Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 69(†) Bevern, St. Johannis nach 1565

Beschreibung

Überrest eines Epitaphs für Johann von Bevern und seine Frau Ermgardt, geborene Stapel. Ölgemälde auf Holz. Das Epitaph war 1749 an einem Pfeiler des 1891 abgebrochenen Kirchenschiffs befestigt;1) um 1900 hing das heute noch vorhandene Gemälde im Turm,2) gegenwärtig (2011) im nördlichen Seitenschiff des Nachfolgebaus. Dargestellt ist kniend vor dem an einem Baumstamm Gekreuzigten die Familie des Johann von Bevern, links der Verstorbene in Rüstung, den Helm zu seinen Füßen, mit einem erwachsenen Sohn und einem Kind, rechts drei Frauen (davon zwei unter einer Haube), ein kleines Mädchen und 13 Wickelkinder. Über Christus der gemalte Titulus A. Im Hintergrund eine Landschaft mit einer ummauerten Stadt am Fluß; im Mittelgrund ein an die Engelsburg erinnernder Rundbau, im Vordergrund links ein Gebäude mit Renaissancegiebel. Die Grabschrift B, überliefert von Letzner, ist nicht erhalten.

Inschrift B nach Letzner.

Maße: H.: 91,5 cm; B.: 120 cm; Bu.: 0,5 cm (A).

Schriftart(en): Kapitalis (A).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Meike Willing) [1/1]

  1. A

    I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDAEORVM)3)

  2. B †

    Hie schlefft im Grab ein EdelmanJohann von Beuern war sein NahmWelcher von dieser argen WeltGeschieden ist als man da zehltTausent Fünffhundert sechzig jahrVnd fünff, den zwey v(nd) zwantzigsten zwarDes Monden Februarij4)Ruget nun sanfft im Herrn hieZuuor als funffzehn hundert jahrVnd sechzig nun die jahrzahl warAm Tag Liechtmessen5) wol und feinSein Ehefraw ist geschlaffen ein.Stapel geborn genandt ErmgardtDie neunzehna) Kinder Mutter wardtWarten beydt mit jhrn Kindern gleich Der Aufferstehung zu Gotts ReichAmen

Versmaß: Deutsche Reimverse (B).

Kommentar

Der Grabspruch stammt nach der Angabe Letzners von Johann Sagittarius (Schütte), der seit 1566 als Pastor in Bevern amtierte.6) Das Baumkreuz ist wohl als Baum des Lebens7) zu verstehen, der Hintergrund wird als Himmlisches Jerusalem zu sehen sein. Außer Johann von Bevern sind insgesamt 19 Personen dargestellt. Eine der beiden Frauen unter der Haube dürfte seine 1560 verstorbene Ehefrau Ermgardt sein, die aus der Familie Kerckerinck, gen. von Stapel, aus dem Münsterland stammte.8) Dann fehlt aber eine Person, wenn Letzner die Zahl der Kinder richtig mit 19 angegeben hat.9) Von diesen sind 17 vor den Eltern gestorben (davon 13 als Säuglinge, wie das Bild zeigt), zuletzt am 28. April 1558 die Tochter Anna. 1565 lebten nur noch der Sohn Brun Arndt (Bruno Arnold, 1534–1589) und die Tochter Edeling (1528–1589); vgl. Nr. 112.10) In einem Nachklang des Hexenwahns des späten 16. Jahrhunderts wurde später erzählt, daß eine Hexe gestanden habe, daß sie durch Zauberei den Tod von 16 Kindern der Familie verursacht habe – eine Zahl, die sich offenkundig auf das Bild und nicht auf die Inschrift bezieht.11) Die gemeinsame Abbildung der lebenden und der bereits verstorbenen Familienmitglieder, die die geistige Begleitung des Toten durch seine Familie versinnbildlichen soll, kommt seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts häufiger vor.12)

Die Familie von Bevern, die auch einen Adelshof in Bodenwerder besaß,13) ist von der westfälischen Familie, die sich nach einem Ort gleichen Namens im Münsterland (Kreis Warendorf) nannte, zu unterscheiden. Die Familien führten verschiedene Wappen.14) Frühere Angehörige der weserländischen Bevern wurden in Amelungsborn beigesetzt, fanden aber auch Aufnahme in die Kemnader Memoria.15) Von 1553 bis 1561 ist eine Verwandte Johanns, Agnese von Bevern, Domina von Kemnade.16)

