Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 293 Stöckheim, St. Martin 1641 od. 1614

Beschreibung

Taufstein. Der Taufstein ist farbig gefasst nach dem bei der Restaurierung 1964/66 ermittelten ursprünglichen Befund.1) Über einem senkrechten Sockel verjüngt sich der runde Fuß konisch, um sich anschließend zu einem Wulst mit acht runden Knöpfen zu erweitern. Auf dem Wulst das achtseitige, kuppaförmige Becken, das in einem mehrfach profilierten Rand endet. Der Fuß ist mit vier Maskenköpfen, das Becken mit vier Puttenköpfen im Wechsel mit renaissancetypischen Schweif- bzw. Knorpelwerkornamenten verziert. Die auf dem Fuß angebrachten Köpfe sind flach und mit hoher, freier Stirn geformt, die auf den Ecken des Beckens angesetzten Köpfe sind plastischer und mit gelockten Haaren gestaltet; das sie umgebende Ornament läuft nach unten in eine Traube aus. Die eingehauene Inschrift auf sechs Seiten der unteren Leiste des Abschlussgesimses. Unterhalb des unter den Stifternamen angebrachten Puttenkopfes zwei Wappen. Das Taufbecken stammt aus dem Vorgängerbau der 1756 bis 1764 errichteten heutigen Kirche.2)

Maße: H.: 91 cm; Dm.: 68 cm (Becken); Bu.: 2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Lara-Sophie Räuschel) [1/5]

  1. HANS · LVDEMAN · // ILSEBE · SCHWARTZKOPF // HABEN DISSE DOPE // IN DI ERR GOTTES // FOREHRET · // ANNO · 16 · <41 ·>a)

Übersetzung:

Hans Lüdemann (und) Ilsebe Schwartzkopf haben diese Taufe zur Ehre Gottes gestiftet im Jahr 1641.

Wappen:
Lüdemann3)Schwartzkopf4)

Kommentar

Die schmalen Buchstaben sind unregelmäßig ausgeführt; sie verlassen teilweise die Grundlinie, in Einzelfällen auch die Senkrechte. Die Schaft-, Balken- und Bogenenden sind mit dreieckigen Sporen versehen. Der Schrägschaft des N ist leicht geschwungen, der Mittelteil des M endet weit über der Mittellinie. Bemerkenswert ist das oben spitze, zweistöckige Z und die Ligatur von drei Buchstaben in SCHWARTZKOPF, die dazu führt, dass der Mittelteil des W wie ein X erscheint. Die geschwungene Cauda des G setzt außen an dem nach oben geführten unteren Bogenende an.

Die Schmuckformen des Taufsteins – besonders die Putti und die Schweif- und Knorpelwerkornamente – passen eher zu einer Entstehung zwischen 1590 und 1620.5) Auch ist eine gewisse Nähe zu Schmuckformen am „Eickeschen Haus“ von 1612 in Einbeck zu konstatieren.6) Die niederdeutschen Formen DISSE DOPE deuten ebenfalls auf eine Entstehung im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts. Andererseits finden sich bei Mathies zwei Beispiele von Taufsteinen aus den frühen 1640er Jahren, die ähnliche Formen aufweisen.7) Möglicherweise wurde aber auch ein dreißig oder vierzig Jahre zuvor entstandenes Taufbecken neu gestiftet und mit einer neuen Jahreszahl versehen.

Die Familie Lüdemann kam in die Region mit Veit Lüdemann aus Willershausen, der zwischen 1589 und 1610 wiederholt als Amtmann von Salzderhelden genannt wird; von 1611 bis mindestens 1626 amtierte er in Rotenkirchen, von 1627 bis 1629 war er Amtmann in Moringen. Bereits 1610 besaß er eine Kötnerstelle in Sülbeck,8) wo er einen Wappenstein mit seinen Initialen und seinem Wappen (und denen seiner Frau) anbringen ließ.9) Die Kirche in Stöckheim wurde 1626 von Soldaten des Herzogs Christian von Halberstadt geplündert und in Brand gesteckt, wobei sie auch eine Bronzetaufe von 1477 entwendeten.10) Vor diesem Ereignis gab es keinen Anlass, für Stöckheim ein neues Taufbecken zu stiften. Ein Johann Lüdemann wird als Kirchenvorsteher genannt auf dem Rahmen eines Altaraufsatzes mit Darstellung des Letzten Abendmahls, der 1656 für die Kapelle in Hollenstedt gestiftet wurde, die zur Kirchengemeinde Stöckheim gehörte.11) Das Bild befindet sich nach dem Abriss der Hollenstedter Kapelle heute ebenfalls in der Kirche in Stöckheim.

