Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 8† Kellberg, Gde. Thyrnau, Pfk. St. Blasius 1370?

Beschreibung

Fragmentarische Grabschrift für eine verheiratete Frau namens Anna. Im 19. Jahrhundert noch im Boden vor der Sakristeitür. Damals bereits erheblich zerstört; mindestens eine Schmalseite der Grabplatte fehlte bzw. war verdeckt; es konnten damals nur noch Teile der ehemaligen Umschrift entziffert werden. In der Mitte der Platte befand sich ein Wappenrelief: es handelte sich offenbar um einen schräg gestellten Spitzschild, dessen Wappenbild bereits erloschen war; darüber befand sich ein Topfhelm mit Helmdecke; von der Helmzier war nur noch der untere Teil vorhanden, der eine rundliche Form aufwies.

Beschreibung nach der Zeichnung in BZAR Gen. 1279, Text nach Erhard, Topographie.

  1. – – –]a) septuagesimo · feria · quintab) · post · diem sancti · Michabelic) · o(biit) · anna · uxord) [– – –e)

Übersetzung:

... siebzig, am Donnerstag nach dem Tag des Hl. Michael1) starb Anna, die Ehefrau ...

Kommentar

Aus den spärlichen Angaben geht hervor, dass es sich bei der verstorbenen Person um eine Anna gehandelt hat, die uxor, also verheiratet war. Der Teil der Grabinschrift, der den Namen des Ehemannes enthielt, fehlt leider, sodass hieraus keine Zuordnung zu einer Familie getroffen werden kann. Auch der offenbar erloschene Wappenschild, der ursprünglich mutmaßlich das Wappen des Ehemannes zeigte, gibt keinerlei Auskunft über die Familie. Der Schildform nach zu schließen, stammte die Platte sehr wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert; die überlieferte Angabe septuagesimo kann somit zu 1370 ergänzt werden. Auch die Sprachwahl – Latein für eine (adlige?) Frau – könnte für diesen Zeitansatz sprechen, da in der Folgezeit eher Deutsch zu erwarten wäre. Diesen Datierungsansatz bieten auch die beiden Kopisten Brunner (14. Jahrhundert) und Erhard (1370).

Beide wollen darüber hinaus in der Helmzier das Wappenbild der Watzmansdorfer erkannt haben, weshalb beide die Verstorbene dieser Familie zuordnen. Diese Zuweisung ist jedoch problematisch: zunächst erscheint das Watzmansdorfer’sche Vierblatt in der Regel nur im Schild, nicht als Helmkleinod. Die Familie führt als Helmzier einen Spitzhut, der allerdings in manchen Fällen mit dem Wappenbild belegt sein kann2). Jedoch zeigt die Helmzier in der Nachzeichnung bei Brunner eine unten rund abgeschlossene Form, die so eigentlich nicht mit dem Spitzhut in Einklang gebracht werden kann. Da der Wappenschild offenbar bereits vollständig erloschen war und somit – ebenso wie der fragmentarische Text – keine Aussage zur Familie bietet, muss diese Wappenzuweisung mit Vorsicht behandelt werden.

Tatsächlich diente die Kellberger Pfarrkirche besonders seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Familienangehörigen der Watzmansdorfer als Grablege (vgl. Nr. 29, 55, 56 und 75). Als solche kam die Kirche wohl auch des Öfteren in den Genuss von Stiftungen, wie beispielsweise ein Ölbergrelief mit dem Watzmansdorfer Wappen bezeugt (Nr. 34). Eine Anna von Watzmansdorf ist bei Erhard und Krick als (Mit-)Stifterin eines Benefiziums belegt. Sie soll mit einem Martin von Edreinsdorf oder Edlersdorfer bzw. Martin Edtstorfer verheiratet gewesen sein. Während nach Erhard Anna 1370 – dem auf der Grabplatte genannten Jahr – eine wöchentliche Messe auf den Frauenaltar in Kellberg gestiftet hat und eine Tochter Wilhelms I. von Watzmansdorf3) war, belegt Krick die Benefiziumsstifterin und Ehefrau der Martin Edtstorfer, Anna, für das Jahr 1464 und vermutet, dass sie eine Schwester des Georg von Watzmansdorf (Nr. 58), somit eine Tochter Degenharts I. und demnach erst eine Urenkelin Wilhelms I. von Watzmansdorf war4). Prey belegt eine weitere Anna von Watzmansdorf, die jedoch bereits 1304 gestorben sein soll, was sich nicht mit den Angaben der Inschrift deckt5).

Ob die in der Grabinschrift genannte Anna mit einer der hier aufgeführten weiblichen Familienmitgliedern der Familie der Watzmansdorfer identisch ist und ob sie überhaupt aus dieser Familie stammte, kann letztendlich aus Mangel an Angaben nicht geklärt werden.

Textkritischer Apparat

  1. Fehlstelle in der Transkription durch Punkte gekennzeichnet.
  2. [ – – – ]etua. gest. [ – – – ] quinta BZAR Gen. 1279.
  3. Sic in Kopiale; Michabeli fehlt BZAR Gen. 1279.
  4. Worttrenner in Kopiale wiedergegeben.
  5. Erhard, Topographie bietet als rekonstruierte Grabschrift: Anno millesimo tricentesimo septuagesimo feria quinta post diem sancti Michabeli obiit anna uxor nobilis viri de Edlersdorf. Diese Ergänzung ist aber zweifelhaft, vgl. unten.

Anmerkungen

  1. feria quinta ist der Donnerstag; das Fest des Hl.Michael fällt auf den 29. September: 1370 wäre der Donnerstag nach Michaeli der 3. Oktober gewesen.
  2. Vgl. OÖ 607.
  3. Erhard, Topographie 1,1 173, auch 208.
  4. Krick, Stammtafeln Nr. 205; bei Hundt/Libius, Stammenbuch III, 764ff. findet sich ebenfalls keine Anna.
  5. Vgl. BSB Cgm 2290 30 fol. 444v: nach Prey war diese Anna ebenfalls eine Tochter Wilhelms. Er weist sie jedoch 1302 als Ehefrau eines Heinrich von Leoprechting nach.

Nachweise

  1. BZAR Gen. 1279, Heft IV, 6. Seite „Kirche zu Kellberg“; Erhard, Topographie 1,1 210.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 8† (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0000800.