Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 6 Vornbach, Gde. Neuhaus am Inn, Pfk. Mariae Himmelfahrt (ehem. Benediktinerabteik.) 1109 / 2. V. 14. Jh1)

Beschreibung

Zwei hochrechteckige figurale Platten, nebeneinander; Stiftermemoria der Grafen von Vornbach. Innen, in der ersten südlichen Seitenkapelle von Osten, an der Südwand. Platten nach Aussage der sich darüber befindlichen Inschrift (Nr. 173) urspr. im Kapitelsaal des Klosters. 1642 zusammen mit einer älteren Stiftergrabplatte (Nr. 2) am heutigen Standort angebracht2). Zwei hochrechteckige Platten, jeweils mit Figur in Relief: auf der linken Platte Darstellung eines stehenden Mannes im Kettenhemd, darüber Waffenrock, auf dem Kopf Panzerkapuze und darüber Hut mit Krempe, der Kopf ruht auf einem Kissen, in der angewinkelten Rechten hält er ein Schwert – in der Scheide – geschultert, in der Linken einen Spitzschild; auf der rechten Platte Darstellung eines stehenden Mannes in langem Rock und Gürtel, darüber Tasselmantel, das lockige Haar offen, Kopf bedeckt mit einem Hut, ähnlich dem der anderen Stifterfigur, der Kopf ruht auf einem Kissen, in der angewinkelten Linken trägt er einen Handschuh, mit der Rechten hält er ein Kirchenmodell.

Um das jeweilige Relief breiter Profilrahmen, darauf jeweils an drei Seiten vertieft gearbeitete Umschriften (I und II), die untere Schmalseite aussparend, Bildteile ragen an manchen Stellen in den Rahmen; auf der linken Platte Verse (I), auf der rechten Platte Sterbe- bzw. Gedenkinschrift (II). Rotmarmor. Ränder, besonders die Ecken der Platten beschädigt, Oberfläche an manchen Stellen der Umschriften zerstört. Die Schrift scheint den beschädigten Ecken bzw. Rändern auszuweichen. Grabmäler restauriert; Schrift – später – in Gold nachgezogen, einzelne Buchstaben an beschädigten Stellen in Gold ergänzt3).

Maße: H. 200 cm, B. (je Platte) 84 cm, Bu. 7 cm (I), 8 cm (II).

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/3]

  1. I.

    + UNICA · CUN[C]〈T〉[(ORUM)]a) · / REQVIES · ET · UITA BONOR(UM)b) // · HIISc) · DA / NATEd) · ḌEIe) · LOCA · P(ER)PET//UEb) · REQUIEIf)

  2. II.

  3. + ANNO · D/O(MI)NIg) // M · C · VIIII · O(BIIT) · EKḲEB(ER)Ṭh) / COMES · FUNDATO〈R〉i) ISTIUS · LOCIf) ·

Übersetzung:

Es gibt eine einzige Ruhe und ein einziges Leben für alle guten Menschen – Gib diesen, Sohn Gottes, den Ort der ewigen Ruhe! (I)

Im Jahre des Herrn 1109 starb Graf Eckbert, Stifter dieses Ortes. (II)

Versmaß: Leoninische Hexameter4). (I)

Wappen:
Vornbach5).

Kommentar

Das Ensemble der noch aus der Gotik stammenden Stiftergrabmäler, so wie sie heute vor uns stehen, ist nach Auskunft der darüber stehenden Inschrift (Nr. 173) eine frühbarocke Komposition6). Demnach befanden sich die Grabmäler früher im Kapitelsaal, in einem heute nicht mehr existenten, mittelalterlichen Baukomplex. In Verbindung mit dem Saal soll es eine dem Hl. Johannes geweihte „Kapelle“ bzw. einen ihm geweihten Altar gegeben haben, wo offenbar auch Äbte bestattet wurden7). Somit könnten sich auch die Stiftergrabmäler in dieser Kapelle befunden haben. Wie die Grabmäler dort genau angebracht waren, ist unbekannt8). Möglich ist die Aufstellung als Hochgrab oder als Tumbadeckplatte, wobei man bei letzterem eher eine nach außen gerichtete Umschrift – u.U. auf einem abgeschrägten Rand – erwarten würde9). Auffallend ist, dass die untere Schmalseite von vorne herein ausgespart wurde. Es erscheint beinahe so, als wäre die Umschrift für die Betrachtung eines an der Wand angebrachten Grabmals konzipiert worden. Denkbar wäre aber ebenso die anfängliche Lage im Boden oder auch in einer Arcosolnische.

