Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 27 Neukirchen am Inn, Gde. Neuburg am Inn, Pfk. St. Johannes Baptist um 1449

Beschreibung

Inschriftentafel mit Nennung des Vornbacher Priors Georg Schmelzl. Im Langhaus an der Wand östlich neben dem Nordportal. Querrechteckige Inschriftentafel mit Profilrahmen, darin erhabene Inschrift zwischen erhabenen Linien. Kalkstein.

Maße: H. 47 cm, B. 70 cm, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. presens · opusculu(m) · per / f(rat)rem · Georiu(m) · co(m)parat(ur) / Jn formpach · p(ri)orema) · cui(us)b) / Smaelcz(e)lc) · e(r)ata) · cognomend)

Übersetzung:

Das vor Augen stehende „Werklein“ wurde durch den Bruder Georg angeschafft, den Prior in Vornbach, dessen Nachname Schmelzl war.

Kommentar

Die Schrift erinnert in gewissen Zügen an einen Stil, der mit dem Straubinger Meister Erhart in Verbindung steht1). Auffallend sind hierbei die sehr spitz wirkenden Abschlussstriche vor allem am rechten Ende des t-Balkens und am linken Ende des oberen a-Bogens. Jedoch unterscheidet sich der Schriftcharakter im vorliegenden Beispiel von dem bei Meister Erhart auftretenden Stil dadurch, dass hier der Mittellängenbereich weniger gestreckt ist und die Buchstaben dadurch breiter wirken. Dies könnte aber auch daran liegen, dass die Neukirchner Tafel erhaben ausgearbeitet ist. In Passau lässt sich der mit Meister Erhart zusammenhängende Schriftstil vor allem in den Jahrzehnten um die Mitte des 15. Jahrhunderts nachweisen. Die Neukirchner Stiftertafel stammt mutmaßlich aus derselben Zeit. Dieser Umstand und auch die Ähnlichkeit des Schriftstils lassen vermuten, dass die Tafel von einer Passauer Werkstatt, möglicherweise auch aus dem Umkreis Erharts stammen könnte.

Auffallende (Buchstaben-)Formen sind ansonsten: rundes s mit gebrochenen Bögen, wobei der untere kleiner ist, der obere dagegen einen diagonalen Haarstrich aufweist; r-Kürzung, die auf eine Raute im Oberlängenbereich reduziert ist.

Krick2) belegt in seiner Liste der Prioren von Vornbach Georg Schmelzl unter dem Jahr 1449, in dem er urkundlich fassbar ist. Da die Inschrift keine Datierung, sondern nur den Prior Georg nennt, muss die Tafel folglich aus dessen Amtszeit um 1449 stammen. Die Inschrift enthält keinerlei Hinweis, welches „Werk“ der Geistliche „angeschafft“ hat. Aus der Baugeschichte der Kirche geht hervor, dass der Chor wohl aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammt und das Langhaus erst um 1480 gebaut wurde3). Die Vorhalle ist mit 1488 datiert (Nr. 51). Prior Schmelzl könnte sich also vor der Jahrhundertmitte noch finanziell am Bau des Chores beteiligt haben. Ähnliches gilt auch für die Wappentafel des Hans Forster von der Tann (Nr. 13), die auf 1425 datiert ist. Bei dieser Inschrift handelt es sich aber mutmaßlich eher um eine Stifterinschrift als um eine Baunachricht. Möglicherweise beziehen sich die Verse für den Prior Georg, in dem ein opusculum – also ein „kleines Werk“ – angesprochen wird, mehr auf einen Ausstattungsgegenstand als auf einen Baukomplex. In der Kirche befinden sich heute noch einige Figuren aus dem in Frage kommenden Zeitraum, so eine Statuette Johannes’ des Täufers, um 1430, oder eine Johannesschüssel aus der Mitte des Jahrhunderts4). Ob sich die Inschrift auf eines dieser Objekte bezieht, kann nicht mehr geklärt werden.

Textkritischer Apparat

  1. r-Haken in Form einer Raute, hochgestellt.
  2. us-Haken hochgestellt.
  3. Erstes e verkleinert und über a hochgestellt; Auflösung der Kürzung am Wortende unsicher.
  4. Worttrenner in Form einer Raute auf der Zeilenmitte.

Anmerkungen

  1. Vgl. hierzu DI 67 (Stadt Passau) XLII; auch Musteralphabete bei Seufert, Preu/Zeller 367f.
  2. Krick, Stabile Klöster 180.
  3. Vgl. hierzu Kdm Passau 196 und Dehio NB 426.
  4. Vgl. hierzu Dehio NB 427.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 27 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0002705.