Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 70 Aicha vorm Wald, Pfk. St. Petrus und Paulus 1500

Beschreibung

Fragment einer Grabplatte für den Vikar N. ...inger. An der Nordwand der Seelenkapelle, zweite Platte von Westen, zweite von unten. Hochrechteckige Platte, im oberen Bereich Grabinschrift (I) und etwas abgesetzt darunter Gebetsspruch (II), im unteren Bereich Relief. Platte im Bereich des Reliefs quer abgebrochen, von Darstellung nur noch Kuppa eines Kelchs in vertieftem Feld mit konkav-spitzbogigem oberen Abschluss erkennbar. Rotmarmor. Platte im oberen Bereich diagonal gebrochen, Oberfläche mit leichtem Textverlust abgetreten.

Maße: H. 94 cm, B. 65 cm, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotico-Antiqua.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. I.

    An(n)o D(omi)ni M ccccc / Jn die claudia) m(arty)ris / Obyt venerabilis / vir d(omi)n(u)[s – – –]ịṇger / vicari(us) in [Ai]cha[ch]b) C̣(uius)c) / a(n)i(m)a R[equie]s[cat] in pa[ce

  2. II.

    M[iserere] mei deus

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1500 am Tag des Märtyrers Claudius starb der ehrwürdige Mann, Herr ..., Vikar in Aicha. Seine Seele ruhe in Frieden. (I) Erbarme dich meiner, Gott. (II)

Datum: 1500 Juli 071).

Kommentar

Bei der Schrift handelt es sich um den Gotico-Antiqua-Stil der Passauer Werkstatt des Jörg Gartner2). An dem ovalen unzialen d, dessen oben freistehender Teil nach links zeigt und über den Bogen übergreift, lässt sich erkennen, dass es sich hier noch um eine frühe Phase des Schriftstils handelt. Dies passt auch gut mit der Datierung auf dem Stein überein. Die Schriftoberfläche ist stark abgetreten. Trotzdem gewinnt man den Eindruck, dass die Buchstaben hier noch etwas ungelenk sind.

Auch die Form des Relieffeldes, bei der der Kelch in einen konkaven Spitzbogen eingestellt ist, findet sich des Öfteren in Passau und auch in den Produkten der Werkstatt Jörg Gartners3).

Für die Zeit um 1500 belegt Krick Balthasar Steger als Kirchherrn in Aicha und Pfarrer in Neukirchen vorm Wald4). Bei dem in der Inschrift Genannten handelt es sich also mutmaßlich um einen Steger unterstehenden Vikar, der in Aicha tätig war.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! Zu erkennen ist ein Schaft, lies claudii.
  2. Ergänzt nach gängigem Formular der Zeit, vgl. Nr. 75.
  3. Kürzung durch hochgestellten us-Haken.

Anmerkungen

  1. Das Fest des Hl. Claudius und seiner Gefährten – die in dieser Inschrift nicht genannt werden – wird normalerweise, bes. in Breslau, Genf, Lebus am 7. Juli gefeiert; der Hl. Claudius Nocostratus wird am 8. November gefeiert; im Bistum Paderborn wird nur des Hl. Claudius am 12. August gedacht; für das Bistum Passau im speziellen ist dieses Fest offenbar nicht allgemein üblich, vgl. hierzu Verzeichnis in Grotefend II,2, 80; zur Diözese Passau auch Grotefend II,1, 148–151; da in der Inschrift nur des Hl. Claudius, Märtyrer, gedacht wird und dieses Fest in der Region eher selten erscheint, bleibt eine gewisse Unsicherheit in der Auflösung der Tagesdatierung.
  2. Vgl. Einleitungskapitel XLV mit weiteren Literaturhinweisen.
  3. Vgl. z.B. DI 67 (Stadt Passau) Nr. 409, Abb. 119.
  4. Krick, Seelsorgevorstände 89.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 70 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0007006.