Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 54 Untergriesbach, Pfk. St. Michael 1491

Beschreibung

Altarstipes mit Resten einer Inschrift und Jahreszahlen auf Quadersteinen. Unter dem Hochaltar, Rückseite, Nische und außen am Chor, auf der Westseite des Strebepfeilers zwischen dem südlichen und südöstlichen Chorabschnitt am Sockel. Auf der südlichen Innenseite des Altarstipes Jahreszahl (I), um 90° nach rechts gedreht, auf der westlichen Innenseite links Inschrift (II), rechts Wappenschild in Ritzzeichnung. Außen Jahreszahl (III), darüber eine Reihe aus sieben abwechselnden spitzovalen und runden Zeichen. Granit. Oberfläche stark abgenutzt.

Maße: H. ca. 30 cm (I), ca. 45 cm (II), B. 45 cm (I), ca. 75 cm (II), Bu. 6 cm (I, gemessen 1), 4 cm (II, gemessen i), 8 cm (III, gemessen 1).

Schriftart(en): Arabische Ziffern (I, III), Minuskel (II).

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/3]

  1. I.

    149[1]a)

  2. II.

    ḥic̣ · ạ[– – –] / dẹ[– – –]

  3. III.

    1491

Wappen:
unbekannt1).

Kommentar

Die Schrift (II) ist in einem sehr schlechten Zustand, da sich die Oberfläche des Steins ablöst. In dem noch zu erkennenden Teil sind ein doppelstöckiges a und ein unziales d zu sehen. Diese Formen und auch der Zeitansatz am Ende des 15. Jahrhunderts ließen auf eine Gotische Minuskel schließen, die jedoch nicht allzu streng ausgeprägt gewesen sein dürfte, da gerade das unziale d relativ rund erscheint. Bei der Jahreszahl (I) sind nur mehr die ersten drei Ziffern sicher zu erkennen, das andere Baudatum (III) ist hingegen noch gut sichtbar.

Von dem ursprünglichen Schriftzug am Altarstipes ist nur noch ein Bruchteil sichtbar, von dem auch nur noch einzelne Buchstaben mit einiger Vorsicht gelesen werden können. Aus diesen Resten kann nicht einmal mehr mit Sicherheit die Sprache – Latein oder Deutsch – nachvollzogen werden.

In der Literatur, in der auf diese Inschrift eingegangen wird, wird durchwegs der Name „Leonhard Tuner“ gelesen. Erstmals erscheint dieser Name in der Untergriesbacher Pfarrchronik, die wohl in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts angelegt worden ist2). Tuner soll entweder der Baumeister, der damalige Pfarrer von Untergriesbach oder sogar Weihbischof von Passau gewesen sein3). Der Wappenschild mit dem Kelch würde eher für einen Geistlichen sprechen. Hier könnte demnach ein zu Zeiten des Kirchenbaus tätiger Pfarrer oder Vikar – ähnlich wie in Hauzenberg (vgl. Nr. 31) – vermerkt gewesen sein. Eine Zuweisung zum Weihbischof hingegen erscheint eher abwegig. Bei der Lesung des Namens ist vollkommen unklar, an welcher Stelle er sich befunden haben soll. Die Auflösung „Leonhard Tuner“ lässt sich in jedem Fall nicht mit der fragmentarischen Lesung an den Zeilenanfängen verifizieren. Der Namenszug müsste also an einer Stelle gestanden haben, an der heute die Oberfläche völlig abgegangen ist. Dies würde aber bedeuten, dass die Inschrift zu Zeiten früherer Lesungen noch soweit intakt gewesen sein muss, dass die Entzifferung des Namens vorgenommen werden konnte. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass die Lesung „Leonhard Tuner“ möglicherweise auf eine Fehlinterpretation der heute noch erkennbaren Buchstabenreste zurückzuführen ist, die sich in der Literatur weitertradiert hat. Hinzu kommt, dass bislang keine Person mit diesem Namen über andere Quellen für diese Zeit für diesen Raum nachgewiesen werden konnte. Unter den Seelsorgevorständen bei Krick wird kein Leonhard Tuner aufgeführt. Krick nennt einen Lienhard als Pfarrer von St. Michael in Untergriesbach, der jedoch schon im Jahre 1448 urkundlich auftritt. Zeitlich auf diesen folgen ein Michael (urkundet 1453 und 1456) und ein Georg Pöcksöder (urkundet 1481, 1483 und 1487). Die Liste bricht anschließend ab. Es findet sich der Hinweis, dass die Pfarrei Untergriesbach im Jahre 1490 – also einem Jahre vor der Inschrift – dem Kollegiatsstift St. Salvator in Ilz inkorporiert wurde4). Unter den Pröpsten und Kanonikern von St. Salvator findet sich auch kein Leonhard Tuner5).

