Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 305 Großbottwar, Rathaus bzw. Schloß Altshausen 1557/58

Beschreibung

Stifterscheiben im Bürgersaal (Gerichtsstube). Der Zyklus dieser Wappenscheiben nach Schweizer Vorbild bestand ursprünglich aus wohl maximal 17 Stifterscheiben mit den Wappen adliger Herren aus der Umgebung von Großbottwar und einer (noch im Rathaus erhaltenen) Stadtwappenscheibe.1 Die Scheiben waren in die Oberfenster (Oberlichter) eingelassen, je zwei Scheiben in einem doppelflügligen Fenster. Die Stifterscheiben mit Adelswappen wurden 1781/82 in die herzogliche Sammlung des Hauses Württemberg verbracht.2 Nach vorübergehenden Standorten in Hohenheim und in der Inselkapelle von Schloß Monrepos und Schloß Friedrichshafen sind die Scheiben heute magiziniert3; von den (maximal nach Zahl der Fenster möglichen) 17 Scheiben sind 6 nicht mehr auffindbar. Die Beschreibung der Stadtwappenscheibe erfolgt nach Autopsie, die Beschreibung der anderen Scheiben nach Otto, Scheibenstiftungen, da eine erneute Autopsie der empfindlichen Inschriftträger nicht möglich war. Die Maße der Scheiben dürften sich ursprünglich nahezu entsprochen haben; die Altshausener Scheiben sind heute beschnitten, Wappen und Schriften jedoch erhalten.

Maße: H. 31, B. 27, Bu. 1 (A), 2 (B) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Markus Otto [1/1]

I. Stadtwappenscheibe. Ostfenster des Bürgersaales. In Renaissancerahmung (Pfeiler, Säulen und Bogen in blauviolett) zwei Schildträger mit dem Stadtwappen. Darüber Tafel mit Inschrift in 6 Zeilen (A). Unter dem Wappen kleinere Tafel mit Inschrift und Jahreszahl (B).

  1. A

    RICHTER · STAND · DEM · RECHT · BY / ALS OB HEYT DER IENGST THAG SEY / HAST DV GEWALT RICHT RECHT / DEN GOT HER VND DV CNECHT / VRTEL NITa) VF AINS CLAG / HER VOR AVCH DES ANDERN SAG /

  2. B

    DYE STAT BOTWAR / ANNO · 1 · 5 · 5 · 7

Die Inschrift vertritt nachdrücklich den Grundsatz des ‚audiatur et altera pars’; vergleichbare Ermahnungen waren in fast allen mittelalterlichen Rathäusern angebracht.4

II. Wappenscheibe der Anna Maria, Herzogin von Württemberg. Unter dem Architekturrahmen in dunkelviolett Wappen der Herzogin zu 10 Feldern mit Herzschild (Fürstentum Anhalt): Helmzieren: Burggrafschaft Nürnberg, Brandenburg, Pommern. Wappenunterschrift in 3 Zeilen auf illusionistischem Schriftblatt.

  1. ANNE · MAR(IA) · VON · GOTES · GE · NAD / HERZOGIN · ZV · WIRTEN · BERG / GEBORENE [VON] BRANDENBVRG

 
Wappen:
Wappenfelder oben: Brandenburg (Burggrafschaft Nürnberg, Markgrafschaft Brandenburg, Stettin); zweite Reihe: Anhalt (Bäringen, Ballenstedt, Askanien); dritte Reihe: Anhalt (Waldersee, Warmsdorf); vierte Reihe: Anhalt (Mühlingen, Bernburg). – Anna Maria von Brandenburg war seit 1544 mit Herzog Christoph von Württemberg verheiratet.5

III. Wappenscheibe des Philipp von Liebenstein. Wappen auf rotem Damastgrund in grünem und blauem Ädikularahmen. Beischrift in 3 Zeilen auf weißem Band.