Johann von Bevern, ein Sohn von Brun von Bevern und Anna von Campe, wurde um 1490 geboren; die Eltern hatten die 1506 geweihte St. Johannis-Kirche gestiftet und fundiert.17) In der Hildesheimer Stiftsfehde unterstützte er Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel; 1521 unternahm er einen Überfall auf Dassel.18) Als zahlungsunwilliger Bürge des Herzogs wird er zusammen mit anderen Adeligen 1541 auf einem Spottbrief der Grafen von Schaumburg abgebildet.19) Zwischen 1556 und 1558 ist er als Wolfenbütteler Rat an der Regelung der Grenzstreitigkeiten mit Calenberg im Bereich des heutigen Kreises Holzminden beteiligt,20) streitet sich aber gleichzeitig um die Halsgerichtsbarkeit in Bevern und andere Lehnsrechte mit Herzog Heinrich dem Jüngeren.21) Johann hinterließ in Bevern eine Linie illegitimer, von seinem Sohn Brun Arndt (vgl. Nr. 112) anerkannter und ausgestatteter Nachkommen, die zumeist auch „von Bevern“ genannt wurden.22)

Textkritischer Apparat

  1. Kdm., die die Inschrift, teilweise normalisiert, nach Letzner wiedergeben, schreiben 18, wohl um die Zahl mit den auf dem Bild sichtbaren Figuren abzüglich der Ehefrau in Übereinstimmung zu bringen.

Anmerkungen

  1. LkAW, Corpus bonorum von Bevern (1749), S. 10.
  2. Kdm. Kr. Holzminden, S. 12.
  3. Io. 19,19.
  4. Nach einem Eintrag in einem heute in der Erzbischöflichen Bibliothek in Paderborn befindlichen, früher der Pfarrei von Bevern gehörenden Missale war der Todestag der 22. Januar; Honselmann, Notizen, S. 288 u. 291.
  5. 2. Februar.
  6. Letzner, Dasselische Chronica, 4. Buch, fol. 182v. Sagittarius/Schütte wurde 1537 in Dringenberg bei Bad Driburg im Fürstbistum Paderborn geboren und studierte in Marburg. Honselmann, Notizen, S. 288, 289 u. 291. Uhden/Sander, Bevern, S. 234. Mit zu spätem Amtsantritt (1568): Freist/Seebaß, Pastoren, Bd. 1, S. 26; Bd. 2, S. 59 (Nr. 3399).
  7. Vgl. LCI Bd. 1, Sp. 259–264; LCI Bd. 2, Sp. 583 (Abb. 9).
  8. Vgl. Honselmann, Notizen, S. 291.
  9. Vgl. Anm. a.
  10. Honselmann, Notizen, S. 290 u. 293. Vgl. Letzner, Dasselische Chronica, 4. Buch, fol. 182r, der den Todestag der Anna von Bevern mit 1. Mai 1558 angibt.
  11. Uhden/Sander, Bevern, S. 542. Sander, St. Johannis-Kirche, S. 7f.
  12. Vgl. Hufschmidt, „Sehliglich entschlafen“, S. 264.
  13. Letzner, Dasselische Chronica, 4. Buch, fol. 182r. Uhden/Sander, Bevern, S. 218f. Krämer, Besitzungen, S. 23f.
  14. Das Wappen der westfälischen Familie zeigt zwei Zickzack- oder Wellenbalken, das der niedersächsischen dagegen drei gekrönte Ochsenköpfe (2:1, mit heraushängenden Zungen); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 12 u. Tafel 27. Letzner, Dasselische Chronica, 4. Buch, fol. 181r.
  15. Letzner, Dasselische Chronica, 4. Buch, fol. 182. Sander, St. Johannis-Kirche, S. 7.
  16. Römer, Kemnade, S. 308 u. 326. Letzner, Dasselische Chronica, 4. Buch, fol. 182r. Anders als die genealogischen Angaben Letzners nahelegen, war diese vermutlich eine Kusine und nicht eine Nichte Johanns von Bevern.
  17. Am 22. Januar 1506 stifteten Brun von Bevern und seine Frau Anna mit Zustimmung ihrer Söhne Johann und Wolfgang der St. Johannis-Kirche Land und Einkünfte; vgl. Honselmann, Notizen, S. 287f. Zu weiteren Baumaßnahmen vgl. ebd., S. 292–298. Kdm. Kr. Holzminden, S. 9–11. Uhden/Sander, Bevern, S. 223f. (mit Abb. 72). Die genealogischen Angaben Letzners, der zwischen Brun und Johann noch einen Hermann von Bevern nennt, können aufgrund der von Honselmann zitierten Urkunde von 1506 nicht zutreffen; vgl. Letzner, Dasselische Chronica, 4. Buch, fol. 182. Auch die Angaben bei Krämer, der sich offenbar auf Letzner stