Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 152 Oßweil (Stadt Ludwigsburg), ev. Pfarrkirche St. Januarius um 1491

Beschreibung

Inschrift am Treppenturm im Chor. Der Turm steht im Winkel zwischen Chornordwand und Triumphbogenwand und bildet den Zugang zum Obergeschoß des Kirchturms. Er ist oben durch eine Brüstung abgeschlossen, die mit Blendmaßwerk verziert ist. Im mittleren Brüstungsfeld ist rechts ein hochrechteckiger Wappenstein eingefügt; er trägt oben am Gesims die Beischrift A und unten unter dem Wappen B. Das Wappen ist tingiert vor weißem Grund, die Schrift schwarz gefaßt.

Maße: H. (Gesims) 9, B. 76 (A) und 46 (B), Bu. 4–4,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. A

    ios · hagen · kirch/her · zv oswil /

  2. B

    · comes · pallatin(us)

Wappen:
Hagen (?)

Kommentar

Das Patronat der Kirche war bis zur Reformationszeit im Besitz des Benediktinerklosters Murrhardt, das spätestens vor 993 einen Hof mit Kirche in Oßweil erhalten hat.1 Die heutige Kirche ist ein Neubau aus spätgotischer Zeit, wie der Meisterschild des Hans Ulmer II – Stz. nr. 6a – und die Bauzahl 1491 am Chorgewölbe ausweisen.2 Gleichzeitig mit dem Chor entstand auch der Treppenturm.

Inschrift A ist als Bau- oder Stifterinschrift für den Treppenturm zu werten. Die Bedeutung von B ist unklar, zumal die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, daß A und B ehemals nach rechts weiterliefen und jetzt verstümmelt sind. Mit Comes palatinus (= Hofpfalzgraf) wurde im Spätmittelalter ein vom Kaiser verliehenes Ehrenamt bezeichnet, das beim Träger die juristische Doktorwürde oder die Ratswürde voraussetzte.3

Anmerkungen

  1. Vgl. G. Fritz, Kloster Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter, Sigmaringen 1982, 50ff.
  2. Dieser Meister erbaute im Bearbeitungsgebiet ebenfalls die Kirche von Aldingen (1500) und den Chor von Kornwestheim (1516); vgl. nrr. 179, 223 und oben Einleitung S. XXXV. Er war – wie schon sein Vater Hans Ulmer I – in Waiblingen ansässig, wo er gemeinsam mit dem Steinmetzen Peter von Lan nachweisbar ist. Auch in Oßweil arbeiteten beide zusammen; vgl. nr. 194 (1504). Zur Baugeschichte der Oßweiler Kirche vgl. OABLudwigsburg 1859, 293; H. M. Murr, in: HgW 9 (1958) Nr. 1, S. 6–7.
  3. Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte II (1978), Sp. 212f.; Lexikon des Mittelalters III (1984) 79 (Stichwort „comitiva minor“).

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 152 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0015208.