Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 57 Bad Gandersheim, Markt 8 1473

Beschreibung

Haus „Bracken“ (ass. Nr. 239). Fachwerk. Längsfront zum Markt, 13 Gefache lang. Über dem steinernen, vielfach umgebauten Erdgeschoss1) erhebt sich das stark vorkragende Obergeschoss; die beiden letzten Gefache rechts reichen bis zum Straßenniveau hinunter. Auf dem Eckbalken und den an diesem ansetzenden Knaggen Figurenschmuck: unterhalb des Schwellbalkens eine jugendliche Gestalt in enganliegender Kleidung, die sich auf die Knie stützt und die Zunge herausstreckt; auf der Ecke eine Gestalt mit zwei (leeren) Wappenschilden und einem Henkeleimer; auf der Knagge zum Markt ein bärtiger Mönch mit Kreuz und Tasche;2) auf der Knagge zum Rathaus eine Frau mit betend erhobenen Händen und einem Lamm, wahrscheinlich Agnes; außerdem auf der letzten Knagge rechts ein bärtiger Kopf. Auf dem Schwellbalken des Obergeschosses die Inschrift in vertiefter Zeile mit profiliertem Rahmen, links mit einem Dreipass beginnend; die erhaben geschnitzte, farbig (gold vor blauem Hintergrund) gefasste Inschrift erstreckt sich über etwa zwei Drittel der Zeile, die Querstriche des t sind zumeist nicht nachgezogen; am Ende des Textes eine Rosette. Die vertiefte Zeile reicht über viereinhalb Gefache weiter, darin noch eine Rosette. Hier ist mit Textverlust durch eine frühere Restaurierung (bereits im 18. Jahrhundert?) zu rechnen. Bei der letzten Restaurierung im Jahr 2013/14 wurden Teile des Schwellbalkens ersetzt; die Inschrift auf den erneuerten Stücken wurde mit dickerem Strich nachgeschnitzt.

Maße: Bu.: ca. 8 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/3]

  1. <Anno domini · millesimoa) q>uadringentesimo septuagesimo tertio · Johannes Steinman · presentis domus · se · fecit opificem · paratissimu(m) · Quendam per He<rmann> muller artificem · luben[t]issimumb) · [– – –] · [– – –]

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1473 hat sich Johann Steinmann zum wohlvorbereiteten Bauherrn dieses Hauses gemacht, das durch einen gewissen Hermann Müller als bereitwilligstem Künstler …

Kommentar

Anders als Steinacker erwog,3) handelt es sich in diesem Fall nicht um die früheste Erwähnung eines Zimmermannes an einem Fachwerkhaus in Südniedersachsen, die wohl aus dem Jahr 1457 in Hann. Münden vorliegt.4)

Das Haus wurde 1473 von Johannes Steinmann, der 1457 als Schreiber auf der Burg Gandersheim erwähnt wird, auf einem Stiftsgrundstück innerhalb der Bürgergemeinde erbaut; 1458 wird er als Verwalter der Einkünfte der Abtei genannt. Von spätestens 1523 bis 1704 war es im Besitz der Familie Dhonen, die vielfach mit der Abtei verbunden war.5) Der Beiname „Bracken“ rührt aus einer Zeit (im frühen 18. und wieder in der Mitte des 19. Jahrhunderts) her, als das Haus stark verfallen war; nach 1911 wurde es renoviert.6)

Textkritischer Apparat

  1. Detailfoto des Anfangs der Inschrift im früheren Zustand in Kronenberg, Chronik, S. 45.
  2. luben[t]issimum] lubentissimum Kdm. und Kronenberg; das t ist vermutlich bei einer früheren Restaurierung verloren gegangen; nach luben liegt eine Balkennaht vor.

Anmerkungen

  1. Der Eingang wurde erst in der 1950er Jahren von der Längsseite an die Giebelseite verlegt; Kronenberg, Bracken, S. 13f. u. 27 sowie die Aufnahmen ebd., S. 21, 22, 29 u. 30. Kdm. Kreis Gandersheim, S. 216, Abb. 129.
  2. Von Kronenberg, Bracken, S. 13 (vgl. Ders., Chronik, S. 44; Ders., Häuserchronik, S. 360), als Johannes der Täufer identifiziert. Die Ikonographie entspricht nicht der üblichen, allerdings gibt es eine erstaunliche Nähe des Kopfes zu einer Darstellung des Täufers auf einer Münze des Stiftes aus dem 12. Jahrhundert; vgl. Kronenberg, Chronik, S. 29.
  3. Kdm. Kreis Gandersheim, S. 217.
  4. Vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 51 (Kirchplatz 4).
  5. Dazu und zu den folgenden Besitzern bis ins 20. Jahrhundert vgl. Kronenberg, Häuserchronik, S. 361–363. Kronenberg, Bracken, S. 6, 9f. u. 17–28. Zu Steinmann vgl. auch Goetting, Kanonissenstift Gandersheim, S. 115.
  6. Kronenberg, Bracken, S. 11, 20 u. 24.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Gandersheim, S. 217.
  2. Kronenberg, Bracken, S. 11.
  3. Kronenberg, Chronik, S. 44 (Inschrift in Übersetzung).
  4. Kronenberg, Häuserchronik, S. 360.

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 57 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0005709.