Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 2† Oberstenfeld, ehem. Stiftskirche St. Johannes d. T. 1032

Beschreibung

Gedächtnisinschrift für den kaiserlichen Kanzler Oudalrich (Ulrich). Überliefert in einer Abzeichnung des Oberstenfelder Stiftspredigers Sigel aus dem Jahre 1837. Die 6zeilige Inschrift war auf dem Stirnfeld eines Bogens angebracht. Sie wurde wohl in den Jahren 1888–91 zerstört, als die Kirche purifiziert wurde.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

  1. + · ANNO · DOM(INI) · IN[CAR(NATIONIS)] · C(HRISTI) / M·XXXII · IIII ID (VS) SEP(TEMBRIS) · O(BIIT) / OVDAL(RICVS)a) AVG(VSTORVM)b) HE/ INRIC(I) KU[ON(RADI)]c) / CAN[CEL]/LAR[IVS]d)

Übersetzung:

Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn Christus 1032 am 4. vor den Iden des September (10. September) starb Udalrich, Kanzler der Kaiser Heinrich (II.) und Konrad (II.).

Kommentar

Ulrich wird erstmals im Jahre 1000 in einer Urkunde Kaiser Ottos III. genannt. Als Kanzler der Kaiser Heinrich II. und Konrad II. ist er von 1024 bis 1032 nachweisbar.1 Nach neueren genealogischen Untersuchungen soll seine Mutter Adeltrud eine Tochter des Grafen Burkhard „von Bottwar“ (um 960) gewesen sein, der als Ahnherr der Grafenfamilien von Calw und von Lauffen gilt.2 Zusammen mit einem Grafen Adalhard – vermutlich seinem Bruder – war Ulrich an der Gründung des Frauenstiftes Oberstenfeld beteiligt. Die Inschrift ist ein wertvolles Indiz dafür, daß die später überarbeitete Oberstenfelder Gründungsurkunde von 10163 im Kern echt ist.4 Der Kanzler liegt in der Stiftskirche begraben.5 Der Standort seiner Inschrift ist nicht überliefert, muß aber im Breich der Chorkrypta gesucht werden, die als ältester erhaltener Bauteil in das zweite Viertel des 11. Jahrhunderts datiert wird.6 Wenn die Abzeichnung getreu ist, woran kein begründeter Zweifel besteht,7 dann kann die Inschrift tatsächlich kurz nach 1032 entstanden sein. Der relativ breite Gesamtduktus mit wenigen Ligaturen entspricht ebenso wie der Formbestand mit unzialem C und E den zeitgenössischen Vergleichsbeispielen.8 Das unziale M der Jahreszahl und das U in der vorletzten Zeile sind im 11. Jahrhundert zwar selten, aber nicht unmöglich.9 Die von der Norm abweichende geringe Größe des U scheint überdies anzudeuten, daß auch dem Künstler das Ungewöhnliche dieser Buchstabenform bewußt war. Als Kürzel dient mit einer Ausnahme10 ein waagrechter Strich, der teils in, teils über den letzten Buchstaben gesetzt wird.11

Textkritischer Apparat

  1. V mit O verschränkt.
  2. Als Kürzel hier ein Doppelpunkt.
  3. U kleiner als die übrigen Buchstaben.
  4. Als Kürzel ein horizontaler Strich durch die erste Haste des N.

Anmerkungen

  1. Monumenta Germaniae D O III, Nr. 355. – Breßlau, Die Kanzlei Kaiser Konrads II., S. 9. – Stumpff, Reichskanzler II, 1865, Nr. 2034. – Heß, Der deutsche Kanzler Oudalrich, in: HgW 2 (1951) 82f.
  2. Decker-Hauff, Der Öhringer Stiftungsbrief, in: WürttFranken 41 (1957) 17–30 und ebd. 42 (1958) 3–32. – Vgl. nr. 1.
  3. WUB I nr. 211.
  4. Zur Gründungsgeschichte Heß, Stift Oberstenfeld, in: ZWLG 9 (1949/50) 47–77. – Eine Zusammenfassung der älteren Literatur bei K. Pfaff, Geschichte des adelichen Fräuleinstiftes Oberstenfeld, in: WürttJb. 1840, S. 390ff. Decker-Hauff (wie Anm. 2) vermutet, die Gründung Oberstenfelds sei durch den in der älteren Literatur als Stifter genannten Graf Otto ‚von Bottwar’ um 994 begonnen worden, einen Bruder der Adeltrud, den auch der Oberstenfelder Nekrolog kennt; Mehring, in: WürttVjh. 6 (1897) 262f.; dessen Neffen Adalhard und Ulrich hätten die Gründung mit der Urkunde von 1016 abgeschlossen.
  5. Oberstenfelder Nekrolog: ‚IV id (Sept.) Ob. Ulrich canzler … Der lit in dem münster’ (wie Anm. 4, S. 281f.).
  6. Paulus, Neckarkreis 393ff. – Gradmann, Kunstwanderungen 31955, 101. – Schahl, Neckarschwaben 254. – Dehio-Piel nimmt die neueren Forschungen zu Oberstenfeld nicht zur Kenntnis.
  7. Vgl. die Inschrift nr. 38, die Sigel absolut getreu abgezeichnet hat, obwohl er den Text offensichtlich nicht lesen konnte.
  8. Vgl. DI. II (Mainz) nr. 655. – DI. XVIII(Bamberg) nr. 1. - DI. XII (Heidelberg) nr. 1a. – Kloos, Inschriften, in: Münchener Hist. Studien, Abt. Geschichtl. Hilfswissenschaften 19 (1982) 13ff.
  9. Beide Buchstabenformen sind seit der Spätantike bekannt und auch für das 11. Jahrhundert nachgewiesen vgl. Kloos, Epigraphik 109ff., 116, 124.
  10. Vgl. Anm. b.
  11. Bis Zeile 2 im Buchstaben, ab Zeile 3 darüber.

Nachweise

  1. Sigel, in: WürttLB Stuttgart, Cod. hist. F 955, Anh. Fasc. 4.

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 2† (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0000207.