Ungereimtheiten ergeben sich bei der Betrachtung der Umschriften: die Schrift ist von ihren Formen her als Gotische Majuskel anzusprechen. Sie passt in die von der Kunstgeschichte angesetzte Entstehungszeit der Grabmäler um 1320. Die Buchstabenformen scheinen jedoch teilweise nicht mit dem Stil der Zeit kompatibel: so weist beispielsweise das aufgeblähte unziale E (bei COMES (II)), das bereits einen Abschlussstrich besitzt, in die Zeit der voll ausgebildeten Gotischen Majuskel. Daneben steht aber noch Kapitales E (bei EKKEB(ER)T (II)), das eher in einer noch romanisch geprägten Schrift zu erwarten wäre. Das runde N (bei UNICA (I)) wirkt hingegen wiederum sehr „gotisch“: der stark eingerollte untere Abschnitt des Bogens findet sich auch wieder auf der Grabplatte des Wirnto (Nr. 4). Im Gegensatz dazu steht das kapitale N mit leicht wellenförmig ausgeprägtem Schrägschaft (bei ANNO (II)), das weder als wirklich „gotisch“ noch als „romanisch“ einzustufen ist. Eine weitere auffallende Buchstabenform wäre das weit geschlossene, beinahe der Form eines C gleichende T in Inschrift I (bei UITA (I)). Daneben treten einige Doppelformen auf: so findet sich hier ein nahezu pseudounziales A (bei NATE (I)) neben trapezförmigem A mit Deckbalken (bei LOCA (I)) und unziales M mit nach außen eingerollten unteren Enden der äußeren Schäfte bzw. Bögen (bei COMES (II)) neben der stärker stilisierten Form, bei der der linke Teil des Buchstabens wie ein O geschlossen ist (bei der Datierung in Inschrift II).

E – wie oben bereits gezeigt – und C besitzen bereits Abschlussstriche. Jedoch ergeben sich auch hier bei genauerer Betrachtung Modifikationen: gerade C tritt einmal voll geschlossen auf (bei der Datierung in Inschrift II). An anderen Stellen ist der Abschluss noch nicht gänzlich vollzogen (bei UNICA (I)) bzw. weist der Buchstabe eigentlich nur verstärkte Serifen an den Bogenenden auf (bei LOCI (II)).

Ein weiterer Buchstabe erscheint in der Ausprägung auf den Vornbacher Stiftergrabmälern zumindest ungewöhnlich: Es ist dies U ohne Schaft, das in dieser Gestalt in der linken Inschrift neben „normalem“ unzialen U auftritt (REQUIES (I)). In der Passauer Gegend gibt es eine Ausprägung der Gotischen Majuskel, die gerne Formen variiert und häufig Nexus litterarum verwendet10). Daher sind die Varianten in der Schrift nicht extrem auffallend.

