Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 88 Northeim, St. Sixti 1513–1516

Beschreibung

Schlusssteine. Die Schlusssteine des Mittelschiffs und der Seitenschiffe sind mit sechsblättrigen Rosen und Darstellungen geschmückt. Die Darstellungen hier jeweils von Westen aufgeführt. Im Mittelschiff über der Orgel ein Kreuz im Tartschenschild, im zweiten Joch die Northeimer Stadtmarke (S1) im von Rankenwerk umgebenen Tartschenschild, im dritten Joch das erhaben ausgeführte, farbig (gold vor blauem Hintergrund mit weißem Rankenwerk) gefasste Christusmonogramm (Inschrift A). Nach einem Engel auf einem Gurtbogen folgen eine – später auf Holz angebrachte – Lutherrose und das Schweißtuch der Veronika; im Gurtbogen vor dieser ein Pelikan, der mit seinem Blut seine Jungen nährt. Im Chor zunächst erneut eine Lutherrose, dann die Schutzpatrone von Kloster und Kirche, St. Blasius mit Horn und St. Sixtus mit Kreuz.1) Im nördlichen Seitenschiff im Westen St. Nikolaus als Bischof mit drei goldenen Kugeln, dann die gekrönte heilige Barbara mit Turm, Maria mit dem Christuskind im Strahlenkranz, gefolgt von einer weiblichen Heiligen mit einer Rose in der Rechten und einem Blumenkorb (Elisabeth von Thüringen oder Dorothea) und schließlich (vor der Wendeltreppe) eine sechsblättrige Rose (Symbol Marias?), auf den Kreuzrippen begleitet von der Northeimer Stadtmarke (S1) und zwei Wappen. In der anschließenden Sakristei das vermutlich nach dem Erfassungszeitraum angebrachte griechische Christusmonogramm2) und eine fünfblättrige Lutherrose.3) Im südlichen Seitenschiff zuerst das sächsische Wappen, dann der Engel Ariel mit der erhabenen, schwarz gefassten Inschrift B auf einem weißen Schriftband, ein Meisterzeichen (M4) auf einem Tartschenschild, die heilige Katharina von Alexandrien mit Schwert und schließlich der heilige Sebastian mit Pfeil. In der früheren Nikolaikapelle (neben dem Chor) ein Abendmahlskelch und ein Agnus Dei.4) Die Ausmalungen um die Schlusssteine nahm der Kirchenmaler Reinhold Ebeling im Jahr 1908 vor.5)

Maße: Bu.: ca. 35 cm (A), ca. 8 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), Kapitalis (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/4]

  1. A

    ih(esu)sa)

  2. B

    S. AR(IEL)

Wappen:
Mittelschiff:St.-Blasius-Kloster?,6) Northeim7)
Nördl. Seitenschiff:Northeim,7) Braunschweig?,8) Sachsen9)
Südl. Seitenschiff:Sachsen,10) Lorenz von Freiberg?11)

Kommentar

Von Hindte vermutete, dass das braunschweigische und das sächsische Wappen im nördlichen Seitenschiff erst nach der „endgültigen Einführung der Reformation“ in der Mitte des 16. Jahrhunderts angebracht wurden.12) Zwar könnten sich die beiden Wappen auf Herzog Erich II. von Braunschweig-Calenberg (1528–1584, reg. ab 1546) und seine seit 1545 mit ihm verheiratete Frau Sidonie (1518–1575) aus der albertinischen Linie der Wettiner beziehen. Ein Zusammenhang mit der Reformation ist aber angesichts der Wendung Erichs II. gegen diese nicht anzunehmen. Näherliegend ist es dagegen, dass die Wappen für seinen Vater, Herzog Erich I. (1470–1540), der seit 1494 das Fürstentum Calenberg regierte, und dessen erste Frau Katharina von Sachsen (1468–1524) stehen, die er 1497 in Innsbruck geheiratet hatte.13) Das Paar könnte einen finanziellen Beitrag zur Vollendung des Kirchenbaus geleistet haben. Dies würde zeitlich zur Nachricht bei Lubecus passen, dass die Kirche in den Jahren 1513 bis 1516 durch den Baumeister Lorenz von Freiberg gewölbt wurde.14) Auch dürfte es sich bei der auf dem Schlussstein desselben Jochs angebrachten sechsblättrigen Rose nicht um eine (fünfblättrige!) „Lutherrose“ handeln, sondern um das (sechsblättrige) Symbol Marias. Bemerkenswert ist die Nennung des Engels Ariel im südlichen Seitenschiff, der nicht zu den sieben häufiger dargestellten Erzengeln gehört.15)

Textkritischer Apparat

  1. Der Schaft des h durch einen Querbalken durch die Oberlänge als Kreuz gestaltet.

Anmerkungen

  1. Vgl. von Hindte, St.-Sixti-Kirche, S. 6.
  2. Befund: X (Chi) und P (Rho), der Schaft des P unten gespalten, gold vor blauem Hintergrund, auf einem möglicherweise später angebrachten Schild.
  3. Vgl. von Hindte, St.-Sixti-Kirche, S. 7.
  4. Vgl. ebd., S. 14.
  5. Ebd., S. 4.
  6. Wappen St. Blasius-Kloster? (Kreuz). So von Hindte, St.-Sixti-Kirche, S. 6. Das Siegel des Klosters zeigt allerdings das Abbild des Bischofs Blasius mit Hirtenstab in der rechten und einem Buch in der linken Hand sowie Brustbildern zweier weiterer Heiliger (Abdon und Sennen); vgl. Vennigerholz, Beschreibung, Bd. 1, S. 32 u. Abb. im Anhang zu Bd. 2.
  7. Wappen Northeim (Stadtmarke S1).
  8. Wappen Braunschweig? (Löwe). Eigentlich: zwei Löwen; vgl. Veddeler, Leopardenwappen, S. 32f.; Ders., Landessymbole, S. 81–83.
  9. Wappen Sachsen (neunmal geteilt, mit Rautenkranz schräglinks überlegt). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 3, S. 18f. u. Tafel 23. Hier: sechsmal geteilt, die Farbfassung fehlerhaft.
  10. Wappen Sachsen (wie vorige Anm.). Hier: zehnmal geteilt, die Farbfassung fehlerhaft.
  11. Wappen Lorenz von Freiberg? (Meisterzeichen M4). Das Steinmetzzeichen findet sich auch am „Wendelstein“ Nr. 94; vgl. Hueg, Steinmetzzeichen, S. 173.
  12. Von Hindte, St.-Sixti-Kirche, S. 7.
  13. Vgl. Kunze (Hg.), Leben und Bauten, S. 32.
  14. Lubecus, Chronik von Northeim, S. 263. Danach Hueg, Sixti-Kirche, S. 13. Vgl. dazu die Einleitung, Kap. 3.1.
  15. Vgl. LCI, Bd. 1, Sp. 674–681.

Nachweise

  1. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 157. – Von Hindte, St.-Sixti-Kirche, S. 7.

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 88 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0008808.