Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Volksen, Leineturm 1434

Beschreibung

Stein am Leineturm.1) DI 42, Nr. 12. Der Gandersheimer Lehrer Georg Brackebusch hat im Februar 1869 eine Pause (Durchreibung) angefertigt, deren Abweichungen von den bisherigen Lesungen eine Neuedition rechtfertigen.2)

Der Turm, der zur Einbecker Landwehr gehörte und einen alten Leineübergang von Olxheim her bewachte, wurde 1875 abgebrochen.3) Der Stein befand sich noch 1963 im Städischen Museum in Einbeck,4) ist aber jetzt verloren.5) Der Stein mit der Inschrift war Mithoff zufolge unterhalb einer der drei Pechnasen des knapp zwölf Meter hohen Turms unter einem Gesims angebracht.6) Die Inschrift war der Durchreibung nach erhaben in vertiefter Zeile ausgeführt, mit etwa zwei cm breiten Stegen zwischen den Zeilen. Die Worttrenner sind quadrangelförmig. Der Stein wurde bei einem Umbau des Turms am oberen Rand um eine Zeile gekürzt; vermutlich ist auch am rechten Rand ein weiterer Verlust zu verzeichnen. Die Übersetzung konstruiert um die erhaltenen Teile einen möglichen Text.

Inschrift nach Durchreibung Brackebusch.

Maße: H.: ca. 50 cm; B.: ca. 120 cm; Bu.: 10 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. [– – –]a) / moldramb) · makede · twarc) [– – –]d) / do · me · schrefe) · m° · c°c°c°c° · xxxiiiif) [iar]g) [– – –]h) / ha(n)s · mulrei) · req(ui)escantj) · par[– – –]k)

Übersetzung:

(Diese Warte/diesen Turm hat) Molderam gemacht, das ist wahr; (das war,) als man schrieb 1434 (Jahr). (Er und) Hans Müller, sie sollen (auf gleiche Weise) ruhen (in Frieden).

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Der in der Inschrift genannte Molderam könnte mit dem Baumeister Hans Molderam identisch sein, der von 1404 bis 1416 das Langhaus von St. Alexandri in Einbeck errichtete.7) Ein Hinricus Maldram wurde 1452 mit der Anfertigung einer (nicht erhaltenen) Grabplatte für die Gandersheimer Äbtissin Elisabeth von Braunschweig-Grubenhagen beauftragt.8)

Der Umbau des Turms, bei dem der Stein verkleinert und die Inschrift entstellt wurde, könnte mit Erneuerungen der Landwehr nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen sowie des Siebenjährigen Krieges zusammenhängen.9)

Textkritischer Apparat

  1. Es fehlt ein Objekt des Satzes, also die Nennung dessen, was Molderam gebaut hat.
  2. moldram] Kreisblatt, Ziegahn; molderam Mithoff.
  3. makede · twar] make det war Kreisblatt; makede . de . war . Mithoff; maked(e?) Ziegahn.
  4. Zu ergänzen möglicherweise dut is war (das ist gewesen/war). Der Rest der Inschrift fehlt bei Ziegahn.
  5. schref ] Kreisblatt; schreef Mithoff.
  6. · c°c°c°c° · xxxiiii] m ccc. IIII. Kreisblatt. Von der Erbauung des Turms Anno 1434 berichtet Letzner, Dasselische Chronik, 6. Buch, fol. 99r. „1434“ gelesen hat auch Ziegahn.
  7. [iar]] Vom Formular her und aus Gründen des Reims zu ergänzen.
  8. Es fehlt das grammatikalische Subjekt, das die Verwendung des Plurals im Verb erklärt.
  9. mulre] Kreisblatt; mvlre Mithoff.
  10. req(ui)escant] Befund: r mit übergeschriebenem e; das q fast ohne Unterlänge, rechts angeschlossen ist ein unten spitz zulaufender Kurzschaft mit Quadrangel darüber.
  11. req(ui)escant · par[– – –]] et (?) …ant . pau Mithoff; vor – – – – war, Kreisblatt. Am Ende etwa zu ergänzen: par[iter] in pace. Die ungewöhnliche Formel ist belegt in einem um 1340 begonnenen und bis zum Ende des 15. Jahrhunderts fortgeführten Nekrolog des Franziskanerklosters in Wisby auf Gotland (damals Dänemark). Der Eintrag unter dem 22. November [X. Kal(endas) Dec(embris)] führt zwei an diesem Tag im Jahr 1340 Verstorbene auf und schließt mit ambo pariter requiescant in pace, Amen; Necrologium Gotlandiae Fratrum minorum in Wisby, in: Scriptores rerum Danicarum Medii Aevi, (…), quos collegit et adornavit Jacobus Langebek (…), Tom. VI., Hauniae [Kopenhagen] 1786, Nr. CLXXXIII, S. 557–574, hier S. 565.

Anmerkungen

  1. Die heutige Stichstraße „Leineturm“ zweigt in der Mitte zwischen Volksen und Garlebsen nach Westen von der L 487 ab.
  2. „Inschrift des Leineturms bei Garlebsen“; Durchreibung, zusammengeklebt aus zehn Einzelblättern (I–X), bezeichnet und datiert oben links; Gesamtmaße: Höhe ca. 49 cm, Breite ca. 122 cm; StAW 9 Slg, Nr. 7. Brackebusch hat die Buchstabenkonturen mit Tinte nachgezogen.
  3. Kreisblatt für den Kreis Einbeck vom 3. März 1875. Vgl. Kurt Pretzsch, Der Leineturm der Einbecker Landwehr, in: EinJb 43, 1994, S. 59–74 (Bericht über die Ergrabung der Fundamente im Jahr 1990 und die Geschichte des Leineturms); auf S. 72 Faksimile der Notiz im „Kreisblatt“ von 1875.
  4. Klaus-Günther Ziegahn, Die Baugeschichte der Stiftskirche St. Alexandri in Einbeck, Einbeck 1963 (Studien zur Einbecker Geschichte 1), S. 59.
  5. Freundliche Auskunft von Frau Dr. Elke Heege, Städtisches Museum Einbeck (1996/2015).
  6. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 53. Eine Skizze des Turms aus dem Jahr 1717 bei Pretzsch, Leineturm (wie Anm. 3), S. 67 (Abb. 8).
  7. Vgl. DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 8; zusammen mit Letzner, Dasselische Chronik, 6. Buch, fol. 61v.
  8. Vgl. Goetting, Kanonissenstift Gandersheim, S. 56 u. 323.
  9. Vgl. Pretzsch, Leineturm (wie Anm. 3), S. 70f.

Nachweise

  1. StAW 9 Slg, Nr. 7 (Durchreibung Brackebusch).
  2. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 53.
  3. Kreisblatt für den Kreis Einbeck vom 3. März 1875.
  4. Kurt Pretzsch, Der Leineturm der Einbecker Landwehr, in: EinJb 43, 1994, S. 72 (dort: Faksimile des Berichtes im Kreisblatt).
  5. Klaus-Günther Ziegahn, Die Baugeschichte der Stiftskirche St. Alexandri in Einbeck, Einbeck 1963 (Studien zur Einbecker Geschichte 1), S. 59.