Die Anbringung auf dem Stein wiederum wirkt dennoch sehr unharmonisch: die Buchstaben bei II sind größer als bei I. Darüber hinaus gewinnt man den Eindruck, dass die Umschrift teils Zerstörungen der Platte vor allem in den Ecken und an den Befestigungsstellen ausweicht. Auf der linken Platte lässt die Schrift keine einheitliche Linie erkennen. Sie folgt eher dem leicht ausgefransten Rand der Langseite. Auf dem rechten Stein dagegen ist die Schrift auf Grund des kürzeren Textes breiter ausgeführt, vor allem die Verteilung des Beginns der Datierung (+ ANNO . D/O(MI)NI) wirkt beinahe erzwungen. Auch die Tatsache, dass Inschrift I einen Vers wiederholt, der sich auch auf der einfacheren romanischen Stiftergrabplatte (Nr. 2) befindet, erscheint verdächtig, zumal die beiden Hexameter – ebenso im Gegensatz zu der älteren Grabplatte – auf dem figuralen Grabmal eher unglücklich verteilt sind.

In der Literatur ergaben sich auch Probleme bei der Identifizierung der dargestellten Personen11). Durch die Inschriften ist nur eine Figur namentlich bezeichnet, nämlich die rechte als Graf Eckbert. Das inschriftlich genannte Sterbejahr 1109 weist auf Eckbert I., der als eigentlicher Stifter des Klosters gilt12). Er ist – im Gegensatz zu der anderen Figur – in „ziviler“ Kleidung dargestellt. Als Stifter des Klosters ist er mit dem Kirchenmodell versehen. Das demonstrativ anmutende In-der-Hand-Halten des Handschuhs muss ebenfalls als rechtlicher Gestus gewertet werden. Er hängt sehr wahrscheinlich mit dem Rechtsgeschäft der Eigentumsübertragung an das Kloster zusammen13).

Die linke Figur ist – als Gegenstück zu der rechten – in „militärischer“ Tracht dargestellt. Das Schwert, das zunächst zur Ausrüstung gehört, hat hier, ähnlich wie der Handschuh bei der anderen Figur, eine rechtliche Bedeutung. Das Schwert, vor allem in erhobener bzw. geschulterter Haltung, kann auf Jurisdiktionsgewalt weisen und steht hier mutmaßlich in Zusammenhang mit der Stellung als Klostervogt, die die Vornbacher einnahmen14). Diese Figur wird inschriftlich nicht näher ausgewiesen. Auf der Platte wird der Gebetsspruch (Fürbitte) wiederholt, der bereits auf der älteren Grabplatte (Nr. 2) Verwendung fand. Daher ist hier unklar, wen die Person darstellen soll. Das Wappen zeichnet den Ritter in jedem Fall als ein Mitglied der Familie der Grafen von Schärding-Vornbach aus. Vielleicht könnte es sich hier um den Sohn oder Enkel Eckberts I. handeln15). Wahrscheinlicher ist jedoch, dass hier keine konkrete Person gemeint ist, sondern dass dieses „anonyme“ Bildnis allgemein die Familie repräsentiert. Schließlich wurden mehrere Mitglieder der Vornbacher Grafen und auch deren Verwandte im Kloster bestattet16).

Das Stifterensemble lässt jedoch eine andere wichtige Person vermissen, nämlich die Erstgründerin Himiltrudis. Von ihr hat sich angeblich eine Figur in der ehem. Klosterkirche in Vornbach erhalten17).

Die Vornbacher Stiftergrabmäler sind stilistisch der Platte des Abtes Wirnto vergleichbar. Die Stücke wurden aber später überarbeitet. Hiervon zeugen heute vor allem mit goldener Farbe nachgezogene bzw. ergänzte Buchstaben. Besonders die Konzeption der Platten und die Schrift werfen die Frage nach einer späteren Überarbeitung oder einer möglicherweise erst nachträglich erfolgten Beschriftung auf, die jedoch letztendlich nicht genauer geklärt werden kann18).

