Die Inschriften des Landkreises Northeim

4. Die Inschriftenproduktion – zeitliche und räumliche Schwerpunkte

Anders als im Kanonissenstift Gandersheim, dessen Inschriftenüberlieferung bereits im 9. Jahrhundert beginnt, setzt die Inschriftenproduktion im übrigen Kreisgebiet erst im 12. Jahrhundert ein, aus dem im vorliegenden Katalog eine Glocke enthalten ist (Nr. 1); hinzu kommen je zwei Inschriften aus dem Stift St. Alexandri in Einbeck sowie aus den Dörfern Odagsen und Iber, die im Band Stadt Einbeck enthalten sind (DI 42, Nr. 14; Leernummern im Katalog Northeim). Von den insgesamt 19 bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts entstandenen Inschriften finden sich 15 auf Glocken. Unter den elf Inschriften aus dem 13. Jahrhundert sind nur vier (darunter ein Eintrag im Anhang 1) durch Jahreszahlen in der Inschrift zeitlich sicher bestimmt,90) in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts immerhin sechs von sieben. Der Rest wurde anhand der Schrift oder sonstiger stilistischer Kriterien eingeordnet.

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In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts folgen zwölf Inschriftenträger, auf denen sich nur vier datierte (und davon nur eine erhaltene) Inschriften finden. Zwei Glocken und fünf Kelche konnten wiederum nur nach den genannten Kriterien zeitlich eingeordnet werden. Dichter wird die Überlieferung im 15. Jahrhundert, aus dem 58 Inschriftenträger erhalten sind (darunter vier Einträge im Anhang 1). Von den 20 Katalogeinträgen aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts wurden fünf Kelche und ein Leuchterpaar nach der Schrift zeitlich bestimmt (hinzu kommen zwei Jahreszahlen); die 33 Nummern der zweiten Jahrhunderthälfte sind überwiegend mit Jahreszahlen versehen oder stilistisch sicher einzuordnen.

Die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts weist dieselbe Anzahl von längeren Inschriften auf (33), zu denen noch zwölf Jahreszahlen im Anhang 1 kommen. Von diesen fallen 25 in das erste Viertel bzw. insgesamt 29 in das erste Drittel des Jahrhunderts; darunter sind sieben bzw. neun nach der Schrift bestimmte Kelchinschriften. Die Unsicherheiten der Reformationszeit führten dazu, dass Bauten und Stiftungen zwischen etwa 1525/33 und 1550 ausblieben. Nur aus dem Jahr 1538 liegen im vorliegenden Bestand drei Objekte mit Inschriften vor, darunter zwei zusammengehörende Grenzsteine (Nr. 113, 114), aus dem Jahr 1540 oder 1545 noch eine kopial überlieferte Grabplatte (Nr. 116).

Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts nimmt die Inschriftenproduktion, befördert durch eine zunehmende Stabilisierung der religiösen Verhältnisse und möglicherweise auch durch einen ökonomischen Aufschwung, stetig zu mit sieben Inschriften in den 1550er Jahren, 15 im darauffolgenden Jahrzehnt, 19 in den 1570er und 25 in den 1580er Jahren; nach diesem Höhepunkt folgt im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts ein leichter Rückgang auf 21 Inschriftenträger mit längeren Inschriften. Zu den insgesamt 89 Nummern der zweiten Jahrhunderthälfte kommen 21 Jahreszahlen und Initialen (Anhang 1) hinzu. Deutlich ist der Höhepunkt, der ab der Mitte der 1570er Jahre erreicht wird. Die Verteilung auf einzelne Jahre ist dabei eher zufällig, so steht fünf bis sieben Inschriftenträgern in den Jahren 1581, 1582 und 1586 das Jahr 1587 gegenüber, aus dem lediglich eine Jahreszahl (Anhang 1) überliefert ist.

