Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 6 Markgröningen, ev. Stadtkirche St. Bartholomäus 1260ff.

Beschreibung

Gemalte Weihe-Inschriften (?) im östlichen Bereich des Langhauses. Die zwei östlichen Joche sind in der Arkadenzone nicht voll ausgebildet, sondern sie waren ursprünglich – wie in St. Paul in Esslingen (geweiht 1268) – durch geschlossene Wände dem frühgotischen Chor zugeordnet. Die östlichen Rundpfeiler des dritten Joches sind als Halbsäulen angelegt und mit dieser Zungenmauer verschmolzen.1 Die nördliche Halbsäule und die der südlichen Halbsäule benachbarte Zungenmauer sind als Inschriftträger benutzt; die Inschriften sind in schwarzer Farbe auf weißen Grund gemalt, stehen in gleicher Höhe vom Boden (ca. 250 cm) und sind als Schriftblock in mehreren Zeilen untereinander angeordnet.

I. Nördliche Halbsäule: die Schrift beginnt unterhalb des einfachen, trommelförmigen Kapitells und umfaßt mindestens sechs Zeilen (die beiden unteren neuerdings durch Lautsprecherkasten verdeckt). Der Erhaltungszustand ist äußerst fragmentarisch.2 Das Schriftfeld ist an beiden Außenkanten zerstört; in jeder Zeile könnten noch drei bis fünf Buchstaben an jeder Seite Platz gefunden haben.

Maße: H. ca. 90, Dm. (Halbsäule) ca. 80, Bu. 6–7 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/7]

  1. [ANNO] D(OMI)NI · M° · C°CLX. . . . /[. . . . .]K(A)L(ENDAS) ·a) [. . . . . . ] /[. . .  .] VIOb) . . . . ECTIc) [. . ] /[. . . .  .]ALT[A]RE · IN HO[NORE . . .] /[. . . . . . . . . .] A [. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .] /[. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .]R [. . . .] /

II. An der Südseite der Zungenmauer, die an die südliche Halbsäule anschließt: die Schrift beginnt unmittelbar neben dem mit Blattwerk und Weinreben in zwei Reihen geschmückten Kapitell und ist im unteren Breich übertüncht; oberhalb von dem Schriftfeld sind Reste eines spätgotischen Wandgemäldes – mindestens vier stehende Figuren mit verblaßten Schriftbändern, zu einer Szene angeordnet (Apostel?) – erkennbar. Diese spätgotische Malschicht liegt über der Inschrift; daraus erklärt sich der schlechte Erhaltungszustand, der einzelne Buchstaben und die Anordnung in Zeilen nur schattenhaft erkennen läßt.

Maße: H. ca. 75, B. ca. 140 (rechts durch modernen Kamin überschnitten), Bu. 6–7 cm.

  1. [. . . . . . . . . . . . . . . .] AN S[. . . . . ] / O [. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .] / AL[T . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .] / [. . . . . . . . . . . . . . . . . . .] AN[.]S . . / [. . . . . . . . . . . . . . . . . . .] MA [. . . . ] / [. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .] /

