Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 23 Uslar, Rathaus 4. V. 14. Jh.

Beschreibung

Glocke. Bronze. Inschrift A unterhalb der Schulter, erhaben gegossen zwischen Schnurbandstegen, die Buchstaben sind teilweise beim Guss verrutscht. Als Worttrenner dienen Quadrangel. Die nur leicht erhabene, konturierte (in den Mantel geprägte oder geritzte) und durch Abplatzungen der Oberfläche beschädigte Inschrift B auf dem oberen Rand des Schlages unter einem dreifachen Steg; davor ein leicht erhabener rechtsgeneigter Dreiecksschild, auf dem nur noch eine dreizackige Krone (Stadtkrone) in der heraldisch linken Ecke zu erkennen ist. An der Flanke unterhalb des Anfangs von (A) ein in den Mantel eingeritzter, konturierter Versal mit Binnenschraffur (C).

Maße: H.: 57 cm; Dm.: 75 cm; Bu.: 4 cm (A), 3,5 cm (B), 22,5 cm (C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A, B), Versal der gotischen Majuskel (C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg Lampe) [1/3]

  1. A

    + ave · maria · gracia · plena · dominvsa) · tecvm · benedictab)1)

  2. B

    de [. .ld.]merc) · mech · drovetd)

  3. C

    R

Übersetzung:

Sei gegrüßt Maria, voller Gnade. Der Herr ist mit dir, du bist gesegnet. (A) Der/die … betrübt mich. (B)

Wappen:
Stadt Uslar?2)

Kommentar

Die im Zweilinienschema verbleibenden Buchstaben der Inschrift A folgen den Regeln der gotischen Minuskel. Das i ist mit Punkten versehen, v weist einen längeren Linksschaft auf, der Balken des t ragt deutlich nach links über den Schaft hinaus. Die konturierten Buchstaben der Inschrift B entsprechen, soweit sie deutlich zu erkennen sind, den Formen von (A). Das Versal-R (C) besteht aus einem spindelförmig gestalteten Schaft, einem am oberen Fünftel des Schaftes angesetzten, balkenartigen und halbkreisförmig abgeschlossenen, innen schraffierten Bogen und einer sehr hoch angesetzten, nur im oberen Teil durch eine Bogenschwellung erweiterten Cauda, die in einer Spirale ausläuft.

Der Dreiecksschild mit leicht zum oberen Abschluss zurückgebogenen Seitenlinien entspricht der in der Mitte des 14. Jahrhunderts üblichen Form. Die Ausführung der gotischen Minuskel mit regelhaften Formen, aber einem für die früheren Beispiele typischen v mit einem längeren Linksschaft deutet auf eine Entstehung der Glocke im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts. Auch die Gestaltung des Versal-R mit Binnenschraffur deutet in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts.3) Die Glocke dürfte bereits für die Stadt gegossen worden sein, worauf der Rest einer bekrönten Stadtmarke auf dem Wappenschild hindeutet.

Zur Anbringung des Engelsgrußes auf Glocken vgl. den Kommentar zu Nr. 8 u. 9.

Textkritischer Apparat

  1. dominvs] Das s kleiner und eng an den rechten Schrägschaft des v herangerückt, bei dem der rechte Schrägschaft parallel zum linken liegt.
  2. benedicta] großer Abstand zwischen b und e.
  3. [. .ld.]mer] Möglich ist auch die Lesung [. .ld ·] mer.
  4. Unvollständige Abzeichnung bei König, S. 22.

Anmerkungen

  1. … tu in mulieribus. Mariengebet nach Lc. 1,28.
  2. Stadt Uslar? (abgeplatzter Schild mit Krone).
  3. Vgl. die Versalien auf einer Glocke von 1382 in Brüel bei Sternberg (Mecklenburg-Vorpommern); Schilling, Glocken, S. 148, Abb. 287.

Nachweise

  1. König, Glocke, S. 19 (A) u. 22 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 23 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0002306.