Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 277 Helmscherode, Kapelle 1635

Beschreibung

Wappentafel. Stein. Eingelassen in die Südwand der Kapelle, zwischen der südwestlichen Ecke und dem ersten Fenster. Die Tafel dokumentiert den Abschluss des Baus der Kapelle, die bis 1635 in einer Ecke des Gutsgartens entstanden war.1) Die sehr gut erhaltene Inschrift erhaben in vertiefter Zeile, die oberen Teile der als vergrößerte Versalien gestalteten Anfangsbuchstaben und das obere Bogenende der 6 leicht erhaben über der Zeile. Die Namen jeweils in zwei Zeilen unter einem Vollwappen, darunter zentriert die Jahreszahl. Die Inschrift war im Sommer 2014 vollständig von Ranken überwachsen.

Maße: H.: 52 cm; B.: 48 cm; Bu.: 3,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg Lampe) [1/1]

  1. IONAS / BVRCHTORF / MARGARETHA / WIERSCHEN / 1635

Wappen:
Burchtorff2)Wirsch3)

Kommentar

Die sehr sauber gearbeitete, normgerechte Kapitalis weist Bogenverstärkungen auf. Die Mittelbalken von H und F sind, wie der Schrägschaft des N, verstärkt. Das spitze A ist mit linkem Schrägschaft und senkrechtem rechten Schaft gestaltet, R mit spitzer Cauda versehen; die Cauda des G geht ohne Brechung aus dem Bogen hervor.

Jonas Burchtorff, Sohn von Hans Burchtorff (Borchtorff) und Mette Linde, wurde am 12. Februar 1553 in Lesse (heute Stadtteil von Salzgitter) geboren. Er besuchte die Schule in Braunschweig und diente anschließend – vermutlich in den 1570er Jahren – einige Jahre bey vornemen Leuten im Krieg in Frankreich und den Niederlanden. Nach seiner Rückkehr arbeitete er bei einem Anwalt (fürnehmen Jurisconsultum) in Braunschweig, bis er, vermutlich 1584, für drei Jahre als Kornschreiber in Heymingen angestellt wurde.4) Von 1587 bis zu seinem Tod am 30. Januar 1635 versah er – mit einer durch das Restitutionsedikt bedingten Unterbrechung von 1629 bis 1631 – das Amt des Propstes bzw. Verwalters des Klosters Lamspringe (Lkr. Hildesheim);5) 1614 wird er auf der Glocke der Klosterkirche genannt. 1635 wurde er in eben dieser Kirche begraben.6) Von 1623 bis 1629 ist er zudem als Amtmann in Winzenburg nachgewiesen.7) Burchtorff gelang es, im Laufe seiner Amtszeit mehrere Güter zu erwerben. In Evensen hat er im Jahr 1600 als Inhaber des Patronats eine inschriftlich dokumentierte Erneuerung der Kirche veranlasst.8) Das Steinbergsche Gut Harbarnsen (beide im Lkr. Hildesheim) hat er 1614 pfandweise in seinen Besitz gebracht.9) Helmscherode liegt nur etwa 5 km südlich von Lamspringe. Jonas Burchtorff hatte sich dort durch den Ankauf einzelner Höfe ein Gut geschaffen.10) Seine Frau Margarethe Wirsch (geb. am 6. März 1571), Tochter des langjährigen Abtes von Ringelheim Heinrich Wirsch (amt. 1570–1613), die er 1594 geheiratet hatte, starb am 30. März 1630; ihre Erwähnung in der Inschrift bedeutete zugleich eine Erinnerung. Jonas Burchtorff heiratete 1631 in zweiter Ehe Margaretha Petreus, eine Tochter des braunschweigischen Hofrates Heinrich Petreus. Von drei Söhnen und fünf Töchtern erster Ehe überlebten ihn zwei Söhne und eine Tochter.11) Der Sohn Heinrich Burchtorff (1603–1657) war 1643 kurzfristig auch Propst in Lamspringe.12)

