Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 18† Vaihingen a. d. Enz, ev. Stadtkirche U. L. Frau 1300

Beschreibung

Grabplatte des Heinrich Graf von Vaihingen. Ursprünglich im Langhaus im Boden durch Gestühl verdeckt; dieses wurde 1584 auf Veranlassung des Obervogts Bernhard von Liebenstein entfernt.1 Kurze Zeit darauf beschreibt Crusius die Platte im Bereich des südlichen Langhaus-Portals, möglicherweise in der Portalvorhalle.2 Nach dem Stadtbrand von 1618 abgegangen. Rechteckplatte mit Kreuz und gestürztem Wappenschild.

Wortlaut nach Gabelkover und Andreae.

Schriftart(en): Gotische Majuskel (?).

  1. A(NNO) · D(OMINI) · MCCC · XI · KAL(ENDAS) · OCTOBRIS IN FESTO MATHEI AP(OSTO)LI · O(BIIT) · HAINRIC(VS) · COMES IN VAINGEN RECTOR HVIVS ECCLESIAE ·

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1300 am 11. (Tag) vor den Kalenden des Oktober am Festtag des Apostels Matthäus (21. September) starb Heinrich Graf in Vaihingen, Rektor dieser Kirche.

Wappen:
Grafen von Vaihingen.

Kommentar

Als Denkmal für ein Glied des Vaihinger Grafenhauses, das als Stadtgründer und Stadtherr für die Anfänge der Vaihinger Stadtgeschichte von Bedeutung war, ist das Grabmal schon früh beachtet und dokumentiert worden. Es gehört zu den ganz wenigen Denkmälern, die beim Abriß des – 1239 erstmals genannten – Vorgängerbaues der Liebfrauenkapelle geschont und in den 1513 begonnen Neubau des Langhauses übernommen wurden.3 Die erste Veröffentlichung erfolgte 1595/96 durch Crusius, allerdings mit einem Wortlaut, der von der Version bei Gabelkover und Andreae abweicht: A. D. M. · CCC · XI · KAL · OCTOB · OBITT HEINRICVS COMES IN VAIHINGEN RECTOR HVIVS ECCLESIAE.4 Die zusätzlich zur römischen Datierung zitierte Tagesbezeichnung nach dem Heiligen-Festkalender fehlt hier; sie ist aber notwendig, um die Lesung des Todesjahres als MCCC · XI · (= 1311) auszuschließen, welche von Steinhofer verbreitet wurde.5 Der Wortlaut von Andreae6, der die Inschrift des beschädigten Steins als letzter Augenzeuge noch gesehen hat, stimmt mit Gabelkover überein, jedoch fehlt hier die Tagesangabe XI. vor KAL(ENDAS); offensichtlich liegt ein Versehen oder ein Druckfehler vor, denn der Todestag ist ja als Tag des Hl. Matthäus und damit 21. September hinreichend präzisiert.

