Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 94 Aicha vorm Wald, Pfk. St. Petrus und Paulus 1540

Beschreibung

Grabplatte für den Vikar Vitus Robl. An der Nordwand der Seelenkapelle, dritte Platte von Westen, erste von unten. Hochrechteckige Platte, im oberen Bereich Inschrift, darunter Relief: Kelch über Buch in vertieftem Dreipass-Segmentbogenfeld. Rotmarmor. Platte im oberen Drittel quer, im unteren diagonal gebrochen, am rechten Rand oben ein Teil mit Textverlust offenbar ausgebrochen und mit Mörtel ergänzt.

Maße: H. 146 cm, B. 78 cm, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotico-Antiqua.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. An(n)o D(omi)ni 1540 den / 16 Junij ist gestorb[en] / der Erwirdig her [Vitus]a) / Robl alhie zu Aicha / Vicari(us) vnd frụṃẹṣṣ/er (et)c(etera) dem got genat / Amenb)

Kommentar

Die vorliegende Schrift ist als Gotico-Antiqua anzusprechen, da es sich um eine Mischschrift aus gotischen und „moderneren“ Elementen handelt, wie sie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Passauer Raum häufig auftreten1). Die Schrift scheint im weitesten Sinn mit dem in Passau in den 30er und 40er Jahren auftretenden Derrertyp verwandt zu sein2). In der vorliegenden Inschrift treffen Merkmale aus verschiedenen Schriften zusammen, was den Schriftstil besonders interessant macht. Leider lassen sich auf Grund des Erhaltungszustandes keine Details mehr erkennen. Es stehen sich Formen mit verschiedenen Grundtendenzen gegenüber: Buchstaben wie n, dessen Schäfte auf der Grundlinie nicht mehr gebrochen sind, wo aber auch noch kein eindeutiger runder Bogen erkennbar ist, entsprechen dem normalen Spektrum der Gotico-Antiqua und basieren weitestgehend noch auf der gotischen Form. Das doppelstöckige a mit runden Bögen passt in das Bild der Gotico-Antiqua, bei der Brechungen durch Rundungen ersetzt werden. Dem entgegen erinnern Formen wie o, das rechts spitzoval, links gebrochen ist, oder ähnlich g, bei dem ebenfalls der linke Teil des oberen Bogens gebrochen ist, der Schaft mit unterem Bogen hingegen relativ flüssig verläuft, eher an Formen, wie man sie in der Fraktur antrifft. Auch Schaft-s zeigt diese Tendenz: es endet nicht mehr stumpf auf der Zeile, sondern wird leicht unter die Grundlinie verlängert, wo der Schaft spitz zuläuft. Allerdings ist er noch linear und nicht schwellförmig gebildet. Diese Elemente lassen hier an ein verhaltenes Eindringen von Bastarda bzw. Fraktur denken. Auffallend sind daneben auch eher seltene Bogenverbindungen wie g-e oder h-e.

Vitus Robl war nach den Angaben der Inschrift Frühmesser. Es gab zu der Zeit in Aicha ein Frühmessbenefizium, das von Pfarrer Oswald Wattenbach und der damaligen Pfarrgemeinde am 4. Dezember 1471 gestiftet wurde3). Robl betreute also dieses Benefizium.

Textkritischer Apparat

  1. Hier Stück ausgebrochen; Namenslesung nicht mehr nachvollziehbar; ergänzt nach Angabe Krick, Seelsorgevorstände 88, Anm. *.
  2. Letzte Zeile zentriert.

Anmerkungen

  1. Vgl. hierzu allgemein vor allem Epp, Epigraphische Minuskel, passim.
  2. Vgl. hierzu: Epp, Epigraphische Minuskel 194f.; DI 67 (Stadt Passau) LI; Epp, Rolle der Fraktur (im Druck); Einleitungskapitel XLVI.
  3. Vgl. Krick, Seelsorgevorstände 88.

Nachweise

  1. Epp, Rolle der Fraktur (im Druck).

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 94 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0009403.