Auch der historische Hintergrund, vor dem die Stiftergrabmäler entstanden sind, spricht für den von der Kunstgeschichte angesetzten Zeitraum. Nach längeren Auseinandersetzungen zwischen Habsburgern und Wittelsbachern vor allem im 13. Jahrhundert wurde auch das Kloster Vornbach durch seine Lage am Inn in Mitleidenschaft gezogen. Die Anlage der „neuen“ Stiftermemoria fiel somit in die Zeit des Wiederaufbaus und der Erholung nach diesen Wirren. Am naheliegendsten für die Errichtung dieser figuralen Denkmäler erscheint hierbei die Zeit Abt Engelschalks (1334 – 1349/1350), der einen Großteil des Klosters erneuern ließ. Engelschalk ließ unter anderem auch die Johannes-Kapelle beim Kapitelsaal erbauen, in der sich ursprünglich wahrscheinlich auch die Stiftergrabmäler befanden. Daher ist es nicht auszuschließen, dass Engelschalk im Zusammenhang mit dem Bau der Kapelle die Memorialplatten als (neue) Ausstattungsstücke für diesen Sakralraum bzw. für den daran angrenzenden(?) Kapitalsaal anfertigen ließ19).

Zur Gründungsgeschichte Vornbachs sowie den Stifterpersönlichkeiten, insbesondere Eckbert I. vgl. Einleitungskapitel XXIX.

Textkritischer Apparat

  1. Nach CUN ein Schaft mit Balken auf der Grundlinie erkennbar, ursprünglich für eckiges C?, anschließend verdorbene Stelle: Ecke mit Mörtel beschmiert, darauf T. aufgemalt, kein Kürzungszeichen erkennbar, ursprünglich mutmaßlich CUNCTOR(UM).
  2. Text durch Teile des Reliefs unterbrochen.
  3. Auf der älteren Stifterplatte, auf der sich derselbe Spruch befindet (vgl. Nr. 2), steht an dieser Stelle wohl richtig HIS.
  4. Davor freier Platz.
  5. Teile des D nachgemalt.
  6. Worttrenner in Form eines Punktes auf der Zeilenmitte.
  7. Kein Kürzungszeichen erkennbar; Text durch Teile des Reliefs unterbrochen.
  8. Am Zeilenende, evtl. us-Endung oder -Kürzung verloren?
  9. OR beschädigt und mit Farbe ergänzt, ursprünglich möglicherweise OR.

