Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 150 Markgröningen, ev. Stadtkirche St. Bartholomäus 1490?

Beschreibung

Grabdenkmal der Elisabeth Volland geborene Lyher. In der sog. Volland-Kapelle, der östlichen Seitenkapelle des südlichen Seitenschiffs, Südwand. Hochrechteckige Platte mit Umschrift; im vertieften Feld in Relief die Figur der Verstorbenen, auf einem Hund stehend, mit Haube und feingetäfeltem Mantel vor einem Vorhang; Baldachin aus zwei zum Kielbogen verschlungenen Ästen, in den Zwickeln zwei Wappenschilde. Dunkelgrauer Sandstein, Schrift schwarz nachgezogen, hellgraue Fassung, stellenweise abgeblättert; Rand unter Putz; in Schulterhöhe schräglaufender Bruch, Hände ergänzt.

Maße: H. 194, B. 94, Bu. 9 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/8]

  1. Anno D(o)M(ini) M° cccc lxxxx / ⟨ ⟩ starb Die Ersam Frow Ellisabet Lyherin / der Sel Wel Got Gnedig / sin Vnd bewarn Vor Ewigera) pin Amen /

Wappen:
LyherDagersheim?

Kommentar

Die Verstorbene war eine Tochter des Konrad Lyher zu Stuttgart, 1441 und 1448 Hofkanzleischreiber des Grafen Ulrich V. von Württemberg, 1451 bis etwa 1466 Vogt und Keller zu Markgröningen.1 Er verheiratete seine Tochter an Heinrich Volland d. J. (gest. 1482).2 Aus dieser Ehe gingen mindestens fünf Kinder hervor, darunter der bedeutende württembergische Kanzler Ambrosius Volland (1468–1551).3 Als Witwe war Elisabeth in Großsachsenheim wohnhaft, wie aus der Bestätigung einer Stiftung von 1483 Mai 19 hervorgeht, welche sie zum Gedächtnis ihres Gemahls für die Volland-Kapelle bestimmte.4 Ihr Grabmal trägt die Wappen ihrer Eltern: mit dem voranstehenden Wappen siegelte Konrad Lyher; das Mutterswappen kann als das – bisher nicht belegbare – Wappen Dagersheim5 angesprochen werden, denn Konrad Lyhers Gemahlin soll eine Antonia von Dagersheim, uneheliche Tochter des Grafen Eberhard IV. von Württemberg und einer Agnes von Dagersheim, gewesen sein.6 Auffallend ist, daß die Grabschrift die Verbindung mit der damals bereits zur Markgröninger Ehrbarkeit aufgestiegenen Familie Volland nicht erwähnt.

Das Todesdatum der Elisabeth ist nicht anderweitig bestätigt. Wenn allgemein 1490 als ihr Todesjahr angenommen wird, so ist dies vom Befund auf dem Grabmal her keineswegs eindeutig. Denn die gut erhaltene Beschriftung läßt oben rechts zwischen der römisch geschriebenen Jahreszahl „M cccc lxxxx“ und dem Wort „starb“ eine Lücke frei, die erst in neuerer Zeit durch eine gemalte Ranke ausgefüllt worden ist. Ohne Zweifel ist das Denkmal zu Lebzeiten – und vielleicht nach dem Wunsche der Verstorbenen – als bemerkenswert frühes Figurendenkmal einer Bürgerlichen 1490 gefertigt worden; das genaue Todesdatum wurde nicht nachgetragen. Im Entwurf entspricht das Denkmal den gleichzeitig entstandenen Grabmälern adeliger Damen.7 Das Vorhangmotiv – beliebt auf Retabeln der Zeit – und das Formular mit dem dreifachen Reim auf „Lyherin – sin – pin“ sind ungewöhnlich.

Ungewöhnlich groß und sorgfältig gestaltet ist auch die Schrift. Die Anordnung ohne Interpunktion, aber mit weiten Zwischenräumen zwischen den Worten verleiht dem Schriftbild einen stockenden Rhythmus. Dazu tragen auch die fast bei jedem Wort verwendeten Versalien bei, die unterschiedlichen Quellen entnommen sind: das D entspricht annähernd dem einer Renaissance-Kapitalis, dagegen entstammen das zweibauchige E und das G den Bastardschriften; für E begegnet auch die geschlossene, unziale Form der gotischen Majuskel, an die auch das A am Inschriftanfang anklingt. Diese Züge sind auf dem Grabmal eines Mädchens aus der Familie von Reischach ebenfalls festzustellen8, so daß an dieselbe Werkstatt gedacht werden kann.

Textkritischer Apparat

  1. Das i in der Wortmitte ist deutlich erkennbar, wurde aber nicht farbig gefaßt.

Anmerkungen

  1. Pfeilsticker 1776, 2593.
  2. Vgl. nr. 123.
  3. Zu diesem vgl. F. Heyd, Der wirtembergische Canzler Ambrosius Volland, Stuttgart 1828; Roemer, Markgröningen I 250ff.; E. v. Waechter, in: WürttVjH. NF. 42 (1936) 93ff.; Bernharddt II 699f. – Ferner vgl. nrr. 129, 196.
  4. WürttReg. nrr. 8862, 8866; Pfeilsticker 2599; vgl. auch bei nr. 123.
  5. Nach Dagersheim (heute Stadt Böblingen) nannte sich eine im 14./15. Jahrhundert mehrfach erwähnte Familie, bei der es wohl nicht um Ortsadel, sondern um ein Geschlecht der württembergischen Ehrbarkeit handelt. Ein Wilhelm von Dagersheim war 1465 Bürgermeister zu Stuttgart; vgl. Decker-Hauff, Stuttgart 1966, 259.
  6. So Decker-Hauff, ebd. und zuletzt in: Fünfhundert Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen Bd. 1, 24 (Stammtafel). – Konrad Lyher war offenbar in zweiter Ehe mit Margarethe Tegen verheiratet – genannt 1466 Feb. 5; Pfeilsticker 1776, 2593. Das Wappen der Tegen von Esslingen ist bekannt; es ist dem Wappen Lyher eng verwandt – Pflugschar, durchbohrt von einem diagonal geführten Messer – und wird daher gelegentlich in der Literatur mit diesem verwechselt, so bei Halbey 1954, Textbd. 172.
  7. Im Bearbeitungsgebiet vgl. nr. 209.
  8. Vgl. nr. 151.

Nachweise

  1. OABLudwigsburg 1859, 251.
  2. Roemer, Markgröningen I 130.
  3. Halbey 1954, 172 und Kat. 78.
  4. Schahl, Neckarschwaben 237.
  5. W. Marchart, in: HgW 19 (1968) 16.

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 150 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0015002.