Ähnlich produktiv wie das letzte Viertel des 16. Jahrhunderts (58 Katalognummern, 15 Einträge im Anhang 1) ist das erste Viertel des 17. Jahrhunderts mit 60 Inschriftenträgern und vier Jahreszahlen und Initialen. Auf das erste Jahrzehnt mit 21 Objekten folgt im zweiten Jahrzehnt mit 27 Inschriftenträgern ein zweiter Höhepunkt; mit jeweils fünf oder sechs Einträgen warten dabei die Jahre 1603, 1611 und 1612 auf. Der Abfall auf 18 Katalognummern in den 1620er Jahren ist vor allem den Kriegswirren ab 1623/25 geschuldet; aus den Jahren 1624, 1628 und 1630/31 liegen keine Inschriften vor. Die die Wirtschaft hemmende Inflation („Kipper- und Wipperzeit“) der Jahre 1613 bis 1622 scheint dagegen weniger Auswirkungen gehabt zu haben. Die 1630er und 1640er Jahre belegen ab 1633/35 eine Zunahme der Renovierungen von Kirchen, der Ersetzung verlorener Kirchenausstattungen und der Schaffung von Denkmälern des Totengedächtnisses, die die 1640er Jahre mit 29 Objekten (nach 20 in den 1630er Jahren) auch im Vergleich zu anderen Regionen zu einem außerordentlich produktiven Jahrzehnt machen. Mit 123 Katalognummern (von denen vier oder fünf auch noch dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts entstammen könnten) sowie zehn Jahreszahlen und Initialen ist die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts sogar inschriftenreicher als die vorhergehende Jahrhunderthälfte. Drei Nummern lassen sich nur allgemein dem 17. Jahrhundert zuordnen.

Räumlich liegt der Schwerpunkt der Inschriftenproduktion in der Stadt Northeim mit insgesamt 70 Inschriftenträgern, davon allein 42, die aus der Stadtkirche St. Sixti stammen (zehn von diesen befinden sich heute im Museum); das ehemals bedeutende St. Blasius-Kloster, der Kern der Stadtgründung, dessen Kirche im 17./18. Jahrhundert langsam verfiel (vgl. Kap. 2.2.), hat demgegenüber nur fünf inschriftliche Spuren hinterlassen. Northeim steht damit allerdings noch weit hinter Einbeck zurück, wo allein aus der Kernstadt 151 längere Inschriften sowie 47 Jahreszahlen und Initialen überliefert sind.91)

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Hinter Northeim folgen mit jeweils 26 längeren und kürzeren Inschriften die Stadt Gandersheim mit der Kirche St. Georg, dem Rathaus und bürgerlichen Häusern sowie Moringen mit der früheren Kirche St. Martin und der städtischen Liebfrauenkirche. 25 Inschriftenträger sind in Hardegsen zu verzeichnen, von denen einer (ein Kelch) sich heute im Landesmuseum in Hannover befindet. Hier ist neben der Burg mit dem Muthaus vor allem die zeitweilige Residenz der Herzöge von Braunschweig-Göttingen ab etwa 1380 ein wichtiger Faktor, der sich im Bau und in der Ausstattung der Stadtkirche St. Mauritius und in einem Burgmannshof zeigt. Auch in Uslar hat die Residenzfunktion ab den 1420er Jahren Spuren in der Stadtkirche St. Johannis hinterlassen. Der groß angelegte Bau des Schlosses Freudenthal ab der Mitte des 16. Jahrhunderts, das bereits nach einem halben Jahrhundert zur Ruine wurde, ist dagegen inschriftlich nur wenig präsent (Nr. 123). Häuser tragen auch in Uslar zu den insgesamt 18 Inschriftenträgern bei. Aus dem bereits 1582 durch einen Brand weitgehend zerstörten Hauskloster der Edelherrn von Plesse in Höckelheim sind 15 Katalogeinträge und Jahreszahlen zu verzeichnen, von denen allerdings nur drei erhalten sind. Diese Diskrepanz ist durch einen Glücksfall der kopialen Überlieferung zu erklären (siehe dazu unten Kapitel 5).

