Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 96: Lkr. Northeim (2016)
Nr. 163 Greene, St. Martin 1582
Beschreibung
Wandgemälde auf drei Seiten des Kirchenschiffs von 1577/78, das durch die Ersetzung des früheren, kleineren Chors durch einen polygonalen Abschluss in der Breite des Schiffs und den Einbau von größeren Fenstern der Emporen im Jahr 1716 verändert wurde. Dabei Zerstörung einzelner Bilder und Übertünchung der restlichen, 1977 wiederentdeckten Malereien, die bis 1980 restauriert wurden.1) Die Malereien wurden nicht über die erhaltenen Spuren hinaus ergänzt, anders als die Inschriften, von denen teilweise nur geringe Reste original sind.
An der Nord- und Südwand ein Apostel-Credo-Zyklus mit nummerierten Abschnitten des Glaubensbekenntnisses. Die Reihe der durch ihre Attribute gekennzeichneten Apostel, durch gemalte Säulen voneinander getrennt, ist nicht mehr vollständig. An der Nordwand folgen, beginnend von Westen: Petrus mit (teilweise erhaltenem) Schlüssel und Inschrift A (die Namen an dieser Wand links vom Kopf, der Abschnitt des Glaubensbekenntnisses rechts vom Kopf unterhalb der oberen Begrenzungslinie); dann Bild zerstört durch Fenstereinbau (vermutlich Andreas), Inschrift B vollständig erneuert; Jakobus d. Ä. mit (kaum erkennbarer) Pilgermuschel und Inschrift C (die Figur in der oberen Hälfte zerstört); Johannes mit Kelch und Inschrift D; Philippus mit Kreuzstab, Buch und Inschrift E; Bild, bis auf das Fragment einer etwas greifenden Hand fast vollständig zerstört,2) Inschrift F ergänzt. Außer der Reihe folgt Christus als Salvator Mundi mit dem Taufbefehl (Inschrift G). An der Südwand, gegenüber von Christus ein wohl ursprünglich leeres Feld, danach von Osten nach Westen: Judas Thaddäus mit Keule und Inschrift H (die Namen auf der Südseite links vom Kopf, der Abschnitt aus dem Credo unterhalb des Bildes); dann Bild und Inschrift zerstört durch Fenstereinbau, wodurch der 8. Abschnitt des Glaubensbekenntnisses (mit Matthäus?) fehlt; Jakobus d. J. mit Walkerstange und Inschrift I; Simon Zelotes mit Buch und Säge sowie Inschrift J; Bild und Inschrift zerstört, wodurch der 11. Abschnitt des Glaubensbekenntnisses (mit Thomas?) fehlt; Fragment mit Inschrift K.
An der Westwand links von der Türöffnung die Verkündigung an die Hirten mit der Inschrift L, rechts von der Tür Reste der Anbetung der Könige und der Flucht nach Ägypten mit einer modernen Restaurierungsinschrift.3)
Maße: H.: ca. 210 cm; B.: 220–275 cm; Bu.: 5 cm.
Schriftart(en): Fraktur.
- A
<Petrus. // 1. Ich gläube an gott vater / allmächtigen schöpffer> / himmels vnd der erden
- B
[Andreas] // <2. Vnd an Jesvm christvm / seinen einigen sohn / vnsern herrn.>
- C
<Jackobus major. // 3. Der empfangen ist / vom heiligen geist gebohren / von mari>a der jungfrawen.
- D
<Johannes.> // 4. Gelitten <unter pontio pilato> / gecreützig<et gestorben> / und begraben.
- E
<Philippvs. // 5. Niedergefahren zur höllen / am dritten tage aufferstanden / von den todten. >
- F
<Bartholomävs. // 6. Auffgefahren gen himmel /sitzend zvr rechten gottes / des allmächtigen vaters.>
- G
<Mir ist gegeben alle> / gewaltt im himmel vnd / auf erden darümb geht hin / und leret alle völcher, vnd / tevffet sie im name(n) des / vaters vnd des / sons vnd des heilige(n) / Geistes.4)
- H
<Judas Thaddävs.> // 7. Judas T. Von dannen er kommen <wird zu richten die lebendigen vnd d>ie Todten.
- I
<Jackobus . minor. > // 9. Jackobvs. die heilige christliche Kirche die gemeine der Heiligen5)
- J
<Simon.> // 10. Simon. Vergebung der <Svnden.>a)
- K
<Matthias> // <12. M>atthias. Vnd ein ewiges Leben.6)
- L
Vnd der Engel sprach zu ihnen: / Fürchtet euch nicht Sehetb) ich verkundige euch grosse freude die allem volke widerfahren wird.7)
Textkritischer Apparat
- <Svnden.>] v mit diakritischem Zeichen.
- Sehet] In der Luther-Bibel 1545: Siehe. Der Plural auch in den Bibelausgaben des Hieronymus Emser (Dresden 1527) und (Seeth) in der niederdeutschen Bibel von 1533/34 (Lübeck, „Bugenhagen-Bibel“).
