu diesen eher „modernen“ Merkmalen wirkt die Verwendung der Gotischen Minuskel als Textschrift eher antiquiert. Die Schrift ist noch dem gitterförmigen Charakter verhaftet. Die Proportionen scheinen sich jedoch aufzulockern: der Mittellängenbereich ist nicht mehr extrem gestreckt, sondern geht eher in die Breite, was auch die Ober- und Unterlängen begünstigt: sie beginnen hervorzutreten. Schäfte und Bögen sind aber nach wie vor gebrochen. Es zeigen sich kaum Tendenzen zur Ausrundung oder zur Aufnahme von Bastardelementen. Die Schriftformen lassen sich mit der Gotischen Minuskel in der Grabinschrift für Magdalena Hinterreiter in der Johannis-Spitalkirche in Passau vergleichen4).

Ein Hans Härschl ist von 1543 bis 1549 als Pfleger von Diessenstein belegt5). Laut Ferchl folgte ihm sein Sohn Dr. Wolf Härschl als Pfleger nach (1549–1562). Siebmacher nennt als Sterbejahr für Hans Harschl, Pfleger von Diessenstein, das auch in der Inschrift genannte Jahr 15456). Unter Harschl kam es offenbar zu Reibereien mit dem Landrichter der Abtei und Verwalter der Herrschaft Fürsteneck, Conrad Rottenberger, Jagdrechte betreffend7).

Textkritischer Apparat

  1. Zeile zentriert zwischen Blattwerk, Schrift vergrößert.
  2. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  3. Sic, für citius.
  4. Spatium im Wort.
  5. Kein Kürzungszeichen erkennbar.

Anmerkungen

  1. Das Epitaph wird nicht in Kdm Passau, im Abschnitt zu Neukirchen vorm Wald erwähnt. Entweder war es zu der Zeit nicht in der Kirche vorhanden bzw. sichtbar oder es wurde schlicht nicht aufgenommen, obwohl die restlichen Grabmäler im Kunstdenkmälerband relativ ausführlich beschrieben sind, vgl. Kdm Passau 206–209.
  2. Diessenstein, Gde. Saldenburg, Lkr. Freyung-Grafenau.
  3. BayA1 144, abweichend von Siebmacher hier zusätzlich Krone bei Helmzier.
  4. Vgl. hierzu DI 67 (Stadt Passau) XLIVf., Nr. 499, Abb. 148.
  5. Ferchl, Behörden 1, 146 und HAB Grafenau 164.
  6. BayA1 144.
  7. Heider, Regesten Nr. 829 und Anm. 1.

Nachweise

  1. BSB Cgm 2267 II fol. 172r; M.v.O. Msc. 39 p. 417; Erhard, Topographie 1,2 159.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 97 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0009707.