Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 357† Ludwigsburg, Park des Schlosses Monrepos 1575

Beschreibung

Herzgrab-Gedenktafel des Wilhelm Werner Graf von Zimmern. Noch 1916 in der sog. Felsenhalle, einer künstlichen Höhle, auf der Kapellen-Insel; verschollen. Hochrechteckige Tafel, aus Bronze gegossen; im Feld Inschrift, vier Ahnenwappen in den Ecken.

Maße: H. 75, B. 60 cm.

Schriftart(en): „Gotische Schriftformen des 16. Jahrhunderts“ (= Fraktur).

  1. Generosissimi ac nobilissimi domini domini Guilhelmi Wernheri comitis et dominia) in Cimbern caenotaphium ·Hospes quisquis ades, taedet nisi, comprime gressum:Ad nova nec pigeat sitere busta pedem.Hanc magnis renovat Guilhelmus sumptibus arcem,Cimbria cui nomen stirps generosa dedit.Vir pius et prudens atque integritatis amatorSollicitaeque fugax ambitionis homo,Qui tribuit ius cuique suum libramine recto,Dum tenet augusti regia sceptra fori.Ast aetate gravis, proavita in castra reversus,Perfruitur vita commodiore diu.Tandem, ubi ei digitis filum perscindet acutisClotho, sancte obiens caelica regna petit;Namque quis hunc dubitet foelici sede receptum,Orbe manent alio praemia si qua pios?Meskirchi post fata iubet sepelirier ossa,Cimbriae ubi comitum membra sepulta iacent.Sed quoniam summo affectu dilexerat arcemCimbriae, in hac voluit cor recubare suum ·Qua ratione piae mentis sanctissimus herosEdidit in patrios symbola grata lares.

Übersetzung:

Fremdling, wer du auch seist, der hiehertritt, hemme deinen Schritt, wenn es dir nicht zuwider ist, und laß dichs nicht verdrießen, vor dieses neue Grabmal zu treten. Diese Burg erneuert mit großen Kosten Wilhelm, dem der edle Stamm von Zimmern den Namen gab, ein frommer, kluger, rechtschaffener und von ehrgeizigem Streben freier Mann, der mit gerechter Waage jedem sein Recht zumaß, solange er das kaiserliche Amt beim erhabenen Reichskammergericht bekleidete. Aber nachdem er, vom Alter beschwert, in die Burg seiner Ahnen zurückgekehrt war, erfreute er sich noch lange eines gemächlicheren Lebens und entschlief endlich selig, als ihm mit scharfem Finger Klotho den Lebensfaden abschnitt, und ging zum Himmelreich ein. Denn wer wollte bezweifeln, daß dieser Mann in die Glückseligkeit aufgenommen sei, wenn in einer anderen Welt ein Lohn die Frommen erwartet? Zu Meßkirch, verordnet er, sollen nach seinem Tod seine Gebeine bestattet werden, wo der Grafen von Zimmern Gebeine im Grabe ruhen. Aber weil er mit größter Liebe an der Burg Zimmern hing, wünschte er, daß in dieser sein Herz ruhen sollte. Und auf diese Art hat der verewigte Held ein liebevolles Zeichen seiner frommen Gesinnung gegen die heimischen Laren gegeben. (Nach Weizsäcker)

Wappen:
Zimmern (geviert)Oettingen
Kirchbergdella Scala

Kommentar

Die bereits um 1760/1765 von Philippe de La Guêpière entworfenen Parkanlagen um Schloß Monrepos (das ehemalige „Seehaus“) erfuhren 1801–1804 eine Umgestaltung im Sinne des romantischen Klassizismus.1 Eine typische Schöpfung dieser Zeit ist die Kapelleninsel von Nikolaus Friedrich v. Thouret: eine neugotische Kapelle aus dem Hohenheimer Schloßpark wurde hierher versetzt und erhielt einen grottenartigen, begehbaren Unterbau, die sog. „Felsenhalle“.2 Wie andernorts auch wurde diese künstliche Ruine mit „echten“ historischen Denkmälern ausgestattet.3 Das vorliegende Denkmal – wohl um 1803 in den Besitz des Herzogs Friedrich II. von Württemberg gelangt – diente der Felsenhalle als Dekoration. Dort hat P. Weizsäcker 1916 die Tafel in ihrer Bedeutung erkannt und beschrieben; seitdem ist sie verschollen.4

Weizsäcker wies nach, daß die Tafel ehemals in die Burgkapelle Herrenzimmern (Gem. Bösingen Lkr. Rottweil) gestiftet worden ist als Kenotaph – so Zitat der Inschrift – ihres Auftraggebers Wilhelm Werner Graf von Zimmern, zugleich auch als zu dessen Herzgrab gehörige Inschrifttafel, die über seinen letzten Willen hinsichtlich seiner Bestattung Auskunft gibt. Danach wurde er in der Familiengrablege zu Meßkirch beigesetzt, sein Herz aber in einer Bleikapsel in die Stufe vor dem Altar in Herrenzimmern eingelassen. Als die Burgkapelle im Gefolge des Dreißigjährigen Krieges in Verfall geriet, wurde die Kaplanei 1645 nach Epfendorf (Lkr. Rottweil) verlegt, das Herz aber in das Kapuzinerkloster in Rottweil übertragen. Nach Aufhebung dieses Klosters kam die Kapsel in die Fürstenbergischen Sammmlungen zu Donaueschingen. Die Inschrifttafel aber ist vermutlich in herzoglichen Besitz gelangt, als Rottweil (und damit auch Herrenzimmern) 1803 an Württemberg fiel. Sie entging zwar damals der Zerstörung – die Burgruine wurde nach 1810 als Steinbruch benutzt –, nicht aber der Verschleppung als Dekorationsstück in profane Umgebung. – Der Auftraggeber war ein prominenter Vertreter des Zimmernschen Hauses, über dessen Leben wir gut unterrichtet sind, nicht zuletzt durch die Zimmerische Chronik, zu der er Beiträge beigesteuert hat. Dort sind nicht nur seine Lebensumstände, sondern auch die Verfügungen hinsichtlich der Errichtung des Herzgrabes sowie der Wortlaut der Inschrift wiedergegeben.5 Danach hat Joachim Münsinger von Frundeck (gest. 1588), Professor römischen Rechts in Freiburg, Beisitzer des Reichskammergerichts und braunschweigischer Kanzler, den Text verfaßt.6 Die Namen des entwerfenden Künstlers und des Gießers sind nicht überliefert.7