Anmerkungen
- St.-Martins-Kirche in Greene, S. 4–6 (K. Renner). Grote/van der Ploeg, Wandmalerei, Katalogband, S. 135. Von Poser, Ausmalungsprogramme, S. 216. Notiz zur Entdeckung in: NomHbll, 43. Jg., 1978, S. 64f.
- Grote/van der Plog erkennen in dem Fragment einen Geldbeutel und schließen auf Matthäus; Wandmalerei, Katalogband, S. 136. Bartholomäus ist bei aller Unsicherheit in der Reihenfolge der Apostel wahrscheinlicher. P. Königfeld hat hier ein Schwert gesehen und auf Simon geschlossen; Peter Königfeld, Die kunstgeschichtliche Bedeutung der Wandmalereien, in: St.-Martins-Kirche in Greene, S. 14.
- „pinxit 1582 / restaur(avit) 1980“ (gemalt 1582, erneuert 1980).
- Mt. 28,18–19.
- Unter dem zerstörten Bild davor wird sinngemäß gestanden haben: „8. Ich glaube an den heiligen Geist.“
- Unter dem zerstörten Bild davor wird sinngemäß gestanden haben: „11. Auferstehung der Toten.“
- Lk. 2,10.
- Grote/van der Ploeg, Wandmalerei, Katalogband, S. 136. Als Beispiel aus dem Kreis Northeim siehe den Radleuchter von 1420 in St. Alexandri in Einbeck; DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 9.
- Vgl. Peter Königfeld, Die kunstgeschichtliche Bedeutung der Wandmalereien, in: St.-Martins-Kirche in Greene, S. 15–17. Zur Schlosskapelle in Celle vgl. von Poser, Ausmalungsprogramme, S. 216 mit Anm. 21, S. 221.
- Vgl. Rufinus, Commentarius in symbolum apostolorum: Patrologia Latina, Bd. 21, Sp. 335–386. (Pseudo)-Augustinus, Sermo de Symbolo, in: Patrologia Latina, Bd. 39, Sp. 2188–2191.
- Vgl. LCI, Bd. 1, Sp. 461f.
- Jörg Rohé, Die reformationsgeschichtliche und theologische Bedeutung der Wandmalereien, in: St.-Martins-Kirche in Greene, S. 19f.
- Anders Jörg Rohé; ebd., S. 19.
- Ebd., S. 21. Vgl. Ehlers, Greene, S. 87. Freist/Seebaß, Pastoren, Bd. 2, S. 261 (Nr. 3349).
Nachweise
- Grote/van der Ploeg, Wandmalerei, Katalogband, S. 135f.
- Von Poser, Ausmalungsprogramme, S. 217 (A, Abb.).
- St.-Martins-Kirche in Greene, S. 18 (G, Abb.).
Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 163 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0016300.
Kommentar
Über die Schrift ist nach Restaurierung und Ergänzungen wenig zu sagen; auch die Wiedergabe von u und v bleibt deshalb unsicher.
Wie beim Weltgericht in Dassel (Nr. 152) wird hier der mittelalterliche Bildtypus des Apostel-Credos aufgegriffen.8) Solche Rückgriffe gab es mehrfach in der Reformationszeit; ein Beispiel ist die Ausgestaltung der Schlosskapelle in Celle (1567).9) Textgeschichtlich geht die Verbindung der Apostel mit den Artikeln des Glaubensbekenntnisses auf T. Rufinus aus Aquileia (4. Jh.) zurück und ist vor allem durch pseudoaugustinische Predigten verbreitet worden, denen zufolge die Apostel bei ihrer Trennung, um die Einheit der Lehre zu gewährleisten, jeweils einen Satz des Credo gesprochen haben.10) Die Reihenfolge der Apostel und ihre Zuordnung zu den einzelnen Teilen des Apostolicums ist nicht genau festgelegt.11)
Die Ausmalung der Greener Kirche stellt ein typisches Beispiel für die lutherische Verbindung von Wort und Bild als Lehrprogramm dar. Die Wiederaufnahme des Apostel-Credos wird ergänzt durch die Darstellung Christi zusammen mit dem Taufbefehl (G). Gegenüber an der Südseite der Kirche, unter dem vermutlich leergelassenen Feld, dürfte ursprünglich – in Korrespondenz von Altem und Neuem Testament – die Kanzel mit der Mosesfigur als Träger gestanden haben.12) Die Abweichung von Luthers Bibelübersetzung (Sehet statt Siehe) muss nicht auf eine Rezeption der niederdeutschen Bibel von 1533/34 oder gar der „katholischen“ Ausgabe des Hieronymus Emser von 1527 zurückgehen;13) vermutlich liegt nur eine sprachlogische Anpassung an den ersten Imperativ (Fürchtet) vor. Als Autor des Programms kommt Heinrich Rudolphi infrage, der von 1569 bis 1604 Superintendent in Greene war.14) Zu Rudolphi vgl. Nr. 211, 212 sowie den Kommentar zu Nr. 193.