Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 226† Northeim, St. Sixti 1610

Beschreibung

Epitaph für Johann Tedener. Das früher in der Sixti-Kirche befindliche Grabdenkmal – es gab auch eine Grabplatte „in der Mitte des Ganges vor dem Chor“ – wurde im Zuge der Renovierung von 1845/46 entfernt.1) Huegs Edition beruht auf Aufzeichnungen des Senators Friese, die in der Zeit des Umbaus entstanden.2)

Inschrift nach Hueg.

  1. A

    JOHANNES TEDENER iuris utriusque Doctor natus A(nno) 1547 die Lunae post Michaelis3) hora 7 / matutina lauream doctoratus consecutus A(nno) 1573 30. Aug(usti) moritur A(nno) 1610 4. Juli(i)

  2. B

    Artes instillat tenero mihi patria formanta) Cattorum Ingenium clara lycea meum Argentina meos nec non Lutetia mores Auxit et ingenii dona beata mei Heidelberga tuos iuvat hinc audire magistros Et liquido legum fonte rigare sitim Unde ut iudicium firmarat plenior aetas Mi doctoratus das Basilea decus Hinc ducis Erici Wolfgangi hinc inde et Juli Me aula gestit Senatoremb) habere suum Tandem Heinrichi Heros illustrissime presul Consilii illustris pars vocor [ille]c) tui Ast anima ad Christum qui dederat ante reversa Corporis huic saxo membra fovenda dedi Transit honos mundi cito sic sic gloria transit Sed vitam in Christo qui bene transit habet

Übersetzung:

Johannes Tedener, beider Rechte Doktor, geboren im Jahr 1547 am Montag nach Michaelis zur 7. Morgenstunde; den Doktorgrad erwarb er im Jahr 1573 am 30. August, er starb im Jahr 1610 am 4. Juli. (A)

Die Künste lehrte mich in zartem Alter meine Vaterstadt, meine Begabung formten die berühmten hessischen Schulen. Straßburg und Paris förderten meine Sitten und die glücklichen Gaben meines Verstands. Dann erfreute es mich, deine Lehrer, Heidelberg, zu hören und an strömender Quelle der Gesetze den Durst zu löschen. Dann, als das vollere Alter das Urteil gefestigt hatte, gabst du mir, Basel, den Schmuck der Doktorwürde. Hierauf rühmte sich der Hof Herzog Erichs, darauf Wolfgangs, dann auch der des Julius mich als seinen Ratgeber zu haben; schließlich werde ich Teil deines, Heinrich, strahlender Held (und) Herrscher, ruhmvollen Rats genannt. Aber die Seele ist zu Christus, der sie vorher gegeben hatte, zurückgekehrt, die Glieder des Körpers habe ich diesem Stein zur Verwahrung gegeben. So vergeht schnell das Ansehen der Welt, so vergeht der Ruhm. Aber ein Leben in Christus hat, wer gut hinübergeht. (B)

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Kommentar

Johann Tedener war der Sohn des als Hofschneider in Hann. Münden seit 1543 zu Wohlstand und 1572 in den städtischen Rat aufgestiegenen Andreas Tedener, der 1580 starb.4) Johann Tedener wurde im Juli 1566 an der Universität Marburg immatrikuliert;5) anschließend studierte er, der Inschrift zufolge, an der Straßburger Akademie6) und in Paris; am 6. April 1573 wurde er in Heidelberg immatrikuliert,7) am 30. August 1576 – anders als in Inschrift A angegeben – beendete er seine Studien in Basel mit der Promotion zum Doktor beider Rechte.8) Ostern 1580 wurde er Rat Herzog Erichs II. von Calenberg (reg. 1540/46–1584) in Münden; eine Dienstzeit bei Herzog Wolfgang von Grubenhagen (reg. 1567–1595) ist nicht nachzuweisen. 1585 wurde Johann Tedener als „Rat von Haus aus“, d. h. ohne Residenzpflicht in Wolfenbüttel, von Herzog Julius (reg. 1568–1589) in Dienst genommen;9) spätestens 1592 lebte er, in derselben Funktion Herzog Heinrich Julius (reg. 1589–1613) dienend, in Northeim. Seine Frau Anna Mattenberg, Tochter eines Mündener Bürgermeisters, starb 1631 in Osterode.10) Ein Bruder, Erich Tedener, ist zwischen 1588 und 1613 als Verwalter des Klosters in Weende bei Göttingen nachgewiesen.11) Ein weiterer Bruder, Andreas, ist 1613 Klosterverwalter von Walkenried.12) Der Sohn Johann Wilhelm Tedener war von 1614 bis zu seinem Tod 1651 Pfandinhaber der Klöster St. Blasius in Northeim und Wiebrechtshausen, seit 1614 auch Stadtvogt in Northeim.13) Er wurde, zusammen mit seiner Frau Anna Maria Berkelmann (gest. 1660), ebenfalls im Erbbegräbnis im Chormittelgang beigesetzt.14) Wiebrechtshausen (und andere Klöster) hatte bereits der Verstorbene durch Schuldgeschäfte in den Kreis seines Einflusses gezogen.15)