Wilhelm Werner Graf von Zimmern8, geb. 1485 als Sohn des Johann Werner und der Margaretha, Tochter des Wilhelm Grafen von Oettingen und der Beatrice della Scala, starb 1575 Jan. 7. Nach Studien in Tübingen und Freiburg, die zunächst auf eine geistliche Laufbahn zielten, wurde er Hofrichter zu Rottweil, dann Beisitzer des Reichskammergerichts in Speyer, schließlich 1548–1554 Vorsitzender dieses Gremiums. Er war zweimal kinderlos verheiratet mit Katharina von Lupfen (gest. 1521) und Amalia von Leuchtenberg (gest. 1538), Witwe des Grafen Leonhard vom Hag. Seine Verdienste als Jurist wurden 1538 durch die Erhebung in den Grafenstand belohnt. Im Alter zog er sich auf seinen Lieblingssitz Herrenzimmern zurück, um sich als Schriftsteller genealogisch-historischen Arbeiten zu widmen. Das inschriftliche Zeugnis für die Gattung des Herzgrabs ist bemerkenswert.9

Textkritischer Apparat

  1. BARONIS IN ZIMBERN CENOTAPHIVM; Zimmerische Chronik IV 200.

Anmerkungen

  1. P. Faerber, Nikolaus Friedrich von Thouret. Stuttgart 1949, 39, 153; E. Nau, Hohenheim – Schloß und Gärten. Sigmaringen 1978, 113.
  2. Auch „Femgericht“ genannt, weil sich hier eine Tafelrunde von zwölf „Tempelherren“ – vermutlich in Wachs bossierte Figuren – befand; OABLudwigsburg 215.
  3. Vgl. H. Biehn, Residenzen der Romantik. München 1970, insbes. 95–101. – Zur Ausstattung von Hohenheim vgl. nr. 207.
  4. (P.) Weizsäcker, Ein vergessenes Denkmal in Monrepos. In: LudwigsburgerGbll 8 (1916) 24–30. – Die Kapelleninsel wurde im letzten Weltkrieg beschädigt; laut Auskunft des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg ist der Verbleib der Tafel nicht bekannt. – Ein Parallelfall war die Verschleppung des Bronze-Denkmals für den Deutschmeister Walter von Kronberg, gefertigt für die Schloßkirche Mergentheim 1538/39, 1810 ebenfalls auf der Kapelleninsel in Monrepos aufgestellt, aber 1853 der Stadt Mergentheim zurückerstattet; vgl. Ompteda, Die von Kronberg und ihr Herrensitz. Frankfurt a. M. 1899, 413ff.
  5. Zimmerische Chronik IV (hrsg. K. A. Barack), zahlreiche Nennungen im Register; vgl. besonders 51ff., 191ff., 200ff. – Hier ist ein weiteres Epigramm zitiert (S. 200–201), das aber wohl als literarisches Denkmal zu werten ist.
  6. Zur Person vgl. Bernhardt I 516; Weizsäcker a. a. O. 28.
  7. In Anbetracht der hervorragenden Erzguß-Werke für die nächsten Verwandten Wilhelm Werners in der Zimmernschen Grablege in Meßkirch, kann auch hier an eine der führenden Gießhütten der Zeit gedacht werden; zu den Meßkircher Denkmälern vgl. KdmBaden I: Kreis Konstanz. Freiburg 1887, 397f., Taf. IV, V.
  8. Zur Person ADB 45 (1900) 302ff. (G. Tumbült); Weizsäcker a. a. O. 26ff.
  9. Vgl. hier nr. 230 (1521), ferner DI. II (Mainz) nr. 1132; DI. XVIII (Lkr. Bamberg) nr. 7 (Sepultur der Herzen der Würzburger Bischöfe in Ebrach); DI. XX (Karlsruhe) nr. 167; DI. XXIII (Oppenheim) nr. 285. – Vergleichbar ist ferner das Herzgrab Graf Eitel Friedrichs IV. von Hohenzollern (gest. 1605) in der Klosterkirche St. Luzen in Hechingen (Zollernalbkreis); vgl. W. Noeske, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 5 (1976) Abb. 8.

Nachweise

  1. H. Ruckgaber, Geschichte der Grafen von Zimmern. Rottweil 1840, 225f.
  2. Zimmerische Chronik (wie Anm. 5) IV 200.
  3. P. Weizsäcker (wie Anm. 4) 25.

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 357† (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0035700.