Daß die Lesung von Andreae im übrigen zuverlässig ist, beweist die Version von Gabelkover7, die zwischen 1584 und 1618 zu Papier kam. Wie im Falle anderer Inschriften ist auch hier zu beobachten, daß sich Gabelkover auf eine Kurzfassung der in der Inschrift enthaltenen Aussagen beschränkt, ohne sich an die Schreibung des Originals zu halten: A · 1300 · XI · Cal · Octob · in festo Matthei Apli · Ø Heinricus c. in Vaihingen rector huius eccliae. Der Wortlaut Andreaes verdient am meisten Vertrauen, denn offensichtlich hat er sich um eine Wiedergabe nach dem Original bemüht, wie aus der Schreibung der Namen HAINRICVS und VAINGEN hervorgeht. – Die Textkritik abschließend sei angemerkt, daß Andreaes Lesung durch Johann Bernhard Unfried8 bestätigt wird, der ausdrücklich an der Version des Crusius Kritik übt. Schon Crusius bezeichnete den Verstorbenen als den letzten Sproß des Grafenhauses aufgrund seiner Beobachtung, das Wappen sei gestürzt angebracht.9 Gegenüber der urkundlichen Überlieferung ergibt sich jedoch ein Widerspruch, denn der letzte Graf von Vaihingen, ebenfalls mit Vornamen Heinrich, kann mit dem hier angesprochenen Träger dieses Namens nicht identisch sein; er ist noch 1352 und 1356 nachweisbar.10 Auch war dieser offenbar kein Kleriker. – Demgegenüber ist der Verstorbene zwischen 1282 und 1300 in zahlreichen Urkunden zuverlässig belegt; er erscheint – zunächst noch unmündig – meist zusammen mit seinem älteren Bruder Konrad (IV.) Graf von Vaihingen und seiner Schwester Adelheid, Gemahlin des Pfalzgrafen Eberhard von Tübingen.11 Seine Eltern waren Graf Konrad (III.) (gest. 1283) und Agnes, Tochter des Grafen Ulrich von Asperg. Heinrich wird mehrmals ausdrücklich als „clericus“ bezeichnet. Als „kirchherre ze Sachsenheim“ bestätigte Heinrich 1298 Dez. 18 die Schenkung des Patronats der Kleinsachsenheimer Kirche an das Kloster Rechentshofen; die Urkunde vermerkt zu diesem Kloster ausdrücklich, es sei die Grablege der Grafen von Vaihingen.12 Warum Heinrich nicht dort bestattet wurde, sondern in der Vaihinger Liebfrauen-Kapelle, bleibt offen. – Die gestürzte Stellung des Wappens bleibt ohne Erklärung; Heinrich war keineswegs der letzte seines Geschlechts, nicht einmal seiner Linie, denn er wurde von seinem Bruder Konrad (gest. nach 1320 Okt. 6) überlebt.13 – Klemm14 bemühte sich um eine Lösung der Widersprüche, in dem er vorschlug, das Todesdatum als M CCC[LXI] · XI · KAL ·, etc. zu ergänzen; so glaubte er den Grabstein mit dem letzten Vaihinger Grafen verbinden zu können. Angesichts der Gewährsmänner aus der Zeit vor der Zerstörung des Steins besteht jedoch dafür keine Veranlassung.

Anmerkungen

  1. Dies berichtet Crusius, Annales Suevici III 202. – Zu Bernhard von Liebenstein vgl. nr. 463.
  2. Ebd. „In Templo, in introitu a dextra forum versus, saxum erectum cernitur etc.“.
  3. Zur Baugeschichte vgl. nr. 215.
  4. Wie Anm. 1; ihm folgen die meisten späten Autoren.
  5. Steinhofer I 47; II 310.
  6. Andreae, Memorialia 251f.: „Supererat tamen maximae vetustatis lapis … quem, quia ignis omnino corrosit, huchuc sua insriptione restituamus.”
  7. Stuttgart, WürttLB. Cod. hist. F 22, p. 813 c.
  8. Stuttgart, WürttLB. Cod. hist. F 127, fol. 287 a und b. – Die Handschrift von Joh. Bernhard Unfried (gest. 1635), einem Freunde Andreaes, enthält Glossen zu einer von Andreae geplanten, aber durch den Brand von Calw 1634 im Manuskript vernichteten historischen Beschreibung Württembergs; hier wurde der vorliegende Grabstein beschrieben und zitiert. Zu Unfried und seinen Glossen ausführlich W. Heyd, in: WürttVjH NF. 7 (1898) 253–258.
  9. Wie Anm. 1: „Insignia leonem habent; in cuius capite, corona simplex… Hic autem Leo inversus est: porrigens quodammodo pedes caelum versus: cruce in ventre posita.”
  10. WürttReg. nrr. 11798, 14112, 14113. – Zur Genealogie vgl. die Stammtafel bei Feil, S. 24.
  11. WUB, zahlreiche Nennungen im Register zu den Bänden VIII–XI; ferner RMB I nr. 560 (1287 Juli 28).
  12. WUB XI nr. 5195 (1298 Dez. 18), S. 184: „(Rechentshofen), da wir haben unser begrebede“.
  13. Gestürzte Wappen scheinen als Hinweis auf das Aussterben der Familie nicht immer zwingend zu sein, wie vorliegendes Beispiel lehrt. –
  14. A. Klemm, in: WürttVjH. 3 (1880) 157f.

Nachweise

  1. Crusius (wie Anm. 1).
  2. Gabelkover (wie Anm. 7).
  3. Andreae (wie Anm. 6).
  4. Unfried (wie Anm. 8).
  5. Klemm, Erinnerungen 1871, Nr. 50, S. 198f.
  6. Klemm, Grabschriften 1874, Nr. 13, S. 51 nr. 98.
  7. Feil 49.

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 18† (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0001802.