Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 189 Bönnigheim, ev. Stadtkirche St. Cyriakus nach 1501

Beschreibung

Spruchbänder mit Inschriften auf dem Hochaltar-Retabel im Chor. Triptychon mit geschnitzter Feiertagsseite; Lindenholz, farbige Fassung durch die Erneuerung 1897 verdorben.1 Schrein mit überhöhtem, zweimal abgetrepptem Mittelteil und drei Fächern; im breiten Mittelfach thronende Muttergottes mit zwei anbetenden Königen, der dritte König (Caspar) rechts außen, ihm entsprechend links der hl. Joseph. Unter der Mittelgruppe dreiteilige Schreinstaffel: Heilung der Artemia durch den Kirchenpatron Cyriakus, flankiert von zwei Propheten-Halbfiguren, die ursprünglich wohl beide Schriftbänder in Händen hielten – jetzt nur noch rechts bei Bileam erhalten (A). Die Flügel zeigen die Reliefs von Standfiguren unter Baldachinen – links die hl. Anna Selbdritt und den hl. Wolfgang, rechts Christus mit Petrus bei der Schlüsselübergabe und den hl. Michael. Unterhalb der äußeren Figuren jeweils ein quadratisches Feld mit einer knienden Stifterfigur unter einem Baldachin, umgeben von einem flatternden Schriftband (B, C). Im Auszug Schmerzensmann mit Maria und Johannes, flankiert von den hll. Katharina und Barbara; in der Predella Abendmahl. Die Werktagsseite bemalt: Verkündigung – der Engel mit Spruchband (D) – und Marientod. Schrift erneuert (Buchstaben schwarz auf hellem Grund).

Maße: H. (Schrein ohne Auszug) 356, B. (ebenso) 288, Bu. 3–4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (verderbt).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

A Halbfigur des Propheten Bileam mit Spruchband:

  1. · balaa(m) / oriet(ur) · stella / ica)2) /

Übersetzung:

Es wird ein Stern aufgehen (aus Jakob).

B Kniender Stifter, gekleidet in pelzgefütterte Schaube, flache Kappe über gedrehter Binde auf langem Lockenhaar. Spruchband:

  1. O / mar/ia i(n) a[./.] po[. .]/ ne(n)s / hic [. .] / adoran/[. . . . . . . / . . . / . . . . .] /

C Kniender Stifter, bekleidet als Geistlicher in Chormantel, Almutie und Birett; vor ihm kleiner Wappenschild und Löwe, zu ihm aufblickend. Spruchband:

  1. O mari[a]/ [. . . . / . . .]/ fac / [s]anctu(m) / [.] / [.] /[. . . . . .] / [.]h[. . . .] / vi[. . .] /

 
Wappen:
Spengler?

D Engel mit Spruchband:

  1. Aue · / gracia · / plena · /

Kommentar

Das große, am ursprünglichen Standort erhaltene Retabel ist in jüngster Zeit ausführlich vorgestellt worden, ohne daß seine Einordnung befriedigend gelöst werden konnte.3 Der heterogene Charakter des Werkes vereint altertümliche Züge der 1480er Jahre mit Anregungen, die vermutlich das Hochaltar-Retabel des Straßburger Münsters, vollendet 1501 durch Niclaus Hagnower, voraussetzen.4 Daher erscheint die zeitliche Ansetzung um 1501 gerechtfertigt.
In der Figur des weltlichen Stifters ist wohl einer der vier adligen Ganerben des Ganerbiats Bönnigheim zu sehen5, vielleicht aber auch ein Angehöriger der Familie Wöllwart, die seit 1494 das Patronatsrecht der Kirche besaßen.6 Der Geistliche kann aufgrund seines Wappens als Angehöriger der Bönnigheimer Familie Spengler hier erstmals identifiziert werden. Auf dem (1945 zerstörten) Grabstein des Geistlichen Nicolaus Spengler „de bunicken“ in der Pforzheimer Stiftskirche befand sich dasselbe Wappen, gehalten von einem Bären.7 Vermutlich ist er identisch mit „Nicolaus Spengler de Bonickem presbiter“, welcher 1477 an der Heidelberger Universität die Würde des magister artium erwarb, nachdem er schon 1462–1464 hier immatrikuliert gewesen war.8
Die Darstellung der Stifter entspricht der Form, wie sie um 1480 am Oberrhein für den Typus des Stifterbildes in der Glasmalerei geschaffen worden war.9 Der Text der Spruchbänder enthielt eine Anrufung Mariens, ohne daß sich der Wortlaut rekonstruieren ließe.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! statt ex Jacob etc.

Anmerkungen

  1. Inschrift auf der Rückseite am Sockel des Schreins. Th. Frey · Architect · RENOVIERT / 1897 E. Wörnle Maler Stuttgart · G. Schmidt · Bauf.
  2. Num. 24, 17.
  3. Vgl. I. Rauschenberger, Drei neckarschwäbische Schnitzretabel der Spätgotik: Bönnigheim, Ellhofen, Neckargartach. Heilbronn 1980, 10–18, Abb. 12–36; H. Gräf, Unterländer Altäre 1350–1540. Heilbronn 1983, 36–39 mit Abb. (Heilbronner Museumsheft Nr. 7 und Nr. 9) – hier die ältere Literatur verzeichnet.
  4. Typologische Einordnung bei W. Deutsch, in: Esslinger Studien 18 (1979) 58.
  5. Die ältere Literatur vermutet in ihm ein Glied der Familie von Liebenstein; so Koepf, in: HgW 5 (1954) 24f.; ihm folgen Rauschenberg und Gräf (wie Anm. 3).
  6. AmtlKreisbeschreibung III 398.
  7. Vgl. KdmBaden IX 6, 149 nr. 21 (keine Abb.); O. Trost, Die heimatgeschichtliche Bedeutung der Gedenksteine und Grabstätten in der Schloßkirche zu Pforzheim. Pforzheim 1962, 23. – Danach trug der Stein das Todesdatum 1410; angesichts der aber erst Ende des 15. Jahrhunderts häufig nachweisbaren Glieder der Familie Spengler ist zu fragen, ob das Datum nicht 1510 hieß.
  8. Toepke I 307 und II (Anhang) 409. – Weitere Spengler de Bönnigheim 1489–91 (Augustinus) und 1494-1496 (Wernherus); ebd. I 394, 413.
  9. Zahlreiche Beispiele bei R. Becksmann, Vitrea dedicata. Berlin 1975, besonders 65ff.

Nachweise

  1. Klunzinger, Zabergäu I (1844) 78f.
  2. OABBesigheim 1853, 139f.
  3. Hassler 1859, 32.
  4. Schuette 1907, 146.
  5. Koepf (wie Anm. 5).
  6. Deutsch (wie Anm. 4).
  7. Rauschenberger (wie Anm. 3).
  8. Gräf (wie Anm. 3).

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 189 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0018907.