Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 96: Lkr. Northeim (2016)
Nr. 198 Bad Gandersheim, Museum 1597, 1600
Beschreibung
Willkomm der Schlosser. Zinn.1) Der kugelige Hauptkörper ruht auf einem kleineren, gedrückten Fußaufsatz, dessen Form sich im Deckel wiederholt. Auf dem flachen, runden Fuß drei Rollwerkkartuschen, aus denen ein menschlicher Oberkörper herauswächst. Unter dem Schaft, der Fuß und Fußaufsatz verbindet, drei Flügelköpfe. Fußaufsatz, Korpus und Deckel sind jeweils von einem Reliefband umzogen, das untere und obere mit Putten, Flügelköpfen in Rollwerkrahmen. Das Band des abgeflachten Hauptkörpers zeigt ein abwechslungsreiches, teilweise wiederholtes Bildprogramm: Neben zwei Szenen aus dem Leben des Verlorenen Sohnes nach Stichen von Sebald Beham (1500–1550) bzw. Plaketten von Leonhard Danner (1497 od. 1507–1585) – zweimal das Verprassen der Habe und dreimal die Heimkehr2) – erscheinen eine sitzende Fides, umgeben von Rollwerk, in der Rechten ein Kreuz, in der Linken ein Füllhorn (?) haltend; eine weibliche Flügelgestalt, in der Rechten einen Pokal, in der Linken ein Gefäß haltend (Fortuna?); eine weibliche Sitzfigur im Halbprofil, in der Linken eine Laute mit dem Hals nach unten nach hinten haltend, über dem ausgestreckten rechten Arm ein Pferdekopf; umgeben von Rollwerk eine Querfüllung mit Herme, rechts und links begleitet von abgewandten sitzenden Satyrn; ein von einem Pferd gezogener Wagen mit Lenker, dahinter ein angedeuteter Weinstock (Bacchus oder eine Allegorie des Herbstes?).3) Am Hals ebenfalls drei Flügelköpfe und auf dem Deckel über einem mit drei Flügelköpfen belegten Wulst eine antikisierende Kriegergestalt mit Fahne in der Rechten. Die eingravierte Inschrift in zwei Zeilen auf der Oberseite des Korpus, darüber in eingravierter lateinischer Schreibschrift die Namen der Gildemitglieder aus dem Jahr 1876, in dem die Gilde aufgelöst und in eine Innung überführt wurde.4) Als Worttrenner dienen sternartige Hoch- und Doppelpunkte. Auf dem flachen Oberteil des Fußes, oberhalb des Randes, zweimal die gegossene Beschaumarke Einbecks (gekröntes E), dazwischen ein Meisterzeichen (M19) mit den erhabenen Initialen C E über einem Schwan.5)
Maße: H.: 61,5 cm (mit Fahne); Bu.: 0,5 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
IORGEN · PIPER : HANS · SLVTER : ZACHARIAS · BECKMAN : ALBRECHT · PAPEN : HANS · SNOR : 1 · 5 · 9 · 7 : 28 · MAII : / HINRICH · HASE · GILDEMEMEISTERa) GEWEST · IM 1600 IAR ·
Textkritischer Apparat
- GILDEMEMEISTER] Irrtümliche Verdoppelung von ME bei der Gravur.
Anmerkungen
- Inv. Nr.: Zi 1.
- Vgl. Pauli, Hans Sebald Beham, Nr. 34 (S. 46); Nr. 36 (S. 49f.) u. Tafel II. Grieb, Nürnberger Künstlerlexikon, Bd. 1, S. 240f. Abbildung der Plaketten Danners in der Sammlung des Victoria & Albert-Museums: collections. vam.ac.uk/item/O312932/the-prodigal-son-plaquette-beham-hans-sebald (15.10.2015). Identifiziert bereits von Wiswe, Einbecker Zinngießer, S. 16.
- Identifizierungen nach Wiswe, Einbecker Zinngießer, S. 16; Wiswe sieht in der hier als Fortuna angesehenen geflügelten Frauengestalt eine „Patientia“.
- Im Jahre 1876 waren hier Meister: C. Blötz / senior / F. Rose. / senior / H. Grimme. / senior / H. Rose. F. Heuer. C. Blötz. F. Richter. / F. Rose. F. Grimme.; senior steht jeweils unter dem vorhergehenden Namen, die beiden letzten Namen über den der ersten beiden Meister.
