Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 239 Kleinbottwar (Stadt Steinheim a. d. Murr), ev. Pfarrkirche St. Georg 1525

Beschreibung

Familiengrabmal des Dietrich von Plieningen d. Ä. und seines Sohnes Eitelhans von Plieningen. Innen an der Nordwand des Chores. Das Denkmal besteht aus zwei aufeinandergesetzten querrechteckigen Sandsteinplatten gleicher Größe; auf der oberen Platte, in einer Nische, die als doppelbogige Ehrenpforte mit Rundsäulen ausgebildet ist, knien mit betend gefalteten Händen drei Männer in Harnisch ohne Helm, ein Geistlicher und fünf Frauen, alle im Hochrelief. Alle Figuren sind mit Wappenschilden zu Füßen oder zu Häupten bezeichnet. Unterhalb der Figuren auf dem Sockel eine querrechteckige Tafel mit Randleiste und fünfzeiliger, eingehauener Inschrift, die sich in einer sechsten Zeile auf der Naht zwischen oberer und unterer Platte forsetzt (aufgemalt) (A). Unter der ersten Männerfigur von links ein Wort aufgemalt (B). Auf den Säulensockeln links ein schwarz aufgemaltes Wort, rechts eine eingehauene Jahreszahl (C). Auf der unteren Platte eine nahezu identische Nische mit Inschrift, die Pfeiler mit je vier Wappen belegt. Zwischen Inschrifttafel und rechtem Säulensockel ein Helm. In der Nische knien mit betend gefalteten Händen zwei Männer im Harnisch ohne Helm und ein Knabe in weltlichem Gewand, dahinter fünf Knaben in einfachen kuttenartigen Gewändern. Links knien in gleicher Haltung eine ältere und zwei jüngere Frauen in weltlichem Gewand und eine Frau in Nonnentracht, dahinter sieben Mädchen in einfachem Kleid mit lang herabfallendem Haar. Ein achtes Mädchen in gleicher Tracht ist auf dem Nischenhintergrund aufgemalt. Die Tafel trägt eine fünfzeilige Inschrift (D). Wappen und Figuren beider Nischen tragen Reste farbiger Fassung. Ein beschädigter Kopf wurde 1975 restauriert.1

Maße: H. 233, B. 167, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel; in B, C und D einzelne Buchstaben in Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. A

    Anno · 1485 · vff d(e)n · 26 · tag febr(varii) starb der edel vnd vest dietherich von pleni(n)ge(n) · Anno · 1471a) · starb / margreth vo(n) veninge(n) sein erste havßfraw · Anno · 1483 · vff de(n) · 14 · tag octob(ris) starb angnes vo(n) nipp=/enbvrgb) sein ander hvßfrav · Anno · 1506 · vff den · 3 · tag novenb(ris) starb doctor johanns vo(n) pleni(n)ge(n) thvmhe(r) / zv wormß vn(d) probst zv moßbach Anno · 1520 · vff de(n) · 26 · tag febr(varii) starb der edel vnd streng her dietherich / vo(n) pleni(n)gen ritte(r) vn(d) doctor · Anno · 1510 · 24 · tag avgvsti starb anna vo(n) memerßwile(r) he(r) ditherichsc) erst hvsfrav / den got allen genedig vnd barmherczig wolle sei(n) amen

  2. B

    Eberhart

  3. C

    Anno 1525

  4. D

    Anno · 1530 · vff sant maria madalena tag starb die Edle vnd tugentsame frau / Eleonora von pleningen Eine von weldenburg geborn yttelhannssen von plening Eliche husfraue derer sel got genedig sey · Anno · 1534 · am obent S(ant) / Mathie Des zwelffbotten starb Der Edel vnd Ernveste Eyttelhansd) von / pleningen zv schavbeck Dem got Genedig sey AMEN

Datum: 22. Juli; 23. Februar.

Kommentar

Wappen und Personen in der oberen Nische von rechts nach links:2 1. Dietrich von Plieningen d. Ä. (Wappen auf dem rechten Säulenfuß); 2. Seine Tochter Margret, über dem Haupt ihr Wappen und die ihrer Ehemänner Rüdiger von Westernach und Lorenz (Hans) von Westerstetten; 3. Dietrichs d. Ä. erste Ehefrau Margret von Venningen mit ihrem Wappen; 4. Seine zweite Ehefrau Agnes von Nippenburg mit ihrem Wappen; 5. Dietrichs d. Ä. Söhne Dr. Johannes von Plieningen und 6. Dr. Dietrich von Plieningen d. J. mit ihren Wappen; 7. Dietrichs d. J. erste Ehefrau Anna von Memmersweiler, ihr Wappen zu Häupten; 8. Dietrichs d. Ä. jüngster Sohn Eberhart, das Wappen zu Füßen; 9. Seine Ehefrau Anna Sturmfeder mit ihrem Wappen.