Aus dem Amtssitz Greene stammen zwölf Objekte, von denen sich zwei im Landesmuseum in Braunschweig befinden bzw. befanden. Auch in Dassel steht die Stadtkirche St. Laurentius im Vordergrund der Überlieferung von elf Inschriftenträgern. In Hevensen verdoppelt eine kopiale Überlieferung von Epitaphien den in der Kirche St. Lambertus vorhandenen Bestand an Objekten auf insgesamt acht. In Katlenburg mit der Kirche St. Johannes, in Nörten-Hardenberg und aus dem Kloster Fredelsloh sind jeweils sieben Inschriftenträger zu verzeichnen, wobei die Burgruine Hardenberg nur für zwei Einträge steht. Keine der Inschriften aus dem Kloster Fredelsloh ist erhalten. Mit jeweils sechs Objekten folgen der Flecken Markoldendorf (vor allem wegen der Glocken in der Kirche St. Martin) und das Dorf Schönhagen am Solling knapp dahinter; im letzteren Fall ist es vor allem die späte Wiederbesiedlung in der Mitte des 16. Jahrhunderts, die Anlass zur Stiftung von Objekten bzw. Anbringung von Inschriften bot.

Über die zahlreichen Dörfer mit zumeist ein bis drei Inschriftenträgern hinaus seien nur Düderode mit fünf Objekten, darunter drei Grabdenkmäler der Familie von Oldershausen, genannt, sowie Opperhausen und Wahmbeck mit jeweils vier. Ebenso viele Einträge finden sich aus der Erichsburg, in der nicht der ursprüngliche Bau von 1530, sondern nur ein späterer Wohnbau von 1612 erhalten ist. Ebenfalls vier Inschriftenträger lassen sich Iber und Volksen zuordnen, von denen jeweils drei allerdings bereits im Band Stadt Einbeck (DI 42) veröffentlicht wurden. Im Flecken Salzderhelden sind den beiden Inschriftenträgern im vorliegenden Band drei bereits in DI 42 aufgenommene hinzuzuzählen.92)

Insgesamt liegen aus 87 Städten und Ortschaften des Landkreises Northeim Inschriften und Jahreszahlen im Katalog bzw. im Anhang 1 vor. Hinzu kommen fünf Dörfer, aus denen sich Inschriften nur im Band Stadt Einbeck (DI 42) finden.

Fast genau drei Viertel aller Inschriftenträger wurden in und an Kirchen, Kapellen und Klöstern angebracht, in ihnen aufgestellt oder als Ausstattung für geistliche Institutionen geschaffen. Diese sind, mit Ausnahme der verlorenen oder zerstörten Objekte sowie derjenigen, die sich heute in Museen (in Northeim, Gandersheim, Braunschweig und Hannover) befinden, in der Regel noch am Ort zu finden. Der Rest verteilt sich auf Hausinschriften sowie Bauinschriften an Stadttoren, Rathäusern und anderen Gebäuden sowie auf Einzelobjekte (Kap. 6). Die Burgen und Schlösser von Hardegsen, Salzderhelden, Katlenburg und Uslar, die zeitweilig als herzogliche Residenzen gedient haben, spielen selbst, mit Ausnahme der Erichsburg (Nr. 109), als Inschriftenstandorte keine herausragende Rolle.

Zitationshinweis:

DI 96, Northeim, Einleitung, 4. Die Inschriftenproduktion – zeitliche und räumliche Schwerpunkte (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017e004.

  1. Hinzu kommt eine Stifterinschrift aus dem Jahr 1288 am Chorgestühl von St. Alexandri in Einbeck; DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 6»
  2. Vgl. DI 42 (Stadt Einbeck). »
  3. Vgl. die entsprechenden Leernummern im Katalog Northeim bzw. das Standortregister. »