- Abb. der Marke: Kdm. Kreis Gandersheim, Tafel XXI, Nr. 39, S. 478.
- Wiswe, Einbecker Zinngießer, S. 15–17 u. 21–25 (Kat. Nr. 1–6). DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 125 (von den Initialen des Meisterzeichens ist nur das E wiedergegeben); vgl. auch ebd. Nr. 136, 150 u. 151, mit Abb. 36 u. 37.
- Wiswe, Einbecker Zinngießer, S. 14f.
- Kronenberg, Häuserchronik, S. 132.
- Ebd., S. 285.
- Ebd., S. 50.
- Ebd., S. 157; vgl. auch S. 140 (Steinweg E).
- Ebd., S. 331 u. 332.
- Ebd., S. 130 u. 310.
- Ebd., S. 201.
Nachweise
- Kdm. Kreis Gandersheim, S. 226 u. Abb. 133, S. 227.
- Kronenberg, Chronik, S. 103 (Abb.).
- Kat. Stadt im Wandel, Bd. 2, Nr. 651, S. 737f.
- Wiswe, Einbecker Zinngießer, S. 21.
Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 198 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0019807.
Kommentar
Die Kapitalis zeichnet sich durch dreieckige bzw. serifenartige Schaft- und Bogenenden aus. H ist mit einem nach unten ausgebuchteten Mittelbalken, G mit senkrechter Cauda und nach rechts verlängertem oberen Bogenende gestaltetet. Die Cauda des R und der untere Balken des Z sind geschwungen; hinzu kommt eine spitze 2.
Der Pokal wurde angefertigt von dem Zinngießermeister „C. E. mit dem Schwan“, der sich in Einbeck von 1597 bis 1623 nachweisen lässt. Ein Vergleichsstück ist der Nachbarschaftspokal der Wolperstraße in Einbeck.6) Die erstmals in Lyon nachzuweisende Technik der Herstellung der gegossenen Reliefs kam über Montbéliard (Mömpelgard) und den aus Basel stammenden Caspar Enderlein (1560–1633) nach Nürnberg und Sachsen. Die Einbecker Pokale wurden nach einem vor allem in Sachsen praktizierten Verfahren hergestellt, bei dem für den Guss der Reliefs zunächst eine erhabene Vorlage (Plakette), zumeist nach graphischen Vorlagen, geschnitten wurde, von der eine negative Gussform abgenommen wurde. Der Meister „C. E.“ (ein Verwandter des Caspar Enderlein?) dürfte daher aus Sachsen zugewandert sein oder dort zumindest gelernt haben.7)
Die in (A) genannten Meister erscheinen in den Hausbesitzerlisten als Schmiede oder Ratsherren. Der Schmied Jürgen Pieper kaufte 1583 das Haus Steinweg 14 (ass. Nr. 85) und starb 1611.8) Hans Schlüter d. J., Ratsherr von 1590 bis 1596/97, erwarb 1568 das Haus Neustadt Nr. 8 (ass. Nr. 194).9) Zacharias Beckmann wurde 1576 Besitzer des Hauses Moritzstr. 7 (ass. Nr. 12), in dem der Stadtbrand von 1580 seinen Ursprung gehabt haben soll; 1626 wird seine Witwe genannt.10) Der Grobschmied Albrecht Pape erbte 1590 das Haus Steinweg Nr. 27 (ass. Nr. 103).11) Hans Schnor senior amtierte von 1601 bis 1625 als Ratsherr und starb vor 1630; seit 1579 besaß er das Haus Hagen 3 (ass. Nr. 222).12) Sein Neffe Hans Schnor junior übernahm von 1596 bis 1599 das Haus Steinweg 13 (ass. Nr. 84), in dem bereits seine gleichnamigen Groß- und Urgroßväter eine Schmiede betrieben hatten; von 1606 bis 1626, in welchem Jahr seine Witwe genannt wird, war er Eigentümer des Hauses Hagen 6 (ass. Nr. 211).13) Heinrich Hase, der Gildemeister aus dem Jahr 1600, hatte 1578 das Haus Baderstr. 3 erworben (ass. Nr. 131); 1626 war er tot.14)