Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 267 Bad Gandersheim, St. Georg 1626

Beschreibung

Epitaph für den Ratsherrn und Kämmerer Hans Niebecker. Stein. Angebracht an der Nordwand des Kirchenschiffs. Über der eigentlichen Platte ein dreieckiger, oben geschwungener Aufsatz mit mehreren Voluten; in der Mitte ein geflügelter Engelskopf. Auf der Platte ist in einer Nische der mit langem, gewellten Haar und Spitzbart dargestellte Verstorbene mit durchgeknöpftem Wams und Mantel mit Umschlagkragen abgebildet, in der Rechten ein (Rechnungs-)Buch haltend. Die Linke berührt eine ovale Kartusche, die den unteren Teil des Körpers bis zu den Knien verdeckt; der Rahmen der Kartusche endet unten in zwei gegenläufigen Voluten. In ihrem leicht vertieften Innenfeld die erhabene Inschrift A. In den oberen Zwickeln der Platte je ein Vollwappen mit den durch die Helmzier unterbrochenen, vertieften Beischriften B. Beginnend unten an der linken Längsseite die über die obere Schmalseite und rechte Längsseite verlaufende Inschrift C, erhaben in vertiefter Zeile; die Inschrift enthält Interpunktionszeichen. Im unteren Viertel der Platte hat aufsteigende Feuchtigkeit zu Abplatzungen geführt; der Anfang von (C) wurde deswegen im 19. Jahrhundert nachgearbeitet.

Maße: H.: 243 cm (gesamt), 201 cm (Platte); B.: 91–94 cm; Bu.: 3,2 cm (A, B), 3,9 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis mit Minuskel-t und -z.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Lara-Sophie Räuschel) [1/1]

  1. A

    DER EHRNVEST / FÜRACHTBAHR UND WOL=/FÜHRNEHMER HERR HANS / NIEBECKER WEYLAND RAHTS/CAMMERER ZU GANDERSHEIMB / IST DEN 5. IUNY A(NN)O 1626 IN GOTT / SEHLIG ENDSCHLAFFE(N) SINES / ALTER IM 47 IAHR ·

  2. B
    H(ANS) // N(IEBECKER)  C(ATHARINA) // W(ICHMANN) 
  3. C

    <PSALM 73,25.26. WENN>a) ICH NUR DICH HABE SO FRAG ICH NICTS NACH HIMMEL UND ERDEN, / WEN MIR GEICHb) LEIB UND SEELE / VERSCHMACHT, SO BIST DOCH DU GOtt ALLEZEIT, MEINES HERtzENc) TROST, UND MEIN THEIL1)

Wappen:
Niebecker2)Wichmann3)

Kommentar

Bemerkenswert an der Schrift ist neben der konsequenten U-Schreibung und den relativ häufigen, im gleichen Wort (UND) auch variierten Ligaturen, vor allem die Verwendung des Minuskel-t in GOtt (C). Auffällig ist auch die Übereinanderstellung von t und z (Anm. c). Die Cauda des R ist, wie alle Bestandteile des Z, geschwungen. Die senkrechte Cauda des G ist teilweise nach rechts ausgestellt (GLEICH) oder kurz vor das untere Bogenende gestellt (FRAG). Die Schaft-, Balken- und Bogenenden (außer am unteren Bogenende des C) sind keilförmig verbreitert, die oberen und unteren Balken von E (und L) spornartig ausgezogen. Ein Wechsel von Haar- und Schattenstrichen findet statt, wenn er auch nicht sehr ausgeprägt ist. So sind die rechten Schäfte von A, H und V, der Schrägschaft des N und die Schäfte von B und R im Verhältnis zu den Bögen verstärkt ausgeführt. Der linke Schaft des asymmetrischen Y reicht bis zur Grundlinie und ist unten nach rechts umgebogen, der längere rechte ist unter die Zeile gezogen und am Ende umgebogen; über dem Buchstaben finden sich Punkte, als Umlautzeichen über U werden kurze Striche verwendet. Spitze 2, das Bogenende der 6 ist weit ausgezogen. Am unteren Schaftende des Minuskel-t findet sich eine Brechung, die oberen Enden sind nach rechts gebogen. Trotz der auffallenden Auslassung von Buchstaben bei GEICH und wohl auch in NICTS lässt sich insgesamt sagen, dass es sich um eine qualitätvolle Arbeit mit einem durchgehaltenen Gestaltungswillen im Hinblick auf die Schrift handelt, die – beim Z – eine Auflösung in Schwellzüge vorwegnimmt, wie sie erst in der zweiten Hälfte des 17. und im 18. Jahrhundert häufiger zu beobachten ist.

Hans Niebecker (1579–1626) war seit 1615 Ratsherr und Kämmerer. Sein Vater Gerd Niebecker erbaute 1581 das Fachwerkhaus Am Markt 3 (vgl. Nr. 162). Hans Niebecker war verheiratet mit Catharina Wichmann, Tochter des Ratsherrn Henning Wichmann, die möglicherweise bis 1649 lebte.4) 1621 erbte das Ehepaar dessen Haus Am Markt 1 (ass. Nr. 29).5)

Textkritischer Apparat

  1. Offenbar nachgearbeitet, wie die schmalere Form der Buchstaben, die abweichende Form der Serifen und vor allem die für das Druckbild der Mitte und des späten 19. Jahrhunderts typische Form der Zahlen zeigt; möglicherweise wurde dabei auch die Angabe der Verse ergänzt, für die bei breiteren Buchstaben kein Platz wäre.
  2. GEICH] Der Steinmetz hat das L vergessen.
  3. HERtzEN] Das t über das z gestellt.

Anmerkungen

  1. Ps. 73,25–26.
  2. Wappen Niebecker (kelchartige Vase mit drei langstieligen Blüten).
  3. Wappen Wichmann (Mann in Zeittracht mit Stab in der Rechten).
  4. Erst 1650 ist ihr Sohn Conrad Niebecker als Besitzer des Hauses Am Markt 3 nachgewiesen; vgl. Kronenberg, Häuserchronik, S. 108.
  5. Ebd., S. 104.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Gandersheim, S. 198.
  2. Kronenberg, Grabmale, 113 u. Tafel I.
  3. Kronenberg, Chronik, S. 83 (Abb.).
  4. A. Kronenberg, Sankt Georg, S. 21.

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 267 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0026708.