Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)
Nr. 89 Marbach am Neckar, ev. Pfarrkirche St. Alexander 1460/1565
Beschreibung
Wandgemälde innen an der Nordwand des Chores. Im Hintergrund des fast quadratischen Bildes eine hügelige Landschaft mit Burgen und zwei kämpfenden Heerhaufen. Im Vordergrund knien zwei geharnischte Ritter mit beigestellten Wappen und leeren Schriftbändern vor der geöffneten Türe eines Turmes, aus dem die blaugewandete Muttergottes tritt. Im Jahre 1565 wurde die Muttergottes mit einem Kruzifixus übermalt, die Konturen der ursprünglichen Komposition sind jedoch noch sichtbar. Vom Querbalken des Kreuzes hängen zwei Schilde, die auf weißem Grund eine schwarze gemalte Inschrift tragen (C). Links vom Bild unten eine querrechteckige weiße Fläche mit schwarz aufgemalter, dreizehnzeiliger Inschrift (A). Darüber ein S-förmig geschlungenes weißes Band mit schwarz aufgemalter Schriftzeile (B). Über dem Band ein eiserner Haken.
Maße: Bild: H. 217, B. 190. Schriftfläche: H. 62, B. 80 cm. Bu. 4,5 (A, C), 6 (B).
Schriftart(en): Gotische Minuskel (A, B), Fraktur (C).
- A
anno · 1460 ·a) begab · sich · vff · sant · philippi · / vnd · jacob · der ·zwolffbotten · aubert · das · / die · durchluchtigen · hochgebornen ·fürsten ·/vnd · herren · der · pfalczgraff · und · graff: · :/ Volrich ·b)von · wirttemberg · in · abgesagter · / vyntschafft · vffeinander ·gestossen · an · dem /fv̈rtraben · als die · pfalczgrafschen ·ettwie=/wenig · huß gebrannt · hetten · traffen · beider=/siten ·mitteinander · an · zwischen · wyesten=/hvsen · vnd · helffemberg ·alda ·warden · dis ·/zwen · biderman · erlich · vnd · ritterlich: · :/erschlagen · vnd · mit · dem · her · haym · gefüertc)/ der · almechtig ·gott · sy · in · gnedig · amen ·
- B
· vnd vff die stvnde ward disser /· cappen zieppffell: · :/· inn·: /: · : fenli(n)s schain den vinde(n) / ab ge wonen: · :
- C
O Jesv · dv · sün · daüidt · vor /deinem · Vattern · vns · ver/ dritt ·vnd · wellest · vns · für · / diß · zeitlich · leben · in · deinem=/reich · daß · ewig=/ geben · christe/ 15//weil · ir · habt · ewer · leyb · vn ·/ leben fir · das · vaterland=/geben · vnd · seint · in · warem=/ glavben gestorben ist=/ eich ·beim vattern gnad=/ er·worben · /65
Datum: 30. April.
Heinriet | Speth |
Textkritischer Apparat
- Ziffer 0 hochgesetzt.
- Buchstabe o über V gesetzt.
- e über ü gesetzt.
Anmerkungen
- Sattler, Grafen II, 236. – Der Krieg endete mit der Niederlage Ulrichs V. und seiner Verbündeten in der Schlacht bei Seckenheim (1462). Als Folge mußte der Graf Stadt und Amt Marbach, bis dahin württembergisches Allod, von der Pfalz zu Lehen nehmen. – Die Schlachten des Pfälzerkrieges haben auffallend häufig zu inschriftlicher Verewigung Anlaß gegeben: zu belegen ist noch das Mannheimer Siegeskreuz (1462), vgl. DI. XVI (Mannheim-Sinsheim) nr. 55, der sog. ‚Schlangenstein’ bei Laudenbach/Bergstraße, vgl. ebd. nr. 52 und eine Fahne im Gemmingen’schen Schloß Michelfeld, ebd. nr. 236. In der Heiliggeistkirche in Heidelberg existierte eine vergleichbare Inschrift auf einer Tafel: DI. XII (Heidelberg) nr. 114.
- Sattler (wie Anm. 1). – A. v. Speth, Stammtafel 2, Vb. – Rau, Speth, in: LudwigsburgerGbll. 22 (1970) 9 Anm. 5. – Pfeilsticker 1090. – Caspars Totenschild verbrannte 1944 in der Stuttgarter Leonhardskirche; Text bei Crusius, Annales Suevici III, 408 und Speth a. a. O.
- Sattler (wie Anm. 1). Conrad steht 1448 in württembergischen Diensten und verkauft 1456 Burg Helfenberg an Württemberg (WürttReg. nrr. 2426; 6923), dazu noch weiteren Besitz. Helfenberg liegt im Lkr. Heilbronn (Gem. Ilsfeld).
- Munz-Kleinknecht, Marbach 51. – Vermutlich ging der ‚alte wülline Kappenzipfel’ (Sattler) während der Revolutionskriege verloren, als die Alexanderkirche zeitweise als Reiterkaserne diente.
- Die Burgen im Hintergrund könnten Hohenbeilstein und Helfenberg oder Wildeck darstellen, das Gebäude im Vordergrund läßt sich als der Landturm bei Wüstenhausen identifizieren.
- Vgl. nr. 99.
Nachweise
- Crusius (wie Anm. 2) III, 407.
- Sattler, Grafen II, 263.
- Foerstner, Marbach 125, 129.
- Koepf, Alexanderkirche 14f.
- Müller, Kleine Geschichte Württembergs Tb. XVII (Abb.).
- Munz-Kleinknecht, Marbach 51; 57 (Abb. 10).
- Marbach 1282–1982 (Ausstellungsbericht) 34, 35 (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 89 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0008901.
Kommentar
Das für Württemberg siegreiche Gefecht zwischen Wüstenhausen und Helfenberg (Gem. Ilsfeld, Lkr. Heilbronn) beim Landgraben, einer württembergischen Grenzbefestigung des 15. Jahrhunderts, war eine Episode des Pfälzerkrieges (1460–62), in welchem Graf Ulrich V. von Württemberg auf Seiten der Gegner des Kurfürsten Friedrich I. des Siegreichen von der Pfalz stand.1 Die beiden Gefallenen waren Caspar Speth, ein Sohn des württembergischen Landhofmeisters Albrecht Speth von Ehestetten2, und Conrad von Heinriet.3 Das erbeutete pfälzische Feldzeichen, von den Württembergern verächtlich als „Kappenzipfel“ bezeichnet, hing noch im Jahre 1763 an dem Haken über der Inschrift.4 Der Schöpfer des Gemäldes hat sich allem Anschein nach bemüht, die Landschaft um Wüstenhausen topographisch getreu darzustellen.5 Die Gemälde im Marbacher Schloß stammen vielleicht vom gleichen Meister.6 Wegen seiner Thematik wurde das Bild in nachreformatorischer Zeit trotz der anstößigen Mariendarstellung nicht beseitigt, sondern teilweise übermalt. Die Inschrift von 1565 – vielleicht als Ersatz für eine getilgte Marienanrufung auf den Schriftbändern – ist von einem auffälligen vaterländisch-württembergischen Pathos geprägt. Sie verheißt den Gefallenen das ewige Leben als Lohn für den Tod fürs Vaterland, der – so die Logik des Textes – auch den Makel des katholischen Glaubens von den Toten genommen hat.