Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 22 Oberstenfeld, ehem. Stiftskirche St. Johannes d. T. 1307

Beschreibung

Fragment der Grabplatte der Sophia von Lichtenberg, geborene Gräfin von Berg-Schelklingen, und ihres Ehegatten. An der Südwand der Chorkrypta, ganz links. Das Bruchstück umfaßt die oberen zwei Drittel einer rechteckigen Sandstein-Grabplatte mit umlaufender Randinschrift zwischen eingehauenen Linien. Die Inschrift beginnt in der Mitte der oberen Zeile. Im Mittelfeld ein Wappen, die Helmzier ragt in die obere Schriftzeile. Darunter ein gotisches Blattkreuz. Das leicht abgetretene und an den Rändern bestoßene Fragment wurde bei der Renovierung der Kirche im Jahre 1888 aus dem Fußboden gegraben.1

Maße: H. 120, B. 78, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. + ANN/O · D(OMI)NI M°·CC°C·V°·II° II [NONAS / APRILIS / . . . . . . . . .]ENBa) · O(BIIT) · SOPHIA · D(E) · SCHALKELING / VXOR · EI(VS)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1307. . . . . . . . . . . . enb . . . . . starb Sophia von Schelklingen, seine Ehefrau.

Wappen:
(Hummel) von Lichtenberg

Kommentar

Der Oberstenfelder Nekrolog gedenkt unter dem 21. Oktober des Todes einer „Sophia comitissa, ein grevin von Schelkling.“2 Die Grafen von Schelklingen3 sind ein Zweig der Grafen von Berg4 und Markgrafen von Burgau5, die im 13. Jahrhundert zu den vornehmsten schwäbischen Adelsfamilien gehörten. Stammutter des Hauses war eine Gräfin Sophia, Tochter des Ungarnkönigs Salomon (gestorben 1087) und Enkelin des salischen Kaisers Heinrich III. (gestorben 1056). Ihr Ehemann Poppo stammte vielleicht aus dem Geschlecht der Grafen von Lauffen (Lkr. Heilbronn).6 Die in Oberstenfeld bestattete Sophia dürfte eine Tochter oder, wenn sie jung gestorben ist, eine Enkelin des Grafen Ulrich von Berg (gestorben an einem 22. Sept. vor 1268) gewesen sein, der sich als erster seines Hauses nach Schelklingen benannte.7 Sie muß nach Ausweis des Wappens mit einem der hochadligen Herren verheiratet gewesen sein, die sich seit 1197 nach der Dynastenburg Lichtenberg (bei Oberstenfeld) nannten.8 Die Lichtenberger waren Rechts- und Besitznachfolger der Grafen von Bottwar und Oberstenfeld des 10. und 11. Jahrhunderts.9 Im Bottwartal schufen sie ein kleines Territorium mit der Stadt Bottwar und Stift Oberstenfeld als Mittelpunkt. Geschichte und Genealogie des Geschlechtes haben noch keinen Bearbeiter gefunden. Die wenigen gedruckten Einzelnachrichten10 zeigen einen auffälligen Gegensatz zwischen bescheidenem Besitz und vornehmen Heiraten, aus denen wiederum Berufungen in hohe Reichs- und Kirchenämter resultieren. Sophias Ehemann muß in der Generation der Brüder Albert, Konrad und Siboto gesucht werden, die zwischen 1270 und 1314 auftreten und nach allem Anschein Söhne des 1255 und 1259 urkundenden Albert von Lichtenberg waren. Siboto war von 1302 bis 1314 Bischof von Speyer, sein Bruder Albert hatte wohl Uta von Neuffen zur Gemahlin.11 So ist zu vermuten, daß Sophia mit Konrad von Lichtenberg verheiratet war, der an einem 4. April nach 1300 starb.12 Ob aus der Ehe Nachkommen hervorgingen, ist ungewiß. Die bekannten Lichtenberger der nächsten Generation, Albrecht Hummel, Marschall Kaiser Ludwigs des Bayern und Landvogt im Elsaß († 1332), und sein Bruder Hermann, Kanzler des Kaisers und Fürstbischof von Würzburg († 1335), sind vielleicht eher die Söhne der Uta von Neuffen.13 Die Ergänzung der Inschrift ist schwierig. Die beiden letzten Worte VXOR EIUS setzen voraus, daß im verlorenen Textteil der Ehemann Sophias genannt war. Die Größe des erhaltenen Grabplatten-Fragmentes läßt darauf schließen, daß maximal vierzig bis fünzig Buchstaben und Trennzeichen ausgefallen sind.14 Diese Prämissen schließen aus, daß die Inschrift nur der Sophia gewidmet war.15 Sie machen es andrerseits wenig wahrscheinlich, daß der Stein zwei voneinander unabhängige Inschriften mit zwei verschiedenen Jahreszahlen und Tagesangaben getragen hat, je eine für Sophia und ihren Ehemann. Der Platzbedarf wäre zu groß gewesen. Es ist vielmehr daran zu denken, daß die Eheleute im gleichen Jahr gestorben sind und einen gemeinsamen Stein mit gemeinsamer Inschrift erhielten. Ein Ergänzungsversuch könnte dann etwa so aussehen: ANNO · D(OMI)NI · M · CCC · V · II / · II · NON(AS) · APR(ILIS) · O(BIIT) · CVNRAT(VS) · D(E) · LIEHTENB(ERG) · (ET) XII · KAL(ENDAS) · NOV]ENB(RIS) · O(BIIT) · SOPHIA · D(E) · SCHALKELING VXOR · EI(VS) ·16 Der Schrifttyp zeigt nebeneinander kapitales und unziales N und D, offenes und geschlossenes C und E. M und A sind unzial, bzw. pseudounzial, V ist kapital. Als Endungskürzel dient ein Haken, der jeweils am letzten Buchstaben ansetzt.

