Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 122 Marbach am Neckar, ev. Pfarrkirche St. Alexander nach 1481?

Beschreibung

Bauskulpturen mit Beischriften im Langhaus der Kirche.

I. Die Gewölberippen der sechs Joche der fünfschiffigen Staffelhalle ruhen auf farbig gefaßten Halbfiguren Jesu und der Apostel, von Propheten, Evangelisten und Engeln. Siebzehn dieser Figuren tragen Schriftbänder, denen ursprünglich Inschriften aufgemalt waren. Bei der Renovierung der Kirche in den Jahren 1926/28 wurden viele der Schriftbänder übermalt, einige auch in fragmentarischem Zustand belassen oder restauriert, wobei offensichtlich Fehler unterlaufen sind.

I 1. Mittelschiff, Ostwand. Südlich vom Chorbogen Salomo als bärtiger Mann mit Krone. In den Händen ein weiß gefaßtes Band mit schwarz aufgemalter Schrift.

Maße: H. ca. 50, B. ca. 50, Bu. ca. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. salomana)

I 2. Nördliches Seitenschiff, Südseite. Vier Erzengel mit Schriftbändern. Lesbare Beischriften bei Gabriel am dritten Pfeiler (A) und bei Uriel am vierten Pfeiler (B) von Osten. Die Gabriel-Inschrift falsch restauriert. Bei Michael und Raphael (erster und zweiter Pfeiler von Osten) nur unlesbare Schriftreste.

Maße: H. ca. 50, B. ca. 50, Bu. ca. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. A

    gal melb)

  2. B

    · uryel ·

I 3. Nördliches Seitenschiff, Nordseite. Fünf Gestalten des Alten Testamentes. Am ersten Pfeiler von Osten Jeremia (?) als bartloser Mann mit Kappe; die schwarze Beischrift auf braunem Band stark zerstört (A). Am dritten Pfeiler Moses mit den Gesetzestafeln, auf denen in sechs Zeilen Reste schwarzer Buchstaben und Zahlen erkennbar sind (B).

Maße: H. je ca. 50, B. je ca. 50, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), Kapitalis (B).

  1. A

    j[ere]miac)

  2. B

    R I / C A A T / I[. .] 8[. .]/ C[. .] [. . . .]/[. . . .] [. .] / [. . . .] [. .] 8/ V [. .]

Bedeutung und Interpretationsmöglichkeit von Inschrift B ist unklar. Vielleicht liegt eine Scheininschrift vor?

I 4. Südliches Seitenschiff, Nordseite. Am zweiten Pfeiler von Osten bartloser Prophet mit Kappe. In den Händen graues Band mit vollständiger, aber sehr undeutlicher schwarzer Beischrift (A). Am dritten Pfeiler Elias mit Kappe und gut erhaltener schwarzer Beischrift auf weißem Band (B).

Maße: H. je ca. 50 cm, B. je ca. 50, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. A

    · masais ·

  2. B

    · ellias ·

Die Bedeutung von Inschrift A ist unklar. Vielleicht liegt eine Fehlrestaurierung vor (Malachias?).

I 5. Südliches Seitenschiff, Südseite. An den Pfeilern fünf Engel, jeder mit großem Schriftband. Schwarze Buchstabenreste auf dem braunen Band des fünften Engels von Osten.

Maße: H. ca. 50, B. ca. 50, Bu. ca. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. [. . . . . . .]angelo[rum]

Eine Ergänzung des Gen. Plur. (der Engel) ist nicht möglich, zumal vermutlich die Schriftbänder ein zusammenhängendes längeres Schriftwort zitierten.

II. Die großen Gewölbeschlußsteine im Chor und Langhaus zeigen skulpierte Darstellungen von Heiligen, Märtyrern, Wappen, dem Auferstandenen, der Muttergottes und Anna Selbdritt. Im Mittelschiff ist der Schlußstein des zweiten Joches von Osten als kreisrunde Himmelsöffnung mit Wolkenkranz ausgebildet. Aus dem Kranz wachsen vier Engelhalbfiguren. Der südwestliche Engel und der südöstliche Engel tragen je ein weißes Band mit schwarz aufgemalter Inschrift (A, B).

Maße: H. je ca. 30, B. je ca. 45, Bu. ca. 5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    PANIS

  2. B

    ANGELOR[V]M IPd)

Übersetzung:

Brot der Engel.

Kommentar

Das ikonographische Programm der Figuren-Konsole und Gewölbeschlußsteine ist noch nicht abschließend geklärt.1 Die Beischriften entstanden im Zusammenhang mit der farbigen Fassung des Netzgewölbes und der Skulpturen. Sie dürften demnach aus dem vorletzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts stammen. Die Bemalung von Chor, Langhaus und Turmvorhalle ist nach einem einheitlichen Muster und in einheitlicher Farbgebung – also wohl in einem Zuge – ausgeführt worden und kann daher erst erfolgt sein, nachdem im Jahr 1481 der Turm als letzter Bauteil begonnen worden war.2 Bemerkenswert sind die Kapitalis-Inschriften der Gewölbeschlußsteine; sie gehören zu den frühesten im Kreisgebiet. Der retrograde Schrägstrich des N und der breite Deckbalken des A zeigen einen Schrifttyp, der in der Formgebung noch frühen Bastard-Kapitalis-Schriften entspricht, während der breite Duktus und ein fast quadratischer Aufriß der Buchstaben Proportionen klassischer Kapitalis sind.

Textkritischer Apparat

  1. Die Lesung saliman ist ebenfalls möglich.
  2. Lücke nach dem dritten Buchstaben, darin ein senkrechter Balken erkennbar; vermutlich Fehlrestauration des Wortes gab riel.
  3. Lesung sehr unsicher.
  4. G kaum mehr erkennbar, E und L bei der Restaurierung fälschlich zu D zusammengezogen, R teilweise von der Engelshand verdeckt. Die Bedeutung der beiden letzten Buchstaben ist unklar.

Anmerkungen

  1. Katalog der Darstellungen und Versuch der Deutung bei Dinkelacker, Alexanderkirche 11f., 14ff.
  2. Vgl. nr. 121.

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 122 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0012207.