Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 133 Hardegsen, St. Mauritius 1567

Beschreibung

Epitaph für Johannes Fuchs und seine Frau Ursula. Heute in die Südwand der Georgs-Kapelle eingelassen, um 1870 noch außen an der Nordwand. Die Oberkante ist dachförmig gestaltet. In der Mitte ein leicht erhabenes Kruzifix im Flachrelief, links und rechts vom Kreuzeshaupt Inschrift A. Links vom Kruzifix die eine halbe Zeile unter Inschrift A beginnende Inschrift B, rechts von diesem Inschrift C; unterhalb des Kreuzes eine senkrechte Leiste, die die Inschriften B und C trennt. Unter dem Ende der Leiste Inschrift D in zwei Zeilen über die ganze Breite des Steins. In den unteren Ecken des Steins zwei Wappen; das rechte ist fast vollständig zerstört. Zwischen den Wappen die Initialen (E) und ein Steinmetzzeichen (M13). Alle Inschriften erhaben im vertieften Feld; in der unteren Hälfte des Steins teilweise Verluste durch Verwitterung und ausgebrochene Stellen am Rand.

Maße: H.: 150 cm; B.: 98,5 cm; Bu.: 4,5–5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Julia Zech) [1/3]

  1. A

    · I(ESVS) · N(AZARENVS) · // · R(EX) · I(VDAEORVM)1) ·

  2. B

    [S]EIT GET/ROST ICH / HAWE DIE W/ELT VWERW/VNDEN2) · ANNO / · 1 · 5 · 4 · 7 · DES DI/NSTAGES IN DE/N HEILIGEN PFI/NXSTEN3) IST / IO(HAN)ES FVCHS IN / GODT SELICH / EN[T]SLAFN / PS 42 O HERE · / WIE · DER HIRSC/H · SCHREIET · N/ACH · FRISCHEM / WASSER · ALSO / SCHREIEN · MEI/[NE] SELE · ZV DIR4) ·

  3. C

    HEVTE SO/LT IHR MIT / MIR IHM PAR/ADISE SEIN5) · / AN(N)Oa) · 1 · 5 · 6 · 7 · / FRITAG NACH / PVRIF(ICATIO) MAR(IAE)6) / IST VRSVLA / FVCHSIN IN / GODT ENT:/SLAFFEN /PHIL I DEN WIRb) / HABEN LVST ABZV/SCHEIDEN VND BEI / DI[R Z]V SEIN7) DEN / CHRISTVS · IST / LEBEN · VND · STER/BEN · IST · VNSER / GEWINST8)

  4. D

    HERE BEFEHLEN WIR DIR / [VN]SER SELEN IN DEIN HEN[DE]9)

  5. E

    P D10) / · 1 · 5 · 6 · 7

Wappen:
Fuchs11)Fuchs?12)

Kommentar

Bemerkenswert an der mit breitem Strich ausgeführten Kapitalis sind das offene kapitale D, das spitzovale O sowie das oben spitze, zweistöckige Z. G ist überwiegend als Bogen ausgeführt, die Cauda ist nur gelegentlich abgesetzt; C ist weit offen, der Mittelteil des konischen M endet über der Mittellinie, A ist mit gebrochenem Mittelbalken gestaltet. Die Bögen an P und R sind klein. Von den Zahlen sind erwähnenswert die geschlossene 4 und die S-förmige 5. Sehr ähnliche Buchstabenformen (vgl. besonders das offene D, das spitzovale O sowie das A) weist der Epitaph-Rest Nr. 132 auf.

Wie bei jenem Epitaph kommt auch bei dem vorliegenden, zumindest am Anfang von Inschrift B, ein B/W-Wechsel vor (HAWE und VWERWVNDEN). Auch das Nebeneinander von diphthongierter (SEIN) und nichtdiphthongierter Form (FRITAG; so nur im oberalemannischen Raum) deutet erneut auf einen Verfasser, der im bairischen bzw. oberdeutschen Sprachraum aufgewachsen ist.13)

Johann Fuchs, der aus einer Hardegser Bürgerfamilie stammte, war seit 1527 Sekretär am Hof der Calenberger Herzöge. Seit 1508 hatte er in Erfurt studiert, später war er Amtmann in Hardegsen. 1545 vertrat er Herzogin Elisabeth als Gesandter auf dem Reichstag in Worms und am kaiserlichen Hof.14) Ursula Fuchs beherbergte in ihrem Witwenhaus von Juni bis Oktober 1563 die im Streit mit ihrem Mann Erich II. lebende Herzogin Sidonie, da die Burg Hardegsen unbewohnbar war.15)

