Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 5 Moringen, Liebfrauen 2.–3. V. 13. Jh.

Beschreibung

Glocke. Bronze. Vesper- oder Stundenglocke. Schlanke, zuckerhutähnliche Form mit ausladendem Schlagring und flacher Platte. Die erhaben gegossene, spiegelverkehrte Inschrift verläuft zwischen doppelten Riemenstegen unterhalb der Glockenschulter. Die Buchstaben wurden vor dem Guss in den Mantel eingeritzt. Die Krone ist mit Flechtband verziert. An der Flanke vier gleicharmige, erhabene Weihekreuze. Die aus der Martini-Kirche stammende Glocke wurde zum Schutz vor Kriegsereignissen vermutlich – wie auch die Glocke Nr. 18 – Anfang der 1620er Jahre in die Liebfrauenkirche gebracht.1)

Maße: H.: 63 cm; Dm.: 66 cm; Bu.: 3,5 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Julia Zech) [1/3]

  1. + IN · PRINCIPIO · ERAT · VERBV(M)a)2) + ALFA · ET · O(MEGA)3)

Übersetzung:

Im Anfang war das Wort. Alpha und Omega.

Kommentar

Die Schaft-, Balken- und offenen Bogenenden weisen, wie die Enden der Kreuzarme, dreieckige Sporen auf, die an nicht-freien Schaftenden die Form von Anstrichen annehmen (E, B, R, F). Mehrere Buchstaben zeigen Ansätze zu einer Konturierung der Schäfte. Beim ersten A in ALFA sind die Schrägschäfte verdoppelt, senkrechte Zierlinien finden sich zwischen Mittel- und Deckbalken; eine doppelte Zierlinie erscheint in C und O, eine einfache am Schrägschaft des N (in PRINCIPIO) und dem rechtsschrägen Schaft des V. Daneben gibt es ein flachgedecktes A; die lang ausgezogene, geschwungene Cauda des R ist mit einer aufgesetzten Schwellung versehen. Das L mit langem Balken reicht nicht bis zur Grundlinie; die beiden ersten I und der Schrägschaft des N in IN weisen Nodi auf.

Die von Kapitalisformen geprägten Buchstaben lassen den Übergang zur gotischen Majuskel erkennen; darauf deuten die Sporen, die Cauda des R sowie die angedeuteten Nodi und Zierlinien hin. Zusammen mit der schlanken Form der Glocke und der Ausführungstechnik der in den Mantel eingeritzten Inschrift deutet alles auf eine Entstehung in der Mitte des 13. Jahrhunderts hin. Vom Schriftbefund her wirkt die vorliegende, besser ausgeführte Inschrift etwas später als die auf der 1263 datierten, wesentlich größeren Glocke des Geläuts; vgl. Nr. 4.

Der Anfang des Johannesevangeliums, der hier den apokalyptischen Buchstaben Alpha und Omega (zu deren Bedeutung siehe den Kommentar zu Nr. 4) vorangeht, wurde im 12. und 13. Jahrhundert vor allem auf herausgehobenen Objekten wie dem Godehard-Schrein im Hildesheimer Dom angebracht.4) Wie viele mittelalterliche Glockeninschriften erfüllt auch diese einen schadensabwehrenden (apotropäischen) Zweck.5) Die Inschrift findet sich auch auf der etwas späteren, ebenfalls aus der Martini-Kirche stammenden Glocke Nr. 18.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzungsstrich über V.

Anmerkungen

  1. Um 1600 war sie noch in der Martinikirche; Letzner, Klösterchronik (Cod. Ms. Hist. 248), S. 866; (Cod. Ms. Hist. 249), fol. 963r.
  2. Io. 1,1.
  3. Apc. 1,8; 21,6; 22,13.
  4. Vgl. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 40; auch ebd., Nr. 29 (Hochgrabdeckplatte des Bischofs Udo); DI 31 (Aachen Dom), Nr. 35 (Marienschrein).
  5. Vgl. Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 4, Berlin u. Leipzig 1931, Sp. 731–733.

Nachweise

  1. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 133 u. Tafel II.
  2. Letzner, Klösterchronik (Cod. Ms. Hist. 248), S. 866; (Cod. Ms. Hist. 249), fol. 963r.
  3. Antiquitates Moringenses, S. 58.
  4. Domeier, Moringen1, S. 114 (Nr. IV).
  5. Domeier, Moringen2, S. 105 (Nr. IV).

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 5 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0000508.