Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 153† Lüthorst, St. Magnus 1578

Beschreibung

Epitaph für das Kind Wilhelm Hoffmann, verfasst von seinem Vater, Pastor Andreas Hoffmann. Laut Letzner war das Epitaph an einem Pfeiler der Kirche angebracht.

Inschriften nach Letzner.

  1. A

    Epitaphium Quod Andreas Hofmanus Filiolo suo Guilhelmo qui Anno M D LXXVIII Idibus Iunii1) circiter sextam horam matutinam ut 16 Cal(endas) Iunii2) Anno eodem natus erat expiravit paterno animo scripsit

  2. B

    PATERAh mea cur linquens fili carissime tecta Cur superans scandis mi Guilhelme domos Num quia delectat te consuetudo sororis Annae defunctae vel mala dira times

  3. 5

    An vero summi fuit id patris aequa voluntas Qui velit a cunctis te revocare malis Dic ergo fili quare sublatus ab orbe Tam cito sis linquens tristia corda mihi FILIVS

  4. 10

    Qvid pater ah tristi ducis suspiria corde Quidq(ue) pie Mater pectore moesta gemis Auspice sum Christo coeli jam ductus in aulam Ereptus Sathanae fraude doloq(ue) gravi In Mundo est nam vita nihil nisi cura laborq(ue)

  5. 15

    Mundus habet praeter gaudia falsa nihil Non me delitiae tales retinere valebant Nec quoq(ue) me lucri spes revocare potest Sed potius laeti manibus per mutua junctis Ducimus hic choreas res placet ista DEO

  6. 20

    Nunc ego vivo DEO nunc terq(ue) quaterq(ue) beatum Me perhibent lacrimis sit modus oro tuis Quae pater ipse doces alios tu transfer in usum Nam fecisse juvat non docuisse sat est Si mihi viventi Mater bene corde volebas

  7. 25

    Cur nunc invideas gaudia tanta mihi Vivite felices igitur superosq(ue) timete Vt vos huc ducat Christus utrosq(ue) vale

Übersetzung:

Grabschrift, welche Andreas Hoffmann für sein Söhnchen Wilhelm, das im Jahr 1578 an den Iden des Juni ungefähr um die sechste Morgenstunde verstarb, nachdem er 16 Tage vor den Kalenden des Juni desselben Jahres geboren war, mit väterlichem Herzen verfasst hat. (A)

Vater: Oh, warum, liebster Sohn, indem du mein Dach verlässt, warum, indem du das Haus aufgibst, steigst du empor, mein Wilhelm? Etwa weil dich das Vorbild deiner Schwester erfreut, der verstorbenen Anna? Oder fürchtest du schlimmeres Unheil? Oder aber war es der gerechte Wille des höchsten Vaters, der dich von allen Übeln fortrufen will? Sag’ also, Sohn, warum du von der Erde so schnell genommen worden bist, mir ein trauriges Herz zurücklassend?

Sohn: Warum, oh Vater, ergehst du dich traurigen Herzens in Seufzern? Und warum, Mutter, klagst du pflichtgetreu mit Traurigkeit in der Brust? Unter Christi Geleit bin ich schon eingeführt im Himmelspalast, entrissen dem Trug und der schlimmen List Satans. In der Welt ist nämlich das Leben nichts als Sorge und Mühe; die Welt hat nichts außer falschen Freuden. Solche Reize konnten mich nicht halten, und die Hoffnung auf Gewinn kann mich nicht zurückrufen. Sondern führen wir hier fröhlich mit gegenseitig verschlungenen Händen Reigentänze auf, dieses Tun gefällt Gott. Jetzt lebe ich für Gott, dreimal und viermal glücklich preisen sie mich. Ich bitte dich, mäßige deine Tränen. Was du selbst, Vater, andere lehrst, das mache dir zu Nutze, denn zu tun macht Freude, zu lehren ist nicht genug. Wenn du mir bei Lebzeiten, Mutter, von Herzen wohl wolltest, warum solltest du mir solch große Freuden neiden? Lebt also glücklich und fürchtet die Himmlischen, auf dass euch beide Christus hierher führe. Lebe wohl. (B)

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Kommentar

Andreas Hoffmann, Sohn des Pastors Anton Hoffmann (1517/18–1591) in Einbeck,3) war von 1577 bis 1583 Pastor in Lüthorst;4) danach amtierte er als Pastor in Brunsen, wo er 1593 starb.5) Andreas Hoffmann verfasste auch zwei Chronodistichen auf die Renovierung der Kirche in den Jahren 1581/82, die Letzner gleichfalls überliefert, von deren Ausführung als Inschrift er allerdings nichts sagt.6) Johannes Letzner war von 1583 bis 1589 Nachfolger des Andreas Hoffmann als Pastor in Lüthorst.7)

Ebenfalls als Dialog von Vater und Sohn abgefasst ist eine wiederum von Letzner überlieferte Grabschrift (Epitaphium) für den wohl 1580 gestorbenen Johannes Hoffmann, Sohn des Einbecker Kantors Christopher Hoffmann und Enkel des Pastors Anton Hoffmann.8) Ein erhaltenes Beispiel mit einer dialogischen Grabschrift findet sich in Northeim; Nr. 156.

Anmerkungen

  1. 13. Juni.
  2. 17. Mai.
  3. Zu Anton Hoffmann, Pastor an der Neustädter Kirche von 1552 (2. Stelle) bzw. 1576 bis 1591 vgl. Meyer, Pastoren, Bd. 1, S. 240f. Freist/Seebaß, Pastoren Bd. 3, S. 36. DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 114.
  4. Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 113.
  5. Freist/Seebaß, Pastoren, Bd. 1, S. 66; Bd. 2, S. 138, Nr. 1775. Eine Amtsentsetzung in Brunsen im Jahr 1591 erwähnt nur: Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 113.
  6. Vgl. Letzner, Dasselische Chronik, 5. Buch, fol. 15v.
  7. Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 113.
  8. Vgl. DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 107 (die zweifelhafte Ausführung dort nicht problematisiert). Ein ausgeführtes Epitaph für den gleichnamigen Onkel Johannes Hoffmann, Sohn des Anton Hoffmann, ebd., Nr. 102 (1580). Das Epitaph des Pastors Antonius Hoffmann selbst: ebd., Nr. 114 (1591).

Nachweise

  1. Letzner, Dasselische Chronik, 5. Buch, fol. 16r/v.

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 153† (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0015303.