Anmerkungen

  1. Die kunstgeschichtliche Literatur datiert die Grabmäler um 1320, vgl. Dehio NB 755; Schäffer, Vornbach 14; Würdinger, Vornbach 11; ähnlich auch Kdm Passau 257; Sauer, Fundatio 143–145, hingegen versucht einen zeitlichen Ansatz in die Zeit Abt Engelschalks (1334–1349). Hierfür spricht die Anlage des sogenannten Gloggnitzer Urbars in seiner Amtszeit, das die Darstellung der Stifterbilder aus dem Vornbacher Traditionsbuch wieder aufnimmt. Eine Anfrage an Herrn Prof. Dr. Ulrich Söding, LMU München, dem ich an dieser Stelle herzlich danken möchte, ergab, dass die Zeit um 1320 durchaus als Datierungsansatz in Frage kommt, dass die Stücke aber auch etwas später eingeordnet werden könnten. Dies würde sich also mit der Datierung in die Zeit Abt Engelschalk decken.
  2. Zu der Überführung der Stiftergrabmäler vgl. auch Mader, Kdm Passau 255.
  3. Die Grabmäler sind mindestens einmal restauriert: vgl. hierzu: ABP PfA Vornbach 2 (1. Akt, 7. Seite): eine Rechnung von 1852, darin heißt es unter anderem: „3. Das Monument der Stifter restauriert und vergoldet“; im 20. Jahrhundert fand eine Gesamtrestaurierung der Kirche in den Jahren 1956–1968 statt, vgl. Dehio NB 752.
  4. Für die Beurteilung der Versinschrift danke ich Herrn Prof. Dr. Sebastian Scholz, Universität Zürich.
  5. Si2 8; Sauer, Fundatio 141, verweist ausdrücklich darauf, dass es sich hierbei um das angebliche Wappen der Grafen von Vornbach handelt. Das Wappen ist später (nach dem Aussterben der Grafen von Vornbach) das Wappen des Klosters, vgl. hierzu Zimmermann, Klosterheraldik 164.
  6. In derselben Seitenkapelle befindet sich eine Inschriftentafel, datiert 1794, die auf ein „Ossarium“ der Stifter verweist: OSSARIUM / VEN(ERABILIUM) FUNDATORUM VARNBACENSIUM / COMITUM NEOBURGENSIUM / EKKEBERTI Imi IIdi et IIItii / Nec non / FRIDERICI / ac / BERTHOLDI DUCIS DALMATIAE, et MARCHIONIS ISTRIAE. Ob in diesem Zusammenhang auch etwas an den Grabmälern verändert wurde, muss offen bleiben. Die heutige Anordnung jedenfalls findet sich auch schon in einem Stich in den Monumenta Boica von 1765.
  7. Zu der „Kapelle“ vgl. Kdm Passau 269, basierend unter anderem auf Rumpler, Historia: dieser erwähnt (Sp. 442), dass Abt Engelschalk Capellam S. joannis aedificari fecit; in dieser Kapelle sollen unter anderem auch Abt Johann Poppenperger (1418–1435) und Abt Dietrich bzw. Theodorich II. (1438–1461) bestattet worden sein, vgl. Sp. 443 zu Johann Poppenperger ac ad S. joannem in Capitulo cum caeteris sepultus est – es waren hier demnach also schon andere (Äbte?) bestattet – und Sp. 445 zu Dietrich Sepultum autem constat in Capitulo in Capelle S. Joannis. Zunächst ist aus heutiger Sicht nicht zwingend von einem eigenen Kapellenraum auszugehen. Es könnte sich auch lediglich um einen Altar gehandelt haben, vgl. hierzu Wurster, Vornbach 25. Darüber hinaus bestehen offenbar Unklarheiten darüber, welchem Hl. Johannes die Kapelle geweiht war, da in Kdm Passau von Johannes dem Täufer die Rede ist, Wurster, Vornbach 25, hingegen vom „Kapitel mit dem Hochaltar des Hl. Johannes Evangelist“ spricht. Rumpler (vgl. oben) hingegen erwähnt lediglich S. joannis.
  8. Angelus Rumpler hatte die Grabmäler vor Augen, liefert jedoch nur eine äußerst knappe Beschreibung (Historia Sp. 440): Est autem & hoc Epitaphium lapidi insculptum. Bereits die romanische Grabplatte dürfte sich im Kapitelsaal befunden haben, wie aus Aufzeichnungen einer Genealogie der Neuburger hervor geht, vgl. hierzu MB 4, 9: der dortige Hinweis in Bezug auf die Bestattung Eckberts III: in quo tumulo etiam Pater eius [also Eckbert II.] & Avus eius [= Eckbert I.] & sororius eius Dux Dalmacie ... Pertoldus simul requiescunt dürfte wohl auf die ältere Grabplatte (Nr. 2) anspielen. Ähnlich bei Bruschius, Supplementum p. 101f.
