Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 242 Gemmrigheim, ev. Pfarrkirche St. Johannes d. T. 1526

Beschreibung

Wandmalereien mit Beischriften im Chor und im Langhaus. Im Zuge einer Renovierung 1963 bis 1965 wurden Wandmalereien freigelegt und konserviert, die mit einem Kirchenneubau 1513/26 in Verbindung zu bringen sind.1 Im Chor sind die Beischriften teilweise erhalten. Im Langhaus sind keine Schriftreste mehr sichtbar.

Im unteren Bereich zwischen den Fenstern hochformatige Bilder, die zu einer Folge von Passionsszenen gehören.

Maße: Bu. ca. 5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

I. Zwischen Ost- und Südostfenster Christi Gang zu Pilatus (fast völlig vom Orgelprospekt verdeckt); Beischrift nicht erkennbar. II. Zwischen Ost- und Nordostfenster unten Christus vor Pilatus (teilweise vom Orgelprospekt verdeckt). Beischrift in 3 Zeilen.

  1. ICH · WIL · VNSCHVLDIG / SEIN · AN · DEM · BLVT / DISES GERECHTEN2)

III. Zwischen Nordost- und Nordfenster Kreuztragung (schlecht erhalten). Beischrift in 3 Zeilen rechts oben.

  1. · WEINET · NIT · IBER · MICH / · SONDER · IBER · EVCH · / VND · EVWRE · KINDER3)

IV. In der Ummalung des Nordfensters (dekorativ) sind links drei und rechts zwei Felder mit Darstellungen von Heiligen ausgespart. Die Beischriften braun auf weißem Grund. Links oben die hl. Katharina mit Schwert und Rad, links in der Mitte der hl. Laurentius mit dem Rost. Im Feld links unten ist keine Darstellung erhalten. Rechts oben ist das Martyrium des hl. Sebastian dargestellt, rechts in der Mitte Samson, offenbar rittlings über dem Löwen stehend (sehr fragmentarisch).

  1. [· S(ANKT) ·] KATARINA · S(ANKT) · LOR[ENZ] · S(ANKT) · SEBASTIAN SAMSON

V. An der Westwand des Chores über dem Triumphbogen sind die Rippenansätze des verlorenen Netzgewölbes dekorativ ummalt. Dabei die aufgemalte Jahreszahl (Ziffern ca. 10 cm).

  1. 1 5 2 6

Kommentar

An der Südwand des Chores und unter dem südlichen Baldachin an der Ostwand des Langhauses sind weitere figürliche Malereien erhalten (Austreibung aus dem Tempel? Abendmahl), die keine Beischriften mehr tragen. Initiator des Kirchenneubaus im beginnenden 16. Jahrhundert war offenbar der Pfarrherr Konrad Dreer aus Ofterdingen (Lkr. Tübingen), der von 1509/31 in Gemmrigheim amtierte.4 Der Bau wird Bernhard Sporer aus Leonberg (Lkr. Böblingen) zugeschrieben.5 Eine im Scheitelstein des Triumphbogens eingemeißelte Jahreszahl 1515 bezeichnet vermutlich das Jahr der Fertigstellung des Chores, dem sich der Bau des Langhauses anschloß. Eine Kreuzigungsgruppe aus der abgebrochenen Kirche wurde in die Nordwand eingemauert.6 Der Neubau wurde gefördert durch die Familie Schweiker in Gemmrigheim und durch die Markgröninger Volland, die mit dem Pfarrherr Dreer verwandt waren.7 Die Malerei in Chor und Langhaus zeigt einheitlichen Charakter, sie dürfte also insgesamt in das Jahr 1526 gesetzt werden. Eine nahezu klassische Kapitalis zu dieser Zeit ist bemerkenswert, läßt sich aber gerade bei gemalten Schriften häufiger nachweisen.8

Anmerkungen

  1. E. Zipperlen, Die ev. Pfarrkirche in Gemmrigheim, in: LudwigsburgerGbll 19 (1967) 157.
  2. Matth. 27, 24.
  3. Lk. 23, 28.
  4. G. Bossert d. J., Die Kirche in Gemmrigheim 1526–1926, S. 2. – Dreer (Dreher) gehörte zu einer weitverzweigten Württemberger Familie vgl. zuletzt G. Wunder, Die Dreher, Bürger in Löwenberg, in: Speculum Sueviae (Festschrift H. Decker-Hauff), Stuttgart 1982, Bd. I 334ff.
  5. G. Bossert d. Ä., Die Kirche in Gemmrigheim, in: WürttJb. 1915, 238, 241f.
  6. Vgl. nr. 4. Dort auch Angaben zum älteren Kirchenbau.
  7. Bossert d. J. a. a. O. 10. – Vgl. nr. 243, ferner Wunder a. a. O.
  8. Vgl. DI. XXII (Enzkreis) nrr. 161, 164; DI. XX (Karlsruhe) nr. 157.

Nachweise

  1. Binder, Gedenket der vorigen Zeiten (1965) 22, 24 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 242 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0024207.