Wappen der unteren Nische: Rotenstein, Staupitz, Grafeneck, Waldenburg; Gültlingen, Lomersheim, Nippenburg, Plieningen. Die Wappen bilden die Ahnenprobe des Eitelhans von Plieningen und seiner Ehefrau. Das Ehepaar ist mit sieben Söhnen und elf Töchtern in der Nische dargestellt.3

Dietrich d. Ä. von Plieningen erwarb im Jahre 1480 Burg Schaubeck mit dem halben Dorf Kleinbottwar und zugehörigen Rechten in Höpfigheim und Steinheim a. d. Murr als württembergisches Lehen.4 Vorher scheint er werdenbergischer Amtmann in Aislingen (Lkr. Dillingen a. d. Donau) gewesen zu sein.5 Seine drei Söhne aus erster Ehe, Dietrich d. J., Johannes und Eberhart, wurden am 22. Mai 1471 an der Universität Freiburg immatrikuliert.6 Eberhart tritt von 1485–88 als württembergischer Rat und Diener auf und ist wohl kurz darauf gestorben.7 Dietrich d. J. und Johannes setzten 1473 ihre Studien in Pavia und seit 1476 in Ferrara fort, wo sie den Doktorgrad erwarben.8 Johannes hielt sich anschließend längere Zeit an der römischen Kurie auf, unter anderem – wie er selbst bezeugt – als Vertrauter des Kardinals Giuliano della Rovere, des späteren Papstes Julius II. (1503–13). Als Domherr zu Worms und Propst des Julianastiftes in Mosbach wird er erstmals 1489 genannt, 1499 führt er als ‚vicarius’ die Geschäfte des Wormser Bischofs. Bleibendes Verdienst hat er sich durch die Sammlung der nachgelassenen Schriften seines Freundes Rudolf Agricola erworben.9 Zusammen mit Dietrich d. J. hat er die Georgskirche von Kleinbottwar gestiftet.10 Dietrich d. J. war von 1482–99 Rat des Kurfürsten Philipp von der Pfalz und anschließend bis zu seinem Tode Rat der Herzöge Albrecht IV. (1467–1508) und Wilhelm IV. (1508–50) von Bayern. Von 1495–99 war er einer der acht juristisch gebildeten Assessoren des Reichskammergerichts; zwischen 1485 und 1495 ist er als württembergischer Rat und Diener nachweisbar. In diesen Ämtern entfaltete er eine vielseitige politische Tätigkeit, unter anderem als Sprecher des Reichskammergerichts auf den Reichstagen zu Lindau (1496) und Worms (1497), als Führer der bayerischen Landstände auf den beiden Münchener Landtagen von 1514 und als Herausgeber der Bayerischen Freiheitsbriefe (1514). Eine noch bedeutendere Rolle spielte Dietrich als Mitglied der Heidelberger Humanistenrunde um Dalberg, Wimpfeling und Celtis, als Briefpartner Reuchlins, als Übersetzer zahlreicher lateinischer und griechischer Klassiker und als Biograph Rudolf Agricolas. Um 1508 hat ihn Kaiser Maximilian zum Ritter geschlagen.11 Seit dem Tod seines Bruders Eberhart besaß Dietrich die Herrschaft Schaubeck zusammen mit seinem Stiefbruder Eitelhans. 1497 erwarben sie die zweite Hälfte des Dorfes Kleinbottwar als reichsunmittelbaren Eigenbesitz.12 Nach Dietrichs Tod ging die ganze Herrschaft an Eitelhans über, der seit 1514 württembergischer Vogt zu Marbach war.13 Am Kirchweihtag (3. Mai) 1525 soll er durch eine unblutige List die Stadt vor den aufständischen Bauern gerettet haben.14 – Eitelhans ist der Auftraggeber des Grabmals, das als Familiendenkmal konzipiert ist, da offenbar nicht alle dargestellten Personen in der Georgskirche beigesetzt sind.15 Der Meister ist der Heilbronner Bildhauer Michael Lang, genannt Viktorin, der sein Werk an Ort und Stelle in Kleinbottwar vollendete, weil ihm der Heilbronner Rat wegen seiner Teilnahme am Bauernkrieg die Rückkehr in die Stadt verwehrte, ihm aber auf Betreiben des Eitelhans von Plieningen gestattete, die Steine aus der Stadt herauszuführen.16 Beide Teile des Denkmals sind gleichzeitig enstanden17, die Inschrift auf dem unteren Stein (D) und wohl auch die gemalten Teile der Inschriften B und C wurden jedoch erst später nachgetragen, vielleicht im Jahre 1534 nach dem Tode des Eitelhans.18