Anmerkungen

  1. Corpus bonorum von Gehrenrode und Helmscherode (1749): StAW 129 Neu 72, Nr. 86, S. 100. Kdm. Kreis Gandersheim, S. 240.
  2. Wappen Burchtorff (gekreuzte Pferdebeine). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 6, S. 29 u. Tafel 18.
  3. Wappen Wirsch (Kreuz über Radpflug). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 5, Abt. 6, S. 57 u. Tafel 60; hier: Tatzenkreuz über vierspeichigen Rädern (nach einem Beleg auf dem Grabmal für Catharine Sophie Baumgarten, gest. 1676, in St. Johannis in Lüneburg).
  4. Christoph Rüdemann, Christlicher Leich Sermon (…) Bey Ehrlicher Begräbnuß deß Weyland Ehrwürdigen Ehrnvesten Fürachtbarn Wolfürnehmen vnd Wolgelarten Herrn Jonae Burchtorffen, Probste des Closters Lambspring, Einhabern des Sitzes Harbarnsen (…), welcher den 30. Januarij Anno 1635. Abends zwischen 7. vnd 8. Vhren im HErn Christo selig eingeschlaffen Vnd den 5. Februar zum Lambspring in der Kirche ehrlich zur Erde bestattet worden, Goslar 1635, fol. Diijv. Vgl. Roth, Auswertungen, Bd. 7, S. 73, R 6124.
  5. Als Verwalter ab 1587 (Schreiber) bzw. 1592 (Propst) genannt: Germania Benedictina XI, S. 345–348 u. 373 (C. Römer); danach Niedersächsisches Klosterbuch, Bd. 2, S. 908 (A. Dylong). In der Leichenpredigt heißt es, er habe 58 Jahre als Propst amtiert; Rüdemann, Christlicher Leich Sermon, fol. Diijv. Dies ergäbe rechnerisch das Jahr 1577 als Dienstbeginn, vermutlich liegt hier aber ein Irrtum in der Familienerinnerung vor, da für die zehn Jahre andere Amtsinhaber bekannt sind.
  6. Vgl. DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 326.
  7. Klingebiel, Stand, S. 712. Rüdemann, Christlicher Leich Sermon, fol. Diijv.
  8. DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 273.
  9. Vgl. Hann. 27 Hildesheim, Nr. 1146/1–3 (Findbuch-Regest zur Vorgeschichte eines von 1725 bis 1745 vor dem Reichskammergericht ausgetragenen Streites um den Besitz des Gutes Harbansen zwischen den Nachfahren Burchtorffs und den Steinbergs). Vgl. den Titel der Leichenpredigt in Anm. 4.
  10. Kdm. Kreis Gandersheim, S. 240. Kronenberg, Wanderungen, S. 62.
  11. Rüdemann, Christlicher Leich Sermon, fol. [Div]v. Vgl. Roth, Auswertungen, Bd. 7, S. 73, R 6124. Ludolph Heisius, Christliche Leichpredigt (…) Bey dem Begraebnuß der Weiland Erbarn vnd Vieltugentsahmen Frawen Margareten Wirschen Des Ernvesten FürAchtbarn Wollfürnehmen vmd Wollgelarten Herrn Jonae Buchtorffn gewesenen Probsts zum Lambspring Einhabern des Sitzes Harbarnsen etc. Seligen lieben HaußEhren welche am 30. Monats-Tag Martij dieses 1630. Jahrs war der Dienstag in den H. Ostern Morgens frühe vmb 4. Vhr seliglich im HERRN entschlaffen vnd folgendts den 6. Tag Aprilis in der Kirchen daselbst ehrlich zur Erden bestattet (…), Goslar 1630, fol. Diiir–Divv.
  12. Germania Benedictina XI, S. 348 u. 373 (C. Römer). Niedersächsisches Klosterbuch, Bd. 2, S. 908 (A. Dylong). Vgl. DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 121 u. 427.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Gandersheim, S. 240.

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 277 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0027705.