Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 316 Katlenburg, St. Johannes 1650

Beschreibung

Zwei Tafeln über einer Rundbogentür der Nordseite. Eisen. In einer vertieften Nische mit einer halbsäulenförmigen, steinernen Einfassung ist unten die gegossene, am Rand mit einigen Kringeln verzierte Tafel I mit der erhaben in vertieftem Feld ausgeführten Inschrift angebracht, farbig (gold auf blau) gefasst; Kürzungen werden durch Doppelpunkte angezeigt. Darüber auf der ebenfalls gegossenen Tafel II ein von zwei Löwen gehaltener und bekrönter, geteilter Wappenschild mit den erhabenen Initialen. Über der Krone eine Sonne mit angedeuteten Gesichtszügen, in den Zwickeln jeweils eine Rose.

Maße: H.: ca. 50 cm (I); B.: ca. 110 cm (I); Bu.: ca. 5 cm (I), 18 cm (II).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Lara-Sophie Räuschel) [1/2]

  1. I

    ANNO 1626 DEN 17 APRILIS IST IN DER / KRIEGES FEHDE DIES GOTTES HAVS / ABGEBRANT VNDT VON H(ERRN) FRIDERICHS / VNDT H(ERRN) CHRISTIAN LVDWIGS GEVET-/TERN HERTZOGEN ZV BRAVNSW(IG) VNDT / LVNEB(VRG) F.F.G.G.1) ZVR EHRE DES HÖHESTEN / 1647 RESP(ECTIVE)2) WIEDER ZV ERBAWEN / ANGEFANGEN VNDT 1650 CHRISTFVRSTLICHa) / AUSGEFVHRETa) WORDEN .

  2. II
    F(RIDERICH)  C(HRISTIAN) L(VDWIG) 

Kommentar

Die Schrift auf Tafel I weist zahlreiche Verzierungen auf. An den oberen und unteren Balkenenden finden sich kleine Zierhäkchen. Die Cauda des R und der untere Schrägschaft des K sind geschwungen und unter die Zeile verlängert; der Schrägschaft des N läuft in einen unter die Zeile gezogenen Zierhaken aus. Über dem oberen Bogenende des G findet sich ein, teilweise mehrfach gekringelter Zierbogen, der kleiner auch an den Bogenenden einiger S und den als Versal gestalteten V und W am Wortanfang erscheint. Das untere Bogenende des G endet mit einer Serife, die Cauda ist zu einem nach rechts angesetzten Zierhaken reduziert. A ist mit einem unterschiedlich stark ausgeprägten, bogenförmigen Anstrich versehen. Der Mittelbalken des H ist ausgebuchtet, Z mit einem Mittelbalken versehen, der Mittelbalken des E ist stark verkürzt. Die Schaft-, Balken- und Bogenenden der Initialen auf Tafel II sind gekerbt, nur das Ende des Balkens vom L ist mit einem aufwärts gerichteten Sporn versehen; der obere Bogenabschnitt des C liegt vor dem Schaft des L, der untere hinter diesem.

Die Ausführung der Tafeln im Eisenguss – zeitgenössische Parallelen gibt es nur bei Ofenplatten – dürfte der Nähe der Harzer Montanregion geschuldet sein, an der das Teilfürstentum Grubenhagen einen erheblichen Anteil besaß. Der in Herzberg residierende Landdrost war in dieser Zeit immer auch Berghauptmann.3)

Die Katlenburger Kirche wurde am 11. April 1626, während des Gottesdienstes, von Northeimern überfallen, eine Woche geplündert und, wie das aus dem früheren Kloster hervorgegangene Schloss, am 17. April durch Brand verwüstet.4) Der Text ähnelt, wie Birgit Schlegel bereits 1984 bemerkt hat, einem Bericht des Pastors Anton Bergius, der vermutlich auch der Verfasser der Inschrift war.5) Anton Bergius (geb. 1618), der in Katlenburg von 1647 bis 1676 wirkte, folgte seinem Vater Sigismund (amtierte von 1609 bis 1627) und seinem älteren Bruder Christoph (geb. 1601, amt. 1627 bis 1647) nach, war also direkt oder zumindest indirekt Augenzeuge der Ereignisse von 1626.6) Herzog Friedrich von Braunschweig Lüneburg regierte in den Teilfürstentümern Celle und Grubenhagen von 1636 bis 1648, sein Neffe Christian Ludwig, Sohn des Herzogs Georg, folgte ihm dort bis 1665 nach. Pastor Bergius berichtete auch über die beim Bau beteiligten Handwerker, Kirchenvorsteher und die derzeitigen Amtleute.7) Der Schnitzaltar in der Kirche, der ebenfalls die Initialen C L trägt, stammt aus dem Jahre 1654.8)

Textkritischer Apparat

  1. V mit Umlautpunkten.

Anmerkungen

  1. Aufzulösen als: FÜRSTLICHE GNADEN. Die Doppelung der Buchstaben bezieht sich auf die zwei zuvor genannten Fürstennamen.
  2. Hier im Sinne von: erst der eine, dann der andere Herzog.
  3. Vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 416f.
  4. Bergius, Templum Catlenburgicum, S. 75. Danach Rokahr, Chronik, S. 40f. Schlegel, Alte Inschriften, S. 47f. Vgl. auch Vennigerholz, Beschreibung, Bd. 2, S. 141. Hueg, Sturmzeit, S. 31–33.
  5. Bergius, Suggestum Catlenburgicum, Bl. Aiiiv der Widmung. Danach Schlegel, Alte Inschriften, S. 48.
  6. Vgl. Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 9.
  7. Zit. bei Rokahr, Chronik, S. 28. Zum Wiederaufbau vgl. Bergius, Templum Catlenburgicum, S. 99–102.
  8. Rokahr, Chronik, S. 28. Weskott, Katlenburg, S. 12–17.

Nachweise

  1. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 20f.
  2. Scheibe, Catlenburg, S. 27.
  3. Hueg, Hausinschriften, S. 66.
  4. Rokahr, Chronik, S. 27.
  5. Schlegel, Alte Inschriften, S. 47 u. 51 (Abb. 5).
  6. Kämmerer/Lufen, Landkreis Northeim, Südlicher Teil, S. 127.

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 316 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0031601.