Die sprachlichen Eigenheiten des Epitaphs wie auch die im niederdeutschen Raum ungebräuchliche Namensform „Fuchsin“ (C), die zudem von der sonst üblichen Verwendung des Geburtsnamens auch für verheiratete Frauen abweicht, erklären sich aus dem Umstand, dass Ursula Fuchs eine Bürgerstochter aus Augsburg war. Johannes Fuchs hatte sie als Gesandter Herzog Erichs I. am kaiserlichen Hof – wohl nicht bereits zu Zeiten Kaiser Maximilians I. (also vor Anfang 1519!), wie Letzner angibt –, kennengelernt.16) Beider Grab befand sich auf dem Kirchhof, nicht in der Kirche selbst.17)

Die schlichte Gestalt und die Dominanz wie die Auswahl der Bibelzitate deuten auf ein dezidiert protestantisches Bekenntnis der Witwe Fuchs hin, die das Epitaph vermutlich noch zu Lebzeiten selbst entworfen hat.

Textkritischer Apparat

  1. AN(N)O] Das zweite N nicht gehauen, aber der Platz ist vorhanden. Keine Verwitterung!
  2. WIR] R auf dem Rahmen.

Anmerkungen

  1. Io. 19,19.
  2. Jh. 16,33.
  3. 31. Mai.
  4. Ps. 42,2.
  5. Lk. 23,43.
  6. 8. Februar.
  7. Phl. 1,23.
  8. Phl. 1,21.
  9. Nach Ps. 31,6 bzw. Lk. 23,46.
  10. Möglicherweise zu ergänzen als P(IIS) D(EFUNCTIS): den frommen Verstorbenen.
  11. Wappen Fuchs (Fuchs, nach rechts schreitend). Das Tier weist einen eher pferdeartigen Hals auf.
  12. Wappen Fuchs? (Reste eines Tieres); weitgehend zerstört.
  13. Für sprachgeschichtliche Hinweise danke ich Prof. H. U. Schmid (Leipzig).
  14. Samse, Zentralverwaltung, S. 279f. Vgl. Matrikel Erfurt, Bd. 2, S. 255 (Ostern 1508): Ioannes Vos de Hardis. Ursula Fuchs verkaufte zusammen mit ihren Söhnen Hans und Maximilian am 6. Mai 1548 der Herzogin Elisabeth von Braunschweig einen Weinberg als Ausgleich für die Schulden, die ihr Mann Johannes Fuchs aus seiner Abrechnung für 1546/47 hinterlassen hatte. HStAH Cal. Or. 100, Nr. 116. Zu den Gesandtschaften vgl. HStAH Cal. Br. 11, Nr. 53, 58 u. 61 (zit. nach Findbuch).
  15. Vgl. Kühn, Eine „unverstorbene Witwe“, S. 109–113. Der Name wird in den Briefen der Herzogin nicht genannt, die von eyner wytthen haus (ebd., S. 111) schreibt. Dass es sich dabei um Ursula Fuchs gehandelt hat, geht aus einer Nachricht Letzners hervor, die Rehtmeier (und nach ihm Domeier) überliefert: Rehtmeier, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, Thl. I, S. 811; Domeier, Hardegsen, S. 37. Allerdings ist die Jahresangabe 1560 in der Letzner-Tradition falsch.
  16. Letzner, Hardessische Chronik, fol. 105r/v. Letzner führt an, dass Johannes Fuchs seine Braut im Zusammenhang mit der Heirat Erichs I. mit Katharina von Sachsen, der Witwe Erzherzog Sigismunds von Tirol, geehelicht habe. Dies kann aber nicht sein, da die Heirat des Herzogs bereits 1497 stattfand, als Johannes Fuchs noch nicht einmal sein Studium aufgenommen hatte. Zu Herzog Erich I. und seiner ersten Frau vgl. das Epitaph in St. Blasius in Münden; DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 142.
  17. Letzner, Hardessische Chronik, fol. 105v. Rehtmeier, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, Thl. I, S. 811.

Nachweise

  1. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 95.
  2. HStAH Hann. 74 Northeim, Nr. 607 (Nro. 9).
  3. Grote, Denkmalpflege, S. 38 (nach HStAH Hann. 74 Northeim, Nr. 607).

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 133 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0013309.