Textkritischer Apparat

  1. · 16 · <41 ·>] 1614 Lindemann (ohne Begründung); 1641 Mathies. Während die beiden ersten Trennpunkte und die 16 sehr regelmäßig gehauen sind, ist die 41 deutlich ungelenker ausgeführt: kleiner, ohne Sporen, der Schaft der 4 ist verdoppelt, die 1 besteht nur aus einer senkrechten Ritzung, der letzte Trennpunkt ist kaum zu erkennen. Möglicherweise wurden die ursprünglichen Zehner und Einer – durch Einritzen in eine durch Putz ausgefüllte Fehlstelle? – ersetzt. Es lässt sich nicht entscheiden, ob dies gezielt geschah oder nur ein Schaden ausgebessert wurde.

Anmerkungen

  1. Lindemann, Taufstein in Stöckheim, S. 76.
  2. Oehme, Stöckheim, S. 41f.
  3. Wappen Lüdemann (über einer Hausmarke [H9] drei Blüten, aus einem waagerechten Ast wachsend). Vgl. DI 42 (Stadt Einbeck), A1 (1. H. 17. Jh.), S. 111: drei Blüten aus einem Herz herauswachsend; ohne die Hausmarke. Vgl. auch DI 56 (Stadt Braunschweig II), Nr. 990; dort: drei Blumen.
  4. Wappen Schwartzkopf (Frauen-?Kopf). Vgl. DI 56 (Stadt Braunschweig II), Nr. 907 u. 976: schwarzhaariger Frauenkopf (auf Glasmalerei).
  5. Vgl. die bei Mathies beschriebenen und abgebildeten Taufsteine aus Adensen (1607, Abb. 67), Amelungsborn (1592, Abb. 71), Bleckede (1602, Abb. 80), Salzhemmendorf (1610, Abb. 218), Völksen (Abb. 240); Mathies, Taufbecken, S. 111, 113, 115, 145, 154. Vgl. auch den Taufstein aus Grave: DI 83 (Lkr. Holzminden), Nr. 152.
  6. Vgl. Lindemann, Taufstein in Stöckheim, S. 76f.
  7. Der Taufstein in Bederkesa ist allerdings nur indirekt durch den Kirchenbau auf 1644 datiert; Mathies, Taufbecken, S. 114 u. Abb. 79. Der von Mathies als Vergleichsobjekt herangezogene Taufstein aus Hechthausen von 1642 wurde von ihr leider nicht abgebildet; ebd., S. 128.
  8. Vgl. Lippelt, Hoheitsträger, S. 364. Oehme, Stöckheim, S. 24. Zu Moringen siehe auch Domeier, Moringen2, S. 149 (1627–1629).
  9. Vgl. DI 42 (Stadt Einbeck), A1 (1. H. 17. Jh.), S. 111.
  10. Vgl. Oehme, Stöckheim, S. 24f. Zum Taufbecken vgl. Letzner, Dasselische Chronik, 5. Buch, fol. 29v.
  11. Auf der oberen Rahmenleiste des Altaraufsatzes steht: ANNO 1656 HAT DER EHRNVESTER VORACTPAHRER UND FÜRNEMER HERR DIETERICH RAVEN, FRANTZEN RAVENS / SEHLIGER HINTERLASSENER SOHN DISE TAFEL GOTT ZU EHREN VNT DIESER CAPELLEN ZUM ZIERAT VEREHRET. Auf der unteren Rahmenleiste: HOC ACCIPITE IN PANE, QUOD PEPENDIT IN CRUCE: HOC ACCIPITE IN CALICE QUOD EFFLUXIT E CHRISTI LATERE, INQUIT AUGUSTINUS / ET SIC REPARATUM HOC SACELLUM BIENNIO A(NN)O VERO LVI. 26 IIXBRIS (OCTOBRIS) DOM(INICA) XXI. TRIN(ITATEM) DENUO CONSECRATUM A M(AGISTRO) IOHANNE ELLISSEN h(uius) t(empli) PAST(ORI): IOHAN(NE) · LÜDEMAN ANTISTIT(I). (Empfangt im Brot das, was am Kreuz hängt; empfangt im Kelch das, was aus Christi Seite fließt, sagt Augustinus. Und so wurde erneuert diese Kapelle binnen zwei Jahren und wirklich im Jahr (16)56 am 26. Oktober, dem 21. Sonntag (nach) Trinitatis, von neuem geweiht durch Magister Johann Ellissen, Pastor der hiesigen Kirche, Johann Lüdemann, Vorsteher.) – Johann Ellissen war von 1639 bis 1667 Pastor in Stöckheim; Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 414. Oehme, Stöckheim, S. 40f.

Nachweise

  1. Lindemann, Taufstein in Stöckheim, S. 77 u. Abb. 2, S. 78.
  2. Mathies, Taufbecken, S. 150.

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 293 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0029308.