Textkritischer Apparat

  1. Mit Endungskürzel.

Anmerkungen

  1. v. Stetten, Stift Oberstenfeld I, 15.
  2. Mehring, in: WürttVjh 6 (1897) 285.
  3. Burg und Stadt Schelklingen (Alb-Donau-Kreis).
  4. Dorf mit abgegangener Burg, heute zu Ehingen (Alb-Donau-Kreis) gehörig.
  5. Burg und Stadt Burgau (Lkr. Günzburg).
  6. Bühler, Die Wittislinger Pfründen, in: Jb. d. hist. Vereins Dillingen a. d. Donau 71 (1969) 28ff.
  7. Vgl. die Stammtafel bei C. F. Stälin, Wirtembergische Geschichte II 353. – Sophia fehlt auf der Tafel.
  8. Die hochadeligen Herrn von Heinriet führen das gleiche Wappen wie die Lichtenberger, sind aber um die Mitte des 13. Jahrhunderts ins Connobium mit weit weniger vornehmen lokalen Adelsfamilien abgesunken; vgl. nr. 11.
  9. Vgl. nrr. 1 und 2.
  10. Ansätze zu einer Darstellung bei G. Heß, in: HgW 1 (1949) 11f. Weitere Nachrichten bei C. F. Stälin (wie Anm. 7) III 105, Anm. 2; OABMarbach 270f. – Urkunden und Regesten vor allem in WUB; WürttReg.; RMB; Mehring (wie Anm. 2) 241–308.
  11. Eine Urkunde vom 15. 5. 1323 nennt Adelheid von Lichtenberg Äbtissin zu Oberstenfeld, ihren verstorbenen Bruder Albrecht (Albert) und dessen Witwe Uta von Nifen: Mehring 261, Anm. 4.
  12. Mehring 268, Anm. 39. Der am 21. 1. 1301 genannte Konrad d. J. ist identisch mit Konrad, dem Bruder Alberts, wie ein Vergleich der beiden Urkunden WUB VIII nr. 2969 und WUB IX nr. 4195 ergibt.
  13. Uta entstammte der Familie des Berthold von Marstetten, gen. von Neuffen, des wichtigsten Helfers Kaiser Ludwigs d. Bayern. Es steht wohl außer Zweifel, daß Berthold es war, der den Lichtenbergern den Weg in den Reichsdienst ebnete.
  14. Zugrundegelegt ist eine Gesamtplattenlänge von ca. 200 cm, wie sie etwa nr. 11 von 1297 aufweist.
  15. Mehrings Ergänzung [XII kalendas Nov]enb(ris) hat deshalb wenig für sich.
  16. Übersetzung: ‚Im Jahre des Herrn 1307 am 4. April starb Konrad von Lichtenberg (und) am 21. Oktober starb Sophia von Schelklingen, seine Gemahlin’.

Nachweise

  1. v. Stetten, Stift Oberstenfeld I, 15 (Abb.).
  2. Mehring (wie Anm. 2) 285, Anm. 104.

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 22 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0002201.