Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 109 Erichsburg, Schloss 1530

Beschreibung

Zwei Bronzetafeln. An der Nordwestecke der Frontseite, rechts neben dem Eingang. Oben eine ädikulaförmige Tafel mit halbkreisförmigem Muschelgiebel; im Innenfeld zwischen Pilastern und doppelten Gesimsen das Prunkwappen des Erbauers. Darunter eine zweite Tafel mit der erhaben gegossenen Inschrift im vertieften Feld, der Rahmen mehrfach kanneliert; Quadrangel dienen als Worttrenner, am Ende einiger Zeilen auch Schmuckblätter. Die Tafel war ursprünglich über dem Tor angebracht,1) wurde aber schon im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges an eine sicherere Stelle versetzt;2) laut einem Inventar von 1634 hing sie zu diesem Zeitpunkt an der Wand im Ende des 17. Jahrhunderts abgebrochenen alten Schlossgebäude im Gang vor der Cantzley vor der steinern Treppen.3)

Maße: H.: 124,5 cm; B.: 99 cm; Bu.: 5,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Kapitalis-Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Lara-Sophie Räuschel) [1/3]

  1. Jn · gots · gewalt · gnad · vnd · hant · / Bin · ich · die · Erichspurg · genant ·a) / Hertzog Wylhelms Son Erich er hiess / Der · mich · von · ersten · bawen · lies ·a) / Ei(n) Furst zw Braunswig v(n)t luneburg gena(n)t / Seiner thatten · vnt · name(n)s weit beka(n)t / Bey · Kayser · Maximilianus · zeyt ·a) / zu Osterreich · Burgunt · Jn · lande(n) weit / Hat · er vil · gesehn · erfarn · vnd erlitte(n) / Der · veinde · viel · manlich · bestritten · / Lob · ehr · vnd · preyss · sey · got · daruan · / Das · ich · bin · hier · gefangen · an ·a) / zu · trost · den · landen · vnt · stammen · / Dem · Jungen · Eerich vnd · seine(n) samen / Bin ich vnt · behalt · den · namen ·a) / Nach christi geburt als ma(n) zalt M d xxxb) /

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Wappen:
Braunschweig-Lüneburg4)

Kommentar

Das u ist mit wenigen Ausnahmen (Erichspurg, das zweite u in luneburg und zu am Anfang der viertletzten Zeile) durch ein ausgeprägtes, v-förmiges diakritisches Zeichen markiert; der rechte Schaft endet abgeschrägt. Neben dem Schaft-r findet sich das Bogen-r, bestehend aus einem oben und unten gebrochenen Kurzschaft mit senkrecht darüber gesetztem Quadrangel. Die Unterlänge des aus zwei geraden Schäften bestehenden y ist zu einer kleinen Spitze verkürzt, x ist mit senkrechtem linkem Schrägschaft gestaltet, der rechte ist zum Quadrangel mit durchgehendem Zierstrich reduziert, der unten umgebogen ist. Das doppelstöckige z zeigt einen ausgeprägten Bogen, die Oberlängen von b, h, k, l sind oben gespalten. Die Versalien sind mit einer Ausnahme (J mit nach links durchgebogenem Schaft und aufgesetzter Schwellung) der Kapitalis entnommen und mit dünnerem Strich gestaltet. Mit Ausnahme des z – das sich nicht von dem in der Wortmitte bei Hertzog unterscheidet – sind alle Zeilen- bzw. Versanfänge mit Versalien versehen.

Gießer der Tafel war wohl nicht Cord Mente, wie der Vergleich mit der Grabplatte für Herzog Erich I. in Hann. Münden und anderen Werken zeigt.5) Die Verwendung der hochdeutschen Sprache entspricht einer Entwicklung, die am Hof des Herzogs in Hann. Münden bereits um 1500 einsetzt.6) Die Erichsburg wurde ab 1527 von Erich I. nach Geburt seines Sohnes, des späteren Herzogs Erich II., errichtet, nach dem sie auch ihren Namen erhielt, wie die Inschrift berichtet.7) Den „Nordbau“, das einzige heute noch stehende Gebäude, ließ Herzog Heinrich Julius von 1604 bis 1612 errichten.8)

Textkritischer Apparat

  1. Schmuckblatt als Worttrenner.
  2. Bei Letzner mehrere kleine Abweichungen; Rehtmeier und Harland folgen Letzner.

Anmerkungen

  1. Vgl. Letzner, Dasselische Chronik, 3. Buch, fol. 115v.
  2. Fahlbusch, Erichsburg (1994), S. 12, Anm. 2; das Torhaus wurde Mitte des 18. Jahrhunderts abgebrochen; ebd., S. 15.
  3. Vgl. Streich, Erichsburg, S. 41f.
  4. Wappen Braunschweig-Lüneburg (quadriert, 1. zwei Löwen [Braunschweig], 2. steigender Löwe im mit Herzen besäten Schild [Lüneburg], 3. bekrönter Löwe [Eberstein], 4. Löwe im geschachten Rahmen [Homburg]). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 1, S. 27f. u. Tafel 49. Die im Fürstentum Calenberg regierenden Herzöge führten das Wappen Braunschweig-Lüneburg.
  5. Vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 145 (Grabplatte Erich I., 1541). DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 319 (1531).
  6. Vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), S. 25.
  7. Vgl. Letzner, Dasselische Chronik, 3. Buch, fol. 114v. Wolfgang Kunze, Herzog Erich I. von Braunschweig-Lüneburg, in: Ders. (Hg.), Leben und Bauten Herzog Erichs II. von Braunschweig-Lüneburg. Katalog zur historischen Ausstellung im Schloss Landestrost, Neustadt am Rübenberge, Hannover 1993, S. 31–45.
  8. Fahlbusch, Erichsburg (1994), S. 15 (Abb.).

Nachweise

  1. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 56f.
  2. Letzner, Dasselische Chronik, 3. Buch, fol. 115v.
  3. Rehtmeier, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, Thl. I, S. 784f.
  4. Neues vaterländisches Archiv 1825, Bd. I, S. 164.
  5. Harland, Einbeck, Bd. 2, S. 86.
  6. Steinacker, Kunstgeschichtliche Zusammenfassung, S. 121 (nach Mithoff).
  7. Mirus, Chonik, S. 49.
  8. Fahlbusch, Erichsburg (1994), S. 12.
  9. Kunze (Hg.), Leben und Bauten, S. 41 (Abb. u. Text nach Steinacker).

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 109 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0010908.