Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 110 Vaihingen a. d. Enz, Mühlstr. 34, ehem. 1473, 1476, 1562, 1570

Beschreibung

Bauinschriften an verschiedenen Gebäuden des Herrenalber Pfleghofs, jetzt dem Staatl. Jugenddorf Schloß Kaltenstein angegliedert.1

Maße: H. 24, B. 54, Bu. 4–5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel, erhaben.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

I. Am massiven Untergeschoß des Hauptbaues über dem Kellereingang an der Straßenseite; Wappenstein und querrechteckige Inschrifttafel aus gelbgrauem Sandstein, dreizeilig beschriftet, ohne Rahmung.

  1. ihs / anno · d(omi)ni · m · / cccc · lxxiii · /

 
Wappen:
Kloster Herrenalb.

II. An der Umfassungsmauer des Hofes östlich vom Hauptbau, an der Straßenseite; querrechteckige Tafel ohne Rand, oben zweizeilig beschriftet, darunter in der Mitte Monogramm über der Krümme eines Abtsstabes; gelbgrauer Sandstein. Rand rechts oben und unten unregelmäßig gebrochen (Spolie?).

Maße: H. ca. 40, B. ca. 80–100, Bu. ca. 4–5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel, erhaben.

  1. Jhesu · Nasareno · / Anno · d(omi)ni · m · cccc · lxxvi / N /

III. Am spätgotischen Torbau östlich vom Hof, an der Hofseite; profiliertes Türgewände, am Scheitelstein des Kielbogens Bauzahl und Stz. nr. 29.

  1. 15 / 62

IV. An der ehemaligen Pfleghofkapelle westlich vom Hauptbau, an der Straßenseite über der obersten rundbogigen Öffnung:

  1. · 1 · 5 · 7 · 0 · /

Kommentar

Graf Eberhard der Milde von Württemberg (1392–1417) verkaufte 1392 sein Haus mit Hofreite, im Volksmund „das kalte Loch“ genannt, an Abt und Konvent zu Herrenalb.2 Dieses Anwesen wurde im 15. Jahrhundert zum Herrenalber Pfleghof ausgebaut, zu dem der Klosterbesitz in Ensingen, Großglattbach, Hochdorf, Illingen, Roßwag, Schützingen und Wimsheim gehörte. Inschrift I könnte sich auf den Baubeginn des Haupthauses über mächtigen Substruktionen mit Kellern beziehen; Inschrift II bezeichnet wohl den Abschluß der Arbeiten unter dem Abt Nikolaus Wagenleiter von Obertsrot (1476–1486)3. Sein Monogramm N (= Nikolaus) bezeichnet ihn als Bauherrn; zu Beginn der Arbeiten 1473 war noch sein Vorgänger Johann von Udenheim (1454–76) im Amt.4 Auch der Torbau und die Kapelle St. Bernhard sind in spätgotischer Zeit enstanden. Die Bauzahlen III und IV bezeichnen Umbauten aus der Zeit der staatlichen Geistlichen Verwaltung5; so wurde der Kapellenraum 1570 durch Einziehen von Zwischenböden in eine Scheune umgestaltet.6 Die Bauinschriften von 1473 und 1476 sind bemerkenswert, weil sie sich an eine umfangreiche Gruppe erhaben gearbeiteter Minuskelschriften einer Vaihinger Werkstatt anschließen lassen.7 Inschrift I verdient besondere Beachtung wegen der Bearbeitung der Buchstabenschäfte; diese sind nicht bandartig flach, sondern tragen deutlich einen Mittelgrat. Worttrennung hier durch Paragraphenpunkte, bei II durch kleine, auf die Spitze gestellte Quadrate.

Textkritischer Apparat

  1. Das s retrograd.

Anmerkungen

  1. Im 19. Jahrhundert „Cameralamt“, bis vor kurzem Finanzamt.
  2. Feil 37, 235ff.
  3. Sein Grabstein in Bad Herrenalb erhalten.
  4. Bauinschrift II belegt, daß Johann von Udenheim nicht bis 1478 – nach Crusius III 328 sein Todesjahr – regierte, sondern nur bis 1476 im Amt war. – Die (als Provisorium anzusehende) Abtsliste bei Pflüger, Schutzverhältnisse 1958, 162 läßt sich nach dem Befund der Inschriftendenkmäler ergänzen.
  5. Zu Verwaltern aus nachreformatorischer Zeit vgl. nrr. 348, 640.
  6. Kloster Herrenalb hatte außer den Gebäuden in der Mühlstraße noch weiteren Grundbesitz in Vaihingen, darunter der Kornkasten in der Marktgasse, der die Bauzahlen 1610 und 1760 in Verbindung mit dem Monogramm H. A. (= Herrenalb) und dem Klosterwappen trug.
  7. Vgl. nrr. 58, 102, 104 u. ö.

Nachweise

  1. OABVaihingen 1856, 89.
  2. Klemm, Erinnerungen 1872, Nr. 3, S. 11.
  3. Feil 236.
  4. A. Schahl, in: Um Stromberg und mittlere Enz. Vaihingen (1972), 314.

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 110 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0011004.