Kommentar

In beiden Fällen lassen sich keine zusammenhängenden Texte rekonstruieren, immerhin aber ist deutlich daß I mit der genauen Angabe eines Datums begann und daß es sich um einen Vorgang in Zusammenhang mit einem Altar handelte. Inschrift I ist daher als Weihe- und Bauinschrift der Kirche für das Jahr 1260 aufgefaßt worden.3 Dabei wurde aber übersehen, daß die Jahreszahl in der ersten Zeile verstümmelt ist; es ist damit zu rechnen, daß sich rechts noch weitere Ziffern angeschlossen haben, so daß 1260 (MCCLX….) nur als terminus post für die zeitliche Eingrenzung angesehen werden kann. Bei beiden Inschriften handelt es sich vermutlich um Weihe-Inschriften für Altäre, die sich ehemals unmittelbar unterhalb der Inschriften befanden. Solche Weihe-Inschriften lassen sich in vergleichbarer Lokalisierung mehrfach belegen. Daß Weihe-Inschriften scheinbar häufiger als in Stein gehauene Inschriften denn als gemalte Wand-Inschriften belegt sind, ist angesichts der hohen Verlustrate gerade gemalter Inschriften nicht verwunderlich.4 In Frankreich haben sich zahlreiche Beispiele dieser Gattung erhalten, die in nächster Nähe des betreffenden Altars direkt auf die Wand gemalt waren.5 Der Zustand der Fragmente – insbesondere bei II – ist so schlecht, daß keine Ergänzungen möglich sind; auch muß mit Fehldeutungen durch den Restaurator (H. Manz) gerechnet werden. Trotzdem wird deutlich, daß die Schrift einer Ansetzung im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts durchaus entspricht. Typisch ist die breite, zur Kreisform ergänzbare Grundform der Buchstaben, die kräftige Schwellungen aufweisen. C und E sind offenbar noch in der offenen Form wiedergegeben. Das A scheint eher trapezförmig als pseudounzial gewesen zu sein.6 Im übrigen haben sich aber die unzialen Buchstaben bereits durchgesetzt (vgl. H, N, T). Bezeichnend sind auch die Ligaturen, die in Gestalt von maßstäblich kleiner geschriebenen, hochgestellten Buchstaben in mindestens drei Fällen klar erkennbar sind.

Textkritischer Apparat

  1. Obgleich mindestens sechs Buchstaben in der zweiten Zeile auszumachen sind, läßt sich nur K(A)L(ENDAS), nicht aber der Monatsname eindeutig lesen.
  2. Klar erkennbar nur ein V mit hochgestelltem I darüber; der dritte Buchstabe könnte auch ein G, Q oder ein anderer Buchstabe von runder Form gewesen sein.
  3. Die hochgestellten Buchstaben TI und N sind nicht vertrauenswürdig.

Anmerkungen

  1. Die Kirche harrt noch einer Erforschung ihrer Baugeschichte; vgl. dazu das bei nr. 9 (1280) Gesagte.
  2. Die Schrift wurde bei der Restaurierung 1955/56 unter späteren Übermalungen aufgedeckt. Restaurierungsbericht von G. S. Graf Adelmann v. Adelmannsfelden, in: Heilige Kunst 1956, 23; ders. in: Der Kreis Ludwigsburg. Stuttgart, Aalen 1977, 168; ferner Werner Schmidt, in: Bartholomäuskirche Markgröningen (Kirchenführer) hrsg. 1957, S. 1.
  3. Ebd. S. 1.
  4. Kloos, Epigraphik 65; zur Problematik gemalter Inschriften ebd. 58. – Weitere Beispiele bei R. Funken, Die Bauinschriften des Erzbistums Köln bis zum Auftreten der gotischen Majuskel. Köln 1981, Nr. 8 (um 1051), Nr. 11 (um 1078) etc. – Das bekannteste Beispiel einer Weihe-Inschrift in nächster Nachbarschaft zu Markgröningen ist die Steintafel im Mausoleum der Könige von Württemberg in Stuttgart-Rotenberg, die die Weihe der Kapelle in der ehemaligen Burg Wirtemberg im Jahre 1083 überliefert; vgl. dazu zuletzt H. Decker-Hauff, Geschichte der Stadt Stuttgart I. Stuttgart 1966, 105 (mit Abb.) und 359; ferner: Beiträge zur Landeskunde 1983, Nr. 4, 1ff. – Vgl. auch unten nr. 182 (gemalt).
  5. Unter zahlreichen Beispielen sei herausgegriffen: CIFM II (Limousin) nrr. CZ 5, 6, 7 (von 1176).
  6. Vergleichsbeispiele im Bearbeitungsgebiet nrr. 9 (1280), 11 (1297). – Ferner vgl. Walter Koch, Paläographie der Inschriften österreichischer Fresken bis 1350, in: MIÖG 77 (1969) 1ff.

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 6 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0000609.