  9. In Kdm Passau wird vermutet, dass die Vornbacher Platten ursprünglich Teile eines Hochgrabes waren. Dem schließt sich auch Würdinger, Vornbach 11, an. In Dehio werden die Grabmäler als ehemalige Tumbadeckplatten bezeichnet. – Die Vornbacher Grabmäler gehören wohl – im Gegensatz zu Tumben der Zeit mit beinahe vollplastischen Figuren – zu dem Grabmaltypus, bei dem der Verstorbene gleichsam in einer „Wanne“ liegt, vgl. Kahsnitz, Gründer 55f. Ein schönes Vergleichsbeispiel aus der Stiftskirche in Wilhering (Pol. Bez. Linz-Land/OÖ.) stellt das sogenannte ältere Schaunberg Hochgrab dar: vor allem die Art der Darstellung scheint der der Vornbacher Stifter vergleichbar; das Stück demonstriert die Anbringung als Hochgrab – wie es auch in Vornbach gewesen sein könnte – hier ist die Umschrift auf abgeschrägtem Rand nach außen gerichtet, wie es bei Tumben typisch ist, wie es aber bei den Grafen von Vornbach eben nicht der Fall ist. Der Text, der hier allerdings in deutsch verfasst ist, weist auch hier Reimverse auf, die aber homogener über die Platte verteilt sind (Beginn „oben“ Mitte); vgl. zum älteren Schaunberger Hochgrab Forster, Schaunberger Hochgrab: Forster setzt das Grabmal in die Zeit um 1300, wobei die Schriftformen erst in die Zeit nach 1350 weisen und somit womöglich erst später angebracht bzw. überarbeitet worden sein könnten, vgl. ebenda 216. Vgl. zu Memoriengräber allgemein auch Koch, Memoriengräber passim, dort besonders die Grabplatte des Abtes Konrad II. aus dem Kloster Mondsee, Pol. Bez. Vöcklabruck/OÖ., die ebenfalls einen den Vornbacher Stiftern vergleichbaren Denkmaltyp darstellt, vgl. ebenda, 134 und Abb. 7.
  10. Vgl. hierzu neben der Grabplatte für Wirnto (Nr. 4) auch die Tumbadeckplatte für den Dompropst Gottfried von Kirchberg und den Kanoniker Eberhard von Wartstein-Berg in der Andreaskapelle am Passauer Dom, die auf 1316 datiert ist, vgl. DI 67 (Stadt Passau) Nr. 20, und die Grabplatte der Kunigunde von Holzheim in Fürstenzell (Nr. 3), datiert 1296.
  11. Die rechte Figur wurde lange Zeit für eine Frau gehalten und meist als Ehefrau Eckberts I., Mathilde, identifiziert; gleichzeitig wurde folglich die linke Figur als Eckbert I. erkannt, vgl. hierzu Kdm Passau 257; Mittelalterliche Bildwerke 58f.; Dehio NB 755; Schäffer, Vornbach 14; in ABP PfA Vornbach 2 werden die Stifter als „Ekkepertus“ und „Himeltrudis“ bezeichnet; Fasmann hingegen erwähnt im ersten Band die Darstellung Eckberts und Himiltrudis, vgl. Fasmann, Chronik 1 fol. 24r, im zweiten Band erkennt er jedoch folgerichtig, dass es sich um zwei männliche Angehörige des Grafengeschlechtes handelt und identifiziert den linken als Comes Ekkebertus Pater, den rechten als Ekkebertus Comes Junior, vgl. Fasmann, Chronik 2 fol. 34r. – Mutmaßlich führte die Darstellung des Grafen mit Locken, langem Gewand und Handschuh zu der Verwechslung mit einer Frau. Die Kleidung stellt jedoch die typische Fürstentracht der Zeit dar, vgl. hierzu beispielsweise Kühnel, Kleidung 261; Kahsnitz, Gründer 73–76, 181f. (zum Hut); bildliche Beispiele auch: Grabfigur des Pfalzgrafen Heinrichs II. (gest. 1095) in der Klosterkirche Maria Laach, Gde. Glees, Lkr. Ahrweiler/Rheinland-Pfalz, siehe bei Kahsnitz; Schubert, Diese diem docet Abb. 135 (Meißen, Dom, Statue Kaiserin Adelheid: hier trägt sie einen Tasselmantel, unter der Krone jedoch einen Schleier).
