Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 52 Hauzenberg, Pfk. St. Vitus um 1490

Beschreibung

Sogenannter Freudenseer-Altar1). Im Chor der ehemaligen Kirche (jetzt Kapelle). In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts befand sich der Altar an der Nordwand des Chores, in den 50ern in der Seelenkapelle2). Spätgotischer Flügelaltar. Inschriften an den äußeren Seiten der Flügel (Werktagsseite): vier Tafeln mit Darstellungen der vier Evangelisten: links oben der Hl. Johannes an einem Schreibpult sitzend, zu seinen Füßen der Adler, ein Schriftband (I) in der Klaue haltend, links unten der Hl. Matthäus, ebenfalls am Schriftpult sitzend, hinter dem Pult beflügelter Mensch, ein Schriftband (II) in der Linken haltend, rechts oben der Hl. Lukas am Schreibpult sitzend, zu seinen Füßen der Stier, ein Schriftband (III) im Maul, recht unten der Hl. Markus am Schreibpult, zu seinen Füßen der Löwe mit einem Schriftband (IV); alle vier Evangelisten haben auf ihren Schreibpulten offene Bücher, die gemalte Schriftzüge zeigen, die jedoch bei näherer Betrachtung keine wirkliche Schrift abbilden; darüber hinaus sind weitere Schreibutensilien und Schriftstücke zu sehen; alle vier sind in angedeuteten Räumen dargestellt. Holz, bemalt. Altar restauriert3).

Maße: H. (einer Tafel) 89 cm, B. (einer Tafel) 54 cm, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/5]

  1. I.

    Sa) Yohanne//sb) · Ewangelistc) ·

  2. II.

    · // Matheus Ewangeli(st)d) // ·

  3. III.

    Lucas Ewange//liste) ·

  4. IV.

    Marcusf) · Ewangeliste) // ·

Kommentar

Der Schriftbeschreibung ist mit Vorsicht zu begegnen, da die Tafeln mindestens einmal restauriert wurden und dabei möglicherweise die Schrift nachgezogen wurde, sich somit also nicht mehr im Originalzustand befindet. Es gibt jedoch keine Stelle, an der Restaurierungsfehler ins Auge springen würden. Auffallend ist, dass durchwegs als Versal das epsilonförmige E verwendet wird, das bereits auf Einflüsse aus dem frühhumanistischen Bereich schließen lässt und somit auch die zeitliche Einordnung um 1490 rechtfertigen kann. Bei der Textschrift handelt es sich um eine reine Gotische Minuskel.

Röttger bemerkt, die Arbeit stamme aus Passau4). Erst Guby erkennt den Altar als ein Spätwerk der Werkstatt des Passauer Malers Rueland Frueauf des Älteren5). Seinen Ausführungen zufolge ist der Altar ungefähr gleichzeitig mit dem Großgmainer Altar anzusetzen und demnach um das Jahr 1499 zu datieren. Die Zuweisung an Frueauf erfolgt in erster Linie über die Darstellung der Evangelisten. Guby sieht in dem Werk eine Zusammenarbeit zwischen Vater, Rueland Frueauf d.Ä., und Sohn, Rueland Frueauf d.J. Dieser Zuweisung folgt auch die aktuellere Forschung6).

Die Bezeichnung „Freudenseer Altar“ basiert wohl auf einer Sage. Demnach soll der Altar ursprünglich für die Kapelle des ehem. Schlosses Freudensee geplant gewesen und erst später in die Hauzenberger Pfarrkirche verbracht worden sein7). Laut Schlager sei der Altar jedoch durch Spenden von Hauzenberger Bürgern finanziert worden8).

Textkritischer Apparat

  1. Kein Kürzungspunkt erkennbar.
  2. Schriftzug durch eine Klaue des Adlers unterbrochen; es folgt ein Worttrenner in Form eines Quadrangels mit oben und unten ansitzenden eingerollten Zierstrichen auf der Zeilenmitte.
  3. Anfangs- bzw. Schlussornament in Form einer Rosette aus einem Kreis, daran vier Blätter und vier Zierlinien, ergänzt durch weitere Zierlinien, auf der Zeilenmitte.
  4. Schriftzug durch Knicke im Band unterbrochen; über i kleiner Kürzungsstrich; Anfangs- bzw. Schlussornament in Form einer Rosette aus einem Kreis, daran vier Blätter und vier Zierlinien, ergänzt durch weitere Zierlinien, auf der Zeilenmitte.
  5. Schriftzug durch Knick im Band unterbrochen; Anfangs- bzw. Schlussornament in Form einer Rosette aus einem Kreis, daran vier Blätter und vier Zierlinien, ergänzt durch weitere Zierlinien, auf der Zeilenmitte.
  6. Es folgt ein Worttrenner in Form eines Quadrangels mit oben und unten ansitzenden eingerollten Zierstrichen auf der Zeilenmitte.

Anmerkungen

  1. Schlossruine Freudensee, Stadt Hauzenberg.
  2. Vgl. Kdm Wegscheid 42; Miller, Hauzenberg 97.
  3. Restaurierung 2003.
  4. Vgl. hierzu Röttger in Kdm Wegscheid 44; ähnlich Dehio NB 205.
  5. Guby, Frueauf 71.
  6. Vgl. hierzu Schlager in Zeichen der Frömmigkeit 27.
  7. Vgl. hierzu vor allem Erhard, Burgen S. 311, Anm. 1; diese Herkunftsgeschichte hielt sich wohl noch länger, vgl. hierzu beispielsweise Festschrift Hauzenberg 84.
  8. Schlager in Zeichen der Frömmigkeit 27.

Nachweise

  1. Kdm Wegscheid 42ff., Fig. 22f.; Guby, Frueauf 71, Abb. 52; Harksen, Passauer Plastik 34f. (vor allem Figuren); Haller/Schlager, Hauzenberg 28f.; Zeichen der Frömmigkeit 27–32; Ramisch, Flügelaltar Abb. 30.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 52 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0005208.