Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 84 Obernzell, Pfk. Mariä Himmelfahrt (Marktkirche) 1514

Beschreibung

Figurale Grabplatte für den Pleban Ulrich Dorfmayr. An der Westwand in der nördlichen Vorhalle. Zu Zeiten Dölzers im Chor, wohl am Boden. Hochrechteckige Platte mit Umschrift, Rest der linken Langzeile frei, innerhalb der Umschrift Relief: der Verstorbene stehend, mit Messgewand und Birett bekleidet, in der Rechten ein geschlossenes Buch, zu seinen Füßen links ein Hündchen, rechts ein Wappenschild, über der Figur ein Bogen aus Astwerk in Form eines oben offenen Eselsrückens, in den Zwickeln in sich verschlungenes Blattwerk. Rotmarmor. Oberfläche leicht abgetreten, am unteren Rand mit Putz verschmiert, in den Vertiefungen der Schrift geringe Reste von Farbe oder Füllmaterial.

Maße: H. 202 cm, B. 105 cm, Bu. 8 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. Anno d(omi)nj M ccccc xiiii / obyt · venerabilis · vir · vdalricus · dorfmayr · ex · Ef/erding · pl(e)b(a)n(us)a) · Jn · grieṣ/pach · Alias · zell · c(uius)a) · a(n)i(m)a · req(ui)escatb) · jn · pacec)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1514 starb der ehrwürdige Mann Ulrich Dorfmayr aus Eferding, Pleban in Griesbach bzw. Zell1). Seine Seele ruhe in Frieden.

Wappen:
Dorfmayr2).

Kommentar

Die Platte wird von der Kunstgeschichte mit der Inschriftenlandschaft der Stadt Passau in Verbindung gebracht. Röttger verweist auf die Werkstatt, die auch die Grabplatte für den Propst von St. Nikola, Stephan Hager, gefertigt hat, die von Liedke schließlich Jörg Gartner zugeschrieben wird. Bereits Halm vermutet, dass die Platte Ulrich Dorfmayrs aus der Gartnerwerkstätte stammt3). Der für Gartner charakteristische Schriftstil, an dem auch seine Werkstatt erkannt werden kann, ist die Gotico-Antiqua. Unter den frühen Werken, die ihm von der Kunstgeschichte zugeschrieben werden, finden sich einige, die in Gotischer Minuskel gefertigt sind. Hier lässt sich aber nur an wenigen ein bestimmter Schrifttyp erkennen. Auffallend an diesen Stücken ist die Behandlung der Bögen vor allem bei b und d, die auf der Grundlinie eine Art Basisstrich aufweisen4). Bei der hier verwendeten Gotischen Minuskel fehlt dieses aussagekräftige Element. Die Schriftanalyse lässt daher keine Zuordnung der Platte an Gartner zu.

Die vorliegende Gotische Minuskel zeichnet sich durch keine markanten Formen aus. Doppelstöckiges a weist einen relativ offenen oberen Bogen auf, der durch einen geschwungenen Haarstrich, der in das Innere des unteren Bogens führt, fortgesetzt wird. Die beiden Bögen des runden s sind gegeneinander verschoben, besitzen aber keine nennenswerten Zierstriche. Bei Buchstaben wie o oder unzialem d lässt sich eine gewisse Tendenz zur parallelogrammförmigen Ausrichtung erkennen. Unter den Versalien sticht die A-Initiale hervor, deren Grundform die pseudounziale ist. Neben dem relativ kräftig ausgeführten rechten Schaft, wird die linke geschwungene Haste durch einen Haarstrich artikuliert, an dem drei kleine Spitzen ansitzen. All diese Merkmale finden sich jedoch häufig in der Gotischen Minuskel, ohne dass hierüber exaktere Zuweisungen möglich wären.

Ulrich Dorfmayr stammte aus Eferding5). Er war Kanoniker in Vilshofen und Benefiziat bei St. Stephan in Wien. Er ist als Vikar bzw. Pfarrer von St. Margareta in Obernzell 1494 nachweisbar, als er eine Jahrtagsstiftung des Pfarrers Mauersteiner in Kellberg (Nr. 83) für die Marktkapelle bestätigte. Daneben ist er als Kirchherr in Pleinting 1503 belegt6).

Textkritischer Apparat

  1. us-Haken hochgestellt.
  2. Kürzungszeichen über q, evtl. übergeschriebenes i.
  3. Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte.

Anmerkungen

  1. Griesbach in der Zell ist eine ältere Namensvariante für Obernzell, vgl. hierzu HAB Passau 457.
  2. Eine Gans(?) auf Dreiberg.
  3. Vgl. zur kunsthistorischen Einordnung: Röttger in Kdm Wegscheid 72; Halm, Plastik 1, 246; vgl. Grabplatte des Stephan Hager DI 67 (Stadt Passau) Nr. 321; Liedke, Gartner 48.
  4. Vgl. zu Gartner und seinem Schriftstil der Gotico-Antiqua Epp, Epigraphische Minuskel 173–183; DI 67 (Stadt Passau) XLVI-XLVIII, zur Gotischen Minuskel bei Gartner DI 67 (Stadt Passau) XLIIIf.
  5. Eferding/OÖ.; Vgl. Miller, Obernzell 57; Miller führt ihn unter den Pfarrvikaren auf. Er benützt als Quelle offenbar jedoch die Grabinschrift (vgl. Angabe des Todesjahres). Die Angabe bei Krick, Seelsorgevorstände 506, Dorfmayr stamme aus Erding, beruht wohl auf einer falschen Lesung. Ähnlich auch bei Halm, nach dem Dorfmayr aus Altenerding kam. Auch Stinglhamers (ABP PfA Obernzell 2, Bogen 7, 4. Seite) Angabe Erding bzw. Scherding beruht auf der nicht richtig aufgelösten Inschriftenlesung.
  6. Vgl. Krick, Seelsorgevorstände 506 und 644; Krick, Domstift 146; Miller, Obernzell 170; zur Jahrtagstiftung auch ABP PfA Obernzell 2: Stinglhamer Bogen 5, 4. Seite; auch Festschrift 750 Jahre 24.

Nachweise

  1. ABP OA Sammlung Stinglhamer/Krick 221; ABP PfA Obernzell 2: Stinglhamer Bogen 5, 4. Seite; Dölzer, Notizen 7 (nur Auflistung), 11 (Nachzeichnung); Halm, Plastik 1, 246; Kdm Wegscheid 72, Fig. 45; Miller, Lkr. Wegscheid 2, 137; Keller, Obernzell 18f.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 84 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0008400.