  12. Bei der Gründungsgeschichte des Klosters Vornbachs scheinen mehrere Personen eine Rolle gespielt zu haben. Als Erstgründerin soll Himiltrudis eine Zelle gestiftet haben, die dann vor allem durch die Stiftung Eckberts I. zu einem Kloster ausgebaut werden konnte, vgl. hierzu z.B. Dehio NB 750; Kdm Passau 237f.; LMA 4 Sp. 646.
  13. Der Handschuh war im Frühmittelalter zunächst nur hohen Personen wie Bischöfen oder Königen vorbehalten und war somit Herrschaftszeichen. Der Handschuh symbolisierte auch die Hand, die im Rechtsleben beispielsweise als Schwurhand eine entscheidende Rolle spielte; so fungierte das Kleidungsstück auch als Zeichen bei Rechtsvorgängen; vgl. zum Handschuh: Kühnel, Kleidung 100; LMA 4 Sp. 1909f.; Sauer, Fundatio 36, verweist ausdrücklich auf Symbole – darunter der Handschuh –, die als „rechtskräftiges und sichtbares Zeichen des Besitzerwechsels“ bei Übertragungen verwendet wurden.
  14. Vgl. zur Bedeutung des Schwertes LMA 7 Sp. 1644f.; auch Schubert, Personen-Denkmäler 488f.; zu den Vornbachern als Vögte vgl. Chrambach, Traditionen 176f. (Tr. 1c): danach bestellte Himiltrudis ihren Verwandten Graf Thiemo zum Vogt; anbei die Bestimmung, dass das Amt jeweils auf den Sohn übergehen soll, vgl. weiter auch im Folgenden z.B. Tr. 1d: advocatus Eckebertus; auch HAB Griesbach 187; Wurster, Vornbach 17.
  15. Eckbert II., der Sohn Eckberts I., sowie auch Eckbert III., der Sohn Eckberts II. und somit Enkel Eckberts I., treten beide in den Vornbacher Traditionen als Stifter auf. In der Totenrotel Angelus’ Rumplers, datiert auf 1513 (Vgl. BHStA Klosterliteralien Formbach 24 (= Fotoband 453): Miniatur am Beginn der Rolle, Abb. siehe auch in Kdm Passau Fig. 195), werden neben Himeldrudis prima fundatrix Ekkebertus senior und Ekkebertus junior als Klosterstifter dargestellt. Hier werden also Vater und Sohn gegenübergestellt; vgl. zu der Art von Darstellung evtl. auch die Stifterfiguren in der Elisabethkirche in Marburg (Lkr. Marburg-Biedenkopf/Hessen): dort sind Vater und Sohn, nämlich Landgraf Heinrich der Ältere (gest. 1308) und Heinrich der Jüngere (gest. 1298) dargestellt: ähnlich wie in Vornbach, ist eine Figur mit Kettenhemd und Waffenrock, die andere mit langem Gewand und Hut bekleidet, vgl. Kahsnitz, Gründer 59.
  16. Nach Information der romanischen Grabplatte (Nr. 2) wurden hier drei Eckberte (I. bis III.) und – angeblich – Berthold von Andechs bestattet; nach der barocken Inschrift über die Versetzung der Grabmäler (Nr. 173) wurde zusammen mit den oben genannten auch Friedrich, ebenfalls aus der Familie der Neuburger, beigesetzt. Auch Sauer verfolgt die These, dass die Platte kein konkretes Mitglied der Familie zeigt, vgl. hierzu zusammenfassend zur Bedeutung der linken Grabfigur Sauer, Fundatio 141: „Die zweite Grabfigur stellt also keine bestimmte Person dar; die Präsentation von Schwert und Wappen sowie die Verbindung mit der inschriftlich vorgetragenen Fürbitte deutet vielmehr auf ihre Aufgabe hin, die soziale Stellung des Gründergeschlechtes und seine rechtlichen Privilegien zu demonstrieren sowie auf die weiteren in der Grablege beigesetzten Familienmitglieder zu verweisen.“