  1. PHILIPVS · VON · LYEBEN / STAIN · ANNO · / DOMINI · 1 · 5 · 5 · 7 ·

Philipp von Liebenstein (Stammburg bei Neckarwestheim, Lkr. Heilbronn) war ein Sohn des Raban von Liebenstein und der Brigitta Willich von Alzey; er hatte Anteil an der Herrschaft Ottmarsheim (Lkr. Ludwigsburg) und starb 1588.6

IV. Wappenscheibe Bernhards d. Ä. von Liebenstein. Ädikularahmung in schwarz und gelb, Wappen der Liebenstein auf schwarzgelbem Rankendamast. Die Beischrift in der Sockelzone ist heute vertauscht und befindet sich unter V (Wappenscheibe Sebastian von Lierheim). Dreizeilig auf weißem Band.

  1. BERNHATb) · DER · ALT · VOTb) · / LIEBEN · SAINN · / ANNO · DOMINI · 1 · 5 · 5 · 7 ·

Bernhard d. Ä. aus der Ottmarsheimer Linie der Liebensteiner besaß seit 1532 halb Ottmarsheim als freies Eigentum (gest. 1582).7

V. Wappenscheibe des Sebastian von Lierheim. Ädikularahmung in violett, das Wappen Lierheim auf schwarz-weißem Rankendamast. Die Beischrift der Sockelzone ist mit der des Bernhard von Liebenstein (IV) vertauscht; sie ist zweizeilig zwischen Linien aus Schwarzlotgrund ausgekratzt.

  1. BASTION · VON · / LIER · ANNO · 1 · 5 · 5 · 7 ·

Sebastian von Lierheim starb 1568 und wurde in Bönnigheim beigesetzt.8

VI. Wappenscheibe des Pankraz von Urbach. Von der Scheibe ist nur das Wappen Urbach auf blauem Rankendamast erhalten, die Rahmung beschnitten. Beischrift in der Sockelzone in Schwarzlot auf gelbem Schriftband.

  1. PONGRACZI / VON · VRBACH · 1 · 5 · 5 · 7 ·

Pankraz von Urbach war Schwiegersohn des Sebastian von Lierheim; er starb 1569 in Kirchheim am Neckar.9

VII. Wappenscheibe für Hans Jakob von Degernau (Tegernau) gen. König. Die Ädikularahmung in blau links beschnitten, Wappen Tegernau auf gelbem Damastgrund. In der Sockelzone vierzeilige Beischrift auf einem illusionistischen Schriftband.

  1. HANS · JACOB · VON · / DEGERNAW · GENANT · CINIC / FORSTMAISTER · ZV · REYCHEN/BERG · ANNO · DOMINI · 1 · 5 · 5 · 7 ·

Der Scheibenstifter war von 1555–71 Nachfolger des Pankraz von Urbach als Forstmeister zu Reichenberg; die Familie stammte aus dem Lkr. Lörrach.10 Hans Jakob starb 1596 in Unterlimburg (Lkr. Schwäbisch-Hall).11

VIII. Wappenscheibe des Wolf Rau von Winnenden. Ädikularahmung in gelb und weiß, das Wappen Rau von Winnenden auf gelbem Damastgrund. Die Beischrift in der Sockelzone dreizeilig auf illusionistischem Schriftband.

  1. WOLF · RAW · VONN · / WINNETHA · ANNO · DOMIINI 1 · 5 · 5 · 7 ·

Wolf Rau von Winnenden war 1549 Ganerbe von Bönnigheim; 1550 verkaufte er Schloß Hohenstein bei Bönnigheim an Pankraz von Urbach. Seine Ehefrau Anna von Wittstatt gen. Hagenbach war eine Verwandte des Mitstifters Conrad von Wittstatt.12

IX. Wappenscheibe des Conrad von Wittstatt gen. Hagenbach. Ädikularahmen in rot (beschnitten), im Feld Wappen Wittstatt auf blauem Rautendamast. Beischrift in der Sockelzone auf weißem Band.

  1. CONRAT · VON WICZSTAT / GE·NANT HAGENBACH / ANNO · Mc) · 1 · 5 · 5 · 7 ·

Conrad von Wittstatt hatte Besitz in Helfenberg (Gem. Ilsfeld Lkr. Heilbronn) und in Mundelsheim, wo er im Jahre 1573 begraben wurde.13

X. Wappenscheibe des Eitelhans von Plieningen. Braungelber Ädikularahmen, Wappen Plieningen auf blauem Damastgrund. Die dreizeilige Beischrift in Schwarzlot auf weißem Band. Links beschnitten.

