Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 59 Bönnigheim, ev. Stadtkirche St. Cyriakus nach 1434

Beschreibung

Inschrift an der Figur des hl. Johannes d. T. am Lettner. Die unterlebensgroße Figur aus hellgrauem Sandstein hält in der Linken das Attribut des Heiligen, eine tellerartige Rundscheibe mit dem Relief des Gotteslammes mit Kreuzfahne; auf dem Rand Umschrift, links in der Mitte beginnend. Reste farbiger Fassung.

Maße: Dm. (Rundscheibe) ca. 30, Bu. ca. 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. ecce agnu/s / · / dei · /qvi · tola)

Übersetzung:

Das ist Gottes Lamm, welches [der Welt Sünde] trägt.

Kommentar

Das Figurenprogramm des Lettners umfaßt fünf Figuren an der Frontseite, welche jedoch ursprünglich anders angeordnet waren. Johannes d. T. ist heute links vom Mitteljoch der dreijochigen Lettneranlage aufgestellt; rechts vom Mitteljoch steht jetzt Maria, jedoch nicht – wie behauptet1 – als „Mater Dolorosa“, sondern als die jungfräuliche Maria einer Verkündigungsgruppe (beide Figuren unter Baldachinen auf Engel-Konsolen mit jeweils zwei Wappenschilden). Auf den Baldachinen – nicht in einen spätgotischen Tabernakel-Zusammenhang eingeordnet – stehen heute die Figuren des Verkündigungsengels und des hl. Johannes Ev. – eine Art der Aufstellung, die in spätgotischer Zeit nicht denkbar ist. In der Mitte der Lettnerbrüstung ist eine – im Maßstab kleinere – Figur des auferstandenen Christus mit Lendentuch und Mantel angebracht, die typische Züge der Renaissancezeit (Kontrapost!) hat und nicht zugehörig sein kann. Das ursprüngliche Lettnerprogramm wird also ehemals die beiden Johannes auf der einen Schauseite (wohl dem Schiff zugewandt) und die Verkündigungsgruppe auf der Chorseite gezeigt haben.

Über die zeitliche Ansetzung können die Wappen an den Figuren-Konsolen Aufschluß geben: sie beziehen sich auf das seit dem 14. Jahrhundert bestehende Ganerbiat der Neipperg und Gemmingen (links) sowie der Sachsenheim (rechts), ferner auf den Erzbischof von Mainz als Landesherrn und auf die kirchliche Zugehörigkeit zum Bistum Speyer.2 Das Wappen (heraldisch rechts unter Maria) ist dreigeteilt: vorn Mainzer Rad, darunter Erbach, hinten das Speyerer Kreuz. Der Mainzer Erzbischof Dieter I. Schenk von Erbach (1434–1459) ist als Landesherr angesprochen. Daraus ergibt sich eine Ansetzung frühestens 1434, was mit dem noch deutlich dem „Weichen Stil“ um 1400 verpflichteten Stil der Zierarchtiktur und der Figuren übereinstimmt.3

Die Zuschreibung des Lettners an Matthias Ensinger (1427 am Ulmer Münster tätig, 1438 als Parlier zu Esslingen verstorben) ist abwegig4, denn sie geht einzig von einem Steinmetzzeichen aus, das mit den Zeichen der Ensinger nichts zu tun hat.

Textkritischer Apparat

  1. John 1, 29; zu ergänzen: qvi tol[lis peccata mundi].

Anmerkungen

  1. So bei Zipperlen, Die Cyriakus-Kirche in Bönnigheim, in: LudwigsburgerGbll 15 (1963) 146.
  2. Zu den komplizierten Besitzverhältnissen vgl. OABBesigheim 1853, 151ff.; zusammenfassend AmtlKreisbeschr. III 397f. – Zur Baugeschichte der Stadtkirche vgl. oben Einleitung S. XXXIII.
  3. Am Gewölbe des Lettners weitere Wappenschilde, die jedoch frühestens im 16. Jahrhundert angebracht worden sein können, so z. B. das Wappen der Janowitz.
  4. Diese Zuschreibung bei E. Zipperlen (wie Anm. 1), S. 147; dies., in: ZeitschZabergäuverein 1966, 62–63. Bei Adelmann (in: Kreis Ludwigsburg 1977, 152) wird daraus „Matthäus“ Ensinger. – Das am Lettner festgestellte Steinmetzzeichen bei Klemm, Württ Baumeister 87, nr. 99. Zu den Zeichen der Ensinger ebd. 55ff., nr. 31; 61ff., nr. 34; 86f, nr. 98 (Text überholt); neuerdings grundlegend L. Mojon, Der Münsterbaumeister Matthäus Ensinger. Bern 1967, dort bes. 22f.

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 59 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0005900.