Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 41a Großbottwar, Altes Schulhaus, Zehntgasse 10 um 1400?

Beschreibung

Querrechteckige Tafel aus grauem Sandstein, innen in der nördlichen Umfassungsmauer an der Ostecke; im Bereich der ehemaligen Feuerwehrremise. Auf der Stirnfläche eine tief eingehauene vierzeilige Inschrift zwischen schwach eingehauenen Linien. Die linken Hälften von Zeile 1 und 2 sind unbeschriftet. In der linken oberen Ecke sind die Umrißlinien eines ungedeuteten phiolenförmigen Gegenstandes eingehauen, von ihm geht ein horizontaler Stab aus, der durch Verbreiterung der Trennlinie zwischen Zeile 1 und 2 gebildet ist. Die Inschrift lag unter Putz und wurde im Jahre 1985 von Jürgen Marquardt aufgedeckt. Sie ist hervorragend erhalten, mit Ausnahme von zwei Beschädigungen: In der rechten oberen Ecke ist ein rechteckiger Ausschnitt von 15 x 17 cm für eine Balkenauflage ausgehauen (Buchstabenverlust); oben, links von der Mitte, ein gleichartiger Ausschnitt von 6 x 10 cm.

Maße: H. 47, B. 77, Bu. 8 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. [. . . . . . . . . . . .]a) HANS·B[. . . . .]b) / [. . . . . . . .]a) KHART· LEI/D·DEN·ERSTEN·S/TEIN·AN·DEN·KOR

Kommentar

Vorgängerbau des „Alten Schulhauses“ war die im Zuge der Stadtgründung um 1250 errichtete Allerheiligenkirche, eine romanische Chorturmanlage. Kirchenrechtlich war sie bis zur Reformation eine Filiale der außerhalb der Mauern gelegenen Martinskirche, der Pfarrkirche des seit dem Ende des 8. Jahrhunderts erwähnten Dorfes (Groß-)Bottwar. 1755/56 wurde das Schiff der Kirche wegen Baufälligkeit abgebrochen und unter Verwendung der alten Steine neu erbaut; nach 1812 fiel der massige Chorturm der Spitzhacke zum Opfer. 1833/34 wurde das Schiff zum Schulhaus umgebaut, seit 1948 dient es als Notunterkunft.1

Der Buchstabenbestand der Inschrift läßt sich als eine gotische Majuskel der Spätphase definieren. Die Lettern sind sehr schlank (Verhältnis von Höhe zu Breite 2:1). Die Sporen sind weit ausgezogen und auch an den Schwellungen der Bögen angebracht (D, N, O); die Schrift gewinnt dadurch ein fast maniriertes Bild. Ähnliche Formen zeigt eine Bauinschrift aus dem Jahre 1384 in Wertheim, ebenso eine fragmentarisch erhaltene Grabschrift in Neckarbischofsheim, die um 1415 anzusetzen ist und deren Buchstaben ebenfalls auffallend groß sind.2

Zu der bisher bekannten Baugeschichte der Allerheiligenkirche paßt dieser Zeitansatz nicht. Der genannte Hans Burckhart (?) könnte Pfarrer oder auch Fundator der Kirche gewesen sein; auffällig bleibt aber das Fehlen der Jahreszahl. Möglicherweise ersetzte der Stein einen älteren, auf dem das Datum nicht mehr lesbar war. Unklar bleibt auch die Ritzdarstellung; deutet man sie als Flasche, so könnte sie als Hinweis auf eine Grundsteinbeigabe zu verstehen sein.3

Der Stein befindet sich nicht mehr in originaler Lage; spätestens beim Abbruch des Chorturmes muß er an den jetzigen Standort versetzt worden sein. Die Beschädigungen sind vermutlich beim Umbau der Kirche zum Schulhaus entstanden.4

Textkritischer Apparat

  1. Unbeschriftete Fläche von ca. 25 cm Länge.
  2. 2–3 Buchstaben ausgefallen. Ergänzung vielleicht B[VRC]KHART.

Anmerkungen

  1. H. Neuffer, Allerheiligen- und Liebfrauenkirche, in: HgW 27 (1976) 19f.
  2. Vgl. DI. XVI (Mannheim-Sinsheim) nr. 219, ferner DI. I (Main-Taubergrund) nr. 5.
  3. Vgl. dazu R. Neumüllers-Klauser, Die Grundsteinlegungsinschrift der evangelischen Kirche zu Blankenloch, in: Forschungen und Berichte 6 (1979) mit Hinweis auf Beigabe von ‚doppelkonischen’ Flaschen bei Grundsteinlegungen.
  4. Anhaltspunkte für einen Umbau oder Neubau um 1400 liegen nicht vor; auf den Stadtansichten des 17. Jahrhunderts erscheint die Allerheiligenkirche durchweg als romanischer Bau (vgl. Neuffer, wie Anm. 1).

Nachweise

  1. J. Marquardt, Die ‚Alte Schule’, in: Gemeindeblatt Großbottwar 40 (1985) 14ff.

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 41a (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k00041a8.