Einen weiteren Hinweis auf „Leonhard Tuner“ stellen angeblich die an dem äußeren Strebepfeiler an der Kirche erhaltenen Buchstaben lt dar. Jedoch ist auch hier eigentlich unklar, was die Zeichen bedeuten und ob es sich überhaupt um Initialen handelt, aus welcher Zeit sie stammen und ob sie im Zusammenhang mit der Altarstipes-Inschrift stehen.

Ähnlich abwegig erscheint auch die in der älteren Untergriesbacher Chronik vorgeschlagene Deutung der rundlichen Zeichen bei der Jahreszahl (III) als Brotwecken, die auf eine Brotteuerung deuten könnten6).

Textkritischer Apparat

  1. Ergänzt nach Röttger, Kdm Wegscheid und Baudatum Nr. 56.

Anmerkungen

  1. Ein Kelch; mutmaßlich kein offizielles Wappen, sondern nur Kelch in Schild als Kennzeichen eines Geistlichen, vgl. auch Nr. 31.
  2. ABP PfA Untergriesbach Ic, 0.1. ist eine handschriftliche Chronik, die weder Titel noch Autor trägt. Die letzten Einträge stammen aus dem Jahre 1832. Die gesamte Chronik dürfte aus dieser Zeit stammen.
  3. Vgl. zu der Lesung „Leonhard Tuner“: ABP PfA Untergriesbach Ic, 0.1., p. 22f.: schreibt explizit, dass auf der Hinterseite des Altares noch der Name Leonhard Tuner lesbar wären, was wahrscheinlich den Baumeister bezeichne; Erhard, Topographie 1,3 70f.: Erhard will den Namen des Baumeisters Leonhard Tuner außen an der Kirche zusammen mit der Jahreszahl gesehen haben; Klämpfl in ABP PfA Untergriesbach Ic, 0.2., p. 6: laut Klämpfl sei der Name „Leonhard Tuner“ sogar „überall“ bei den diversen Jahreszahlen „beigesetzt“; Röttger in Kdm Wegscheid 113f.: auch Röttger nennt den Namen, weist ihn aber einem Pfarrer zu; Miller, Chronik 47: Miller verweist darauf, dass Leonhard Tuner als Baumeister vermerkt sei, deutet jedoch in Klammern an, dass es sich auch um einen Pfarrer handeln könnte; ähnlich geht Stutzer, Griezpach 95, in einem chronologischen Abriss der Kirchengeschichte vor; laut Stutzer, Griezpach 103, lässt sich der Schriftzug leonhard tuner 1491 entziffern. Dölzer, Notizen 6f. beruft sich auf einen Markus Hausing, der zu der Zeit einen Passauer Weihbischof Leonhardus aufführt. Ein solcher findet sich jedoch sonst nicht, vgl. hierzu Leidl, Weihbischöfe.
  4. Krick, Seelsorgevorstände 509.
  5. Vgl. Hierzu Krick, Domstift 109-111.
  6. Vgl. ABP PfA Untergriesbach Ic, 0.1., p. 22f.

Nachweise

  1. ABP PfA Untergriesbach Ic, 0.1., p. 22f.; Erhard, Topographie 1,3 70f.; Kdm Wegscheid 113f.; Miller, Chronik 47.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 54 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0005402.