  17. In der ersten nördlichen Seitenkapelle von Osten, befindet sich eine mehrmals gebrochene Skulptur einer Frau mit langem Gewand, Tasselmantel und Schleier. Sie hält die angewinkelte Linke an das Band des Mantels. In der Rechten trägt sie einen Palmzweig (für die Hilfe bei der Identifikation des Palmzweiges danke ich Frau Dr. Elisabeth Vavra, Direktorin des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Zentrum Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Krems an der Donau). Der Rand der Figur ist vollkommen zerstört; daher ist auch keine (mögliche) Inschrift erhalten. Im Unterschied zu den Stiftergrabmälern ist dieses Relief nicht aus Rotmarmor gefertigt, sondern aus Kalkstein. Es erscheint daher eher unwahrscheinlich, dass es zu einer ursprünglich umfangreicheren Stifterfigurengruppe gehörte. Sauer vermutet, dass die Figur möglicherweise für die Wallfahrtskapelle Maria am Sand gefertigt wurde. Laut Schäffer ist die Skulptur regensburgisch beeinflusst (Vgl. zur kunsthistorischen Einordnung der Figur Schäffer, Vornbach 12; zum möglichen ursprünglichen Standort Sauer, Fundatio 144). Die Tatsache, dass die Dargestellte einen Palmzweig hält, lässt Zweifel an der Identifizierung mit der Klostergründerin Himiltrudis aufkommen. Der Palmzweig tritt normalerweise als Attribut bei Märtyrern auf, was darauf deutet, dass es sich bei der Figur um eine heilige Märtyrerin handeln könnte.
  18. Die uneinheitliche Verwendung von Buchstabenformen, sowie auch die unhomogene Verteilung des Textes auf den Platten, vor allem aber auch die Tatsache, dass die Schrift Beschädigungen auszuweichen scheint, erwecken den Eindruck, dass die Inschrift erst später angebracht worden sein könnte. Jedoch findet sich keine plausible Lösung, wann dies geschehen sein könnte. Angenommen die Inschrift wäre erst in späterer Zeit entstanden, dann würde das bedeuten, dass sich hier jemand die Mühe gemacht hätte, eine ältere Schrift nachzuahmen. Diese Bemühung müsste um ein „altes“ Aussehen zu einem eher übertrieben korrekten, vielleicht auch „hölzernen“ Schriftbild führen, vgl. hierzu beispielsweise die historisierende Grabplatte für Albrecht von Closen (gest. 1341) im Kreuzgang der ehem. Zisterzienserabtei Aldersbach (s. Kdm Vilshofen Fig. 35). Hierfür ist das Schriftbild auf den Vornbacher Grabmälern aber zu bewegt und lebendig, sodass man wohl doch von einer gewissen Originalität ausgehen muss. Ein ähnliches Phänomen einer wohl schon früh erfolgten nachträglichen Beschriftung kann in der ehem. Stiftskirche St. Salvator in Millstatt, Pol. Bez. Spittal an der Drau/Kärnten, beobachtet werden: hier wurde das (ältere) romanische Tympanon offenbar nachträglich – da auch hier die Schrift Beschädigungen ausweicht – in romanischer(!) Majuskel beschriftet, vgl. DI 21 (Kärnten 1) Nr. 1.
  19. Vgl. zur These, dass die Grabmäler unter Abt Engelschalk angefertigt wurden, ausführlich Sauer, Fundatio 143–146; vgl. auch Anm. 1; Rumpler, Historia Sp. 442; kurz zu Abt Engelschalk bzw. zum Wiederaufbau des Klosters Rumpler, Historia Sp. 441f.; Krick, Stabile Klöster 177; Kdm Passau 240; vgl. zur Geschichte Vornbachs im 13. und 14. Jahrhundert z.B. Wurster, Vornbach 22–24.

Nachweise

  1. Fasmann, Chronik 1 fol. 24r; Fasmann, Chronik 2 fol. 34r; BSB Cgm 2267 II fol. 90v; BSB Cgm 2290 10 p. 519; M.v.O. Msc. 39 p. 254; ABP PfA Vornbach 2 (1. Akt, 3. Seite): Inschrift II; MB 4, p. 9, Tab. 1; Kdm Passau 256f. Taf. XXIV; Dehio NB 755; Sauer, Fundatio 346ff., Abb. 10, 11; Würdinger, Vornbach 3 (Abb. Gesamtensemble), 11 (nur erwähnt); Schäffer, Vornbach 14 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 6 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0000606.