  1. HANS EYTEL · VON / BLIENING·EN · ZV · / · SCHAVBECK · 1 · 5 · 5 · 8 ·

Die Herren von Plieningen besaßen Burg Schaubeck bei Kleinbottwar als württembergisches Lehen.14

Kommentar

Von den in Altshausen magazinierten Scheiben tragen zwei nur noch Wappen, während die zugehörigen Beischriften verloren sind. Nach den Wappen sind sie Jörg von Lierheim und Bernhard d. J. von Liebenstein zuzuweisen.15 Eine der 6 verlorenen Scheiben läßt sich nach der schriftlichen Überlieferung noch nachweisen; sie wurde von Dietrich von Plieningen gestiftet, der 1570 in Kleinbottwar beigesetzt wurde.16 Die Stiftung von farbigen Wappenscheiben (Kabinettscheiben) in Kirchen und Rathäuser ist im 16. und 17. Jahrhundert ein häufig belegter Brauch.17 Dabei lassen sich gelegentlich Stiftergruppen (Angehörige des Rats, Mitglieder von Rittergesellschaften, später von Zünften) unterscheiden. In Großbottwar wurde Anna Maria von Württemberg wohl als Landesmutter zur Stiftung eingeladen; die Herren von Plieningen saßen auf ihrem Besitz Burg Schaubeck in nächster Nähe von Großbottwar. Alle anderen Stifter gehören in die Gruppe der Ganerben von Bönnigheim und ihrer Familien, wobei das eigentliche Motiv der Stiftung nicht ersichtlich ist.18 Eine Werkstatt für die Herstellung dieser Scheiben ist nicht zu lokalisieren; die Scheiben zeigen in der Ausführung unterschiedliche Qualität, können also nicht von einer Hand gefertigt sein.19

Textkritischer Apparat

  1. N mit retrogradem Schrägbalken.
  2. Sic.
  3. Irrtümlich als Beginn einer Jahreszahl in römischen Ziffern.

Anmerkungen

  1. M. Otto, Die Scheibenstiftungen für das Großbottwarer Rathaus, in: LudwigsburgerGbll. 35 (1983) 71ff.
  2. Bürgermeisterrechnung im Stadtarchiv Großbottwar, vgl. Otto a. a. O. Anm. 5.
  3. Ebd. 72 u. Anm. 9 und 10.
  4. K. Fröhlich, Mittelalterliche Bauwerke als Rechtsdenkmäler (= Arbeiten zur rechtl. Volkskunde 3) Tübingen 1939, 31; E. v. Künßberg, Rechtliche Volkskunde, Halle 1936, 158f.
  5. Vgl. auch Otto a. a. O. 75ff.
  6. Brigitta Wilch (Willich) von Alzey war in zweiter Ehe mit Wolfgang von Weiler verheiratet; vgl. nrr. 401, 402, 403.
  7. Otto a. a. O. 77ff.
  8. Vgl. nr. 335.
  9. Vgl. nr. 338.
  10. Vgl. nr. 447.
  11. Otto a. a. O. 82ff.
  12. Ebd. 89.
  13. Vgl. nr. 350.
  14. Vgl. nr. 239 (1525) und Stammtafel Plieningen.
  15. Otto a. a. O. 80ff.
  16. Vgl. nr. 343 und Meißner, Kleinbottwar 9.
  17. Eine der repräsentativsten Scheibenstiftungen ist die hoher württembergischer Beamter für das umgebaute Rathaus in Urach im Jahr 1562.
  18. Otto a. a. O. 91f. vermutet als Stiftungsverband eine Jagdrunde der Adligen aus der Umgebung von Großbottwar.
  19. Auch die Schriften differieren; so zeigen manche Scheiben Knoten in der Mitte der Hasten (etwa bei I), Schrägstrich oder Querbalken (N bzw. H), wie es den Bastard-Kapitalschriften eigentümlich ist, andere wiederum nicht.

Nachweise

  1. Otto (wie Anm. 1) 71–93 (mit 12 farbigen Abb.).

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 305 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0030509.