Falls bei der fehlerhaften Angabe des Jahrs der Promotion in Inschrift A nicht ein Fehler des Abschreibers vorliegt, spricht dieser Irrtum dafür, dass die Inschrift – trotz der Ich-Form – nicht von Johannes Tedener selbst verfasst wurde.

Textkritischer Apparat

  1. formant] formam Hueg.
  2. Senatorem] Senatorum Hueg.
  3. [ille]] Fehlt Hueg.

Anmerkungen

  1. Vennigerholz, Beschreibung, Bd. 2, S. 90.
  2. Hueg, Leichensteine, S. 44.
  3. 3. Oktober.
  4. Vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 162 (mit Kommentar). Samse, Zentralverwaltung, S. 84.
  5. Matrikel Marburg, S. 76: Ioannes Dednerus Mundensis.
  6. Das 1538 gegründete protestantische Gymnasium wurde 1566 in den Rang einer Akademie erhoben; Anton Schindling, Humanistische Hochschule und freie Reichsstadt. Gymnasium und Akademie in Straßburg 1538–1621, Wiesbaden 1977 (Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz 77), bes. S. 44–67 u. 105–125.
  7. Matrikel Heidelberg, 2. Tl., S. 66, Nr. 49: Joannes Tetnerus, Mundensis.
  8. Matrikel Basel, S. 241, Nr. 5: Jo. Tetnerus, Mündensis Brunsvicensis, „1576 30.8. dr. iur. utr.“.
  9. HStAH Cal. Br. 22, Nr. 282. StAW 3 Alt, Nr. 222 (beide zit. nach Findbuch).
  10. Vgl. Samse, Zentralverwaltung, S. 169 u. 268f.
  11. Samse, Zentralverwaltung, S. 269. Lippelt, Hoheitsträger, S. 424f. (1589–1610). 1588: HStAH Hann. 94, Nr. 7809. 1613: HStAH Cal. Or. 100 Weende, Nr. 362 (beide zit. nach Findbuch).
  12. Vgl. StAW 2 Alt, Nr. 9677.
  13. Jaeger, Bürgermeister, S. 85f. HStAH Hann. 94, Nr. 7480 (Bestallung 1614 u. 1624). StAW 5 Urk, Nr. 234 (Pfandverschreibung 1615); beide zit. nach Findbuch.
  14. Vennigerholz, Beschreibung, Bd. 2, S. 90. Die Grabinschrift der Anna Maria Berkelmann, möglicherweise eine Schwester des Göttinger Generalsuperintendenten Theodor Berkelmann (1576–1645), lautete (ebd.): Hoc saxum tegit cineres et ossa matronae eminentissimae Annae Mariae Berkelmannae viri spectabilis Dr. Joh. Wilh. Tedeneris P(iae) M(emoriae) supra XL annos uxoris per novem viduae quae sex liberorum mater octodecim avia facta ob raras ingenii dotes virtutum [– – –]ginta sex fere vixit [– – –]: ‚Dieser Stein bedeckt die Asche und die Knochen von Anna Maria Berkelmann, der hervorragendsten Ehefrau des angesehenen Mannes Dr. Johann Wilhelm Tedener, zu ihrer frommen Erinnerung. Sie war über 40 Jahre Ehefrau, neun Jahre Witwe, war Mutter von sechs Kindern, wurde Großmutter von 18 (Enkeln) und lebte, begnadet mit seltenen Tugenden, fast (…) Jahre.‘
  15. Vgl. z. B. StAW 1 Alt 30, Nr. 411; 137 Urk Nr. 9, 11, 12, 15. HStAH Cal. Br. 7, Nr. 1558/1 u. 1708. Cal. Or. 100 Wiebrechtshausen Nr. 29/1 u. 37 (alle zit. nach Findbuch).

Nachweise

  1. Hueg, Leichensteine, S. 77f.

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 226† (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0022602.