Textkritischer Apparat

  1. Nach einer Notiz im Stundenbuch ihrer Söhne starb sie am 11. März 1466: W. Irtenkauf, Das Stundenbuch der Herren von Plieningen, in: LudwigsburgerGbll. 28 (1976) 147; diese Notiz erscheint glaubwürdig, weil sie zeitgenössisch ist, während das Denkmal mehr als 50 Jahre nach ihrem Tod entstand.
  2. Verbessert aus nippanbvrg.
  3. c und s kleiner und hochgestellt.
  4. s kleiner und hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Neu angefertigt wurde der Kopf des ältesten Sohnes des Eitelhans, der zu einem unbekannten Zeitpunkt abgeschlagen und danach durch eine Kopie ersetzt worden war.
  2. Porträtähnlichkeit wurde vom Künstler kaum angestrebt, da viele der Dargestellten längst verstorben waren; vgl. dazu A. Schahl, Der Altar von Kleinbottwar in seiner Welt, in: Heimatbuch der Stadt Steinheim a. d. Murr (1980) 429.
  3. Vermutlich handelt es sich bei den fünf Knaben in einfachen Kutten um verstorbene Söhne des Eitelhans, während die beiden Figuren in Harnisch und weltlicher Tracht die überlebenden Söhne Hans Dietrich und Hans Siegmund darstellen. Ebenso wären von den Töchtern 1525 noch drei am Leben gewesen, darunter eine Nonne; die sieben Mädchen mit aufgelöstem Haar wären verstorbene Kinder; eine elfte Tochter – auf den Hintergrund gemalt – müßte nach Anfertigung des Denkmals geboren und vielleicht bald wieder verstorben sein.
  4. Stuttgart HStA, A 157 U 4444.
  5. F. Gräfin Adelmann, Dr. Dietrich von Plieningen zu Schaubeck, in: LudwigsburgerGbll. 28 (1976) 17ff.
  6. Adelmann a. a. O. 25f.
  7. Adelmann a. a. O. 21.
  8. Vgl. nr. 162.
  9. Adelmann a. a. O. 21ff.
  10. Vgl. nrr. 162, 182.
  11. Eine detaillierte Biographie Dietrichs d. J. bietet die in Anm. 5 zitierte Arbeit. – Ältere Biographien: Th. Schott, in: ADB. 26 (1888) 297f.; S. Riezler, in: ADB. 53 (1907) 79ff.; W. Wilmar, Dietrich von Plieningen. Ein Übersetzer aus dem Heidelberger Humanistenkreis, Diss. Marburg 1896. – Zum Ritterschlag vgl. nr. 182.
  12. Stuttgart HStA, A 524 U 152 und 153. – Dietrich d. J. hat daneben noch andere Güter erworben, so die bayerische Herrschaft Eisenhofen (Gem. Erdweg, Lkr. Dachau), nach der er sich mehrfach nannte; BayrHStA, Kurbayern U 20178, 1506, Mai 29.
  13. Pfeilsticker 2574.
  14. Crusius, Annales Suevici III 590.
  15. Dietrich d. Ä. wurde nachweislich in Steinheim a. d. Murr begraben (vgl. nr. 134); Margret von Venningen starb vor dem Erwerb Kleinbottwars und Eberhart von Plieningen und Agnes von Nippenburg vor der Erbauung der Kirche. Ihre Gebeine müßten also nachträglich umgebettet worden sein. Dietrichs d. Ä. Tochter Margret starb am 13. 6. 1524 und liegt in Urach begraben (Adelmann a. a. O. Anm. 95). Selbst für die Stifter der Kirche, Dietrich d. J. und seine Ehefrau Anna von Memmersweiler, ist eine Beisetzung in Kleinbottwar nicht gesichert (Adelmann a. a. O. S. 31 Anm. 154; S. 67; S. 88 Anm. 486). Die letzte Ruhestätte des Mitstifters Johannes ist unbekannt.
  16. M. Duncker, Der Meister des Grabmals der Herren von Plieningen, in: Lit. Beilage des Staatsanzeigers für Württemberg 1909, 245f.; Stuttgart HStA, H 93 Bü. 170; Adelmann a. a. O. 18f. und Anm. 77.
  17. Der Bildhauer selbst spricht im Jahre 1525 von zwei Steinen, die er nach Kleinbottwar führen wolle: Schahl a. a. O. S. 430.
  18. Diese Inschriften erscheinen gegenüber Inschrift A als weiterentwickelt; Anzeichen hierfür sind das Auftauchen von Kapitalis-Versalien und eine leichte Annäherung an den Duktus der Fraktur. Da Michael Lang 1533 noch lebte – er war damals 63 Jahre alt – wäre es durchaus möglich, daß er diese Inschriften selbst nachgetragen hat.

Nachweise

  1. Gabelkover, Miscellanea Historica III, Stuttgart WürttLB. Cod. hist. Q Nr. 16, S. 130ff.
  2. OABMarbach 1866, 228.
  3. Adelmann (wie Anm. 5) 18 (Abb.).
  4. Halbey 1954, 50–56 und Kat. nr. 18.

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 239 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0023908.