Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 82 Fürstenzell, ehem. Zisterzienserklosterki. 1512

Beschreibung

Fragment einer figuralen Grabplatte für den Fürstenzeller Abt Pankraz Reischl(?). Innen, an der Westwand der Kirche, südlich des Eingangs. Ursprünglich in der Klosterkirche. Die Platte wurde als Treppenpodestplatte am Gartenpavillion des ehem. Prälatengartens zweitverwendet und in diesem Zusammenhang wohl zugeschnitten. Sie wurde im Jahre 1971 wieder aufgefunden1). Hochrechteckige Platte, darin Relief: lebensgroße Darstellung eines Abtes, den Kopf auf einem Kissen, in Ornat mit Mitra, Kasel, Dalmatik, Brustkreuz und Pontifikalhandschuhen, mit der Rechten den Abtsstab haltend, in der Linken ein offenes Buch, auf dem Amikt Initialen (I), an der Stulpe des linken Pontifikalhandschuhes Inschrift (II), zu den Füßen des Abtes links und rechts je ein Wappenschild, mutmaßlich ehemals inkrustiert, jetzt mit leeren Vertiefungen; die gesamte Darstellung unter einem Bogen aus Astwerk, bestehend aus knorrigen Stämmchen, die in Blattranken enden. Um das Relief ehemals Umschrift, linke Langseite noch erhalten. Rotmarmor. Platte an den Rändern mit Textverlust beschnitten und behauen, von der oberen rechten und unteren Seite nur noch Unterlängen und Schaftansätze der Umschrift erkennbar. Von der Grabinschrift ist das Ende der Fürbittformel und die Datierung erhalten. Oberfläche der Platte teils beschädigt.

Maße: H. 216 cm, B. 127 cm, Bu. 2 cm (II), 4 cm (I), 7,5 cm (III).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (I, II), Gotico-Antiqua (III).

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/3]

  1. I.

    . M // . Ea)

  2. II.

    MARIA

  3. III.

    – – –] / D(omi)n(u)s d(omi)n(u)s Pangrati(us) [– – –] abbas [– – –/ – – – re]quiescatb) / Jn s(an)cta Dei pace An(n)o D(omi)ni · M · CCCCC · xijo · Die · S · viti m(a)r(tyri)c)

Übersetzung:

... der Herr, Herr Pankraz ... Abt ... ruhe in dem heiligen Frieden Gottes; im Jahre des Herrn 1512, am Tag des Hl. Märtyrers Veit. (III)

Datum: 1512 Juni 15.

Wappen:
Fürstenzell2), Reischl(?)3).

Kommentar

Die Platte stammt von dem Passauer Meister Jörg Gartner. Neben typischen Elementen in der bildlichen Darstellung – wie das zu Bäumchen stilisierte Astwerk –, kann die Platte vor allem über die Schrift zugewiesen werden. Typische Formen wie das doppelstöckige a mit dem zu einem nach links ausgezogenen Quadrangel stilisierten unteren Bogen und Schaft-s mit Fahne zeichnen die Schrift als Gotico-Antiqua-Typ Gartners aus. Das Stück ragt zum einen wegen der zierreich ausgearbeiteten Versalien, die in ihren Grundformen durchaus der sonst üblichen Großbuchstabengestaltung bei Gartner entsprechen, heraus. Die Buchstaben werden durch doppelte, geschwungene Zierlinien begleitet. Zur sorgfältigen Ausgestaltung zählen auch die flämmchenförmigen i-Punkte, die sonst eher selten zu finden sind. Zum anderen zeichnet sich das Stück auch durch die Verwendung einer frühhumanistischen Kapitalisschrift aus. Sie befindet sich an ausgezeichneten Stellen auf der Kleidung des Verstorbenen. Die erhaben ausgearbeiteten Schriftzüge umfassen typische frühhumanistische Buchstaben wie epsilonförmiges E, A mit Deckbalken und gebrochenem Mittelbalken und konisches M mit verkürztem Mittelteil.

Die Auflösung der Buchstaben auf dem Amikt (I) E und M ist unklar.

Bei dem verstorbenen Abt handelt es sich mutmaßlich um Pankraz Reischl bzw. Pankratius Teichel4). Im Nekrolog von Fürstenzell wird unter dem 16. Juni des Abtes des Klosters Pangracius Reyher, der im Jahre 1512 verstorben ist, gedacht5). Pankraz stammte nach Krick aus „Lafelden“ in Oberösterreich6) und wurde am 8. Juni 1496 Abt von Fürstenzell. Er war der Nachfolger des Abtes Johannes Schleterer, der 1496 verstarb (Nr. 60)7).

In seine Regierungszeit fällt der Landshuter Erbfolgekrieg (1503–1505), unter dem die Gegend offenbar sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Textkritischer Apparat

  1. Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte; unter dem Mittelteil des M ein Punkt auf der Grundlinie.
  2. Teile des Textes auf der rechten Langseite und am Ende der unteren Schmalseite anhand der vorhandenen Buchstabenfüße und des üblichen Formulars rekonstruiert.
  3. Worttrenner in Form eines nach links bogenförmig ausgezogenen Quadrangels auf der Zeilenmitte.

Anmerkungen

  1. Vgl. zum ursprünglichen Standort Bruschius, Supplementum p. 90; zur Wiederauffindung Liedke, Gartner 58; Erhard, Topographie 2,6 118: Erhard vermerkt „Sein Grabstein soll sich in einem Salettl im Wirtsgarten zu Fürstenzell befinden“. Offenbar handelte es sich hierbei um eine unbestätigte Information; er hatte demnach den Stein auch nicht gesehen. Dagegen scheint Huber (um 1894) den Stein tatsächlich gesehen zu haben: „der herrliche Grabstein für obigen Prälaten ist dermalen als Plattenstein bei der Treppe des Wirtsalletl verwendet und sollte in der Kirche wieder einen Platz finden“ (ABP Sammlung Huber, p. 44; auch Ms 117 p. 52).
  2. Klö 46.
  3. Eine Lilie.
  4. Vgl. Liedke, Gartner 58; Namensvariante bei Krick, Stabile Klöster 274.
  5. MGH Necrologia Germaniae IV, 116.
  6. Der Ortsname existiert in dieser Form heute nicht mehr. Für diesen Hinweis bedanke ich mich bei Frau Magister Gertrude Mras, Arbeitsstelle Inschriften, Wien. Der Ort ist vielmehr mit dem heutigen Bad Leonfelden, Pol. Bez. Urfahr-Umgebung/OÖ. zu identifizieren. Für diesen Hinweis bedanke ich mich bei Pater Rainer Schraml, Wilhering; vgl. hierzu auch Ortsnamenbuch Urfahr-Umgebung 97 und Zinnhobler, Bistumsmatrikel 1, 237.
  7. Vgl. Krick, Stabile Klöster 274; Erhard, Topographie 2,6 118.

Nachweise

  1. Liedke, Wiederaufgefundener Grabstein 97, Abb. 31; Liedke, Gartner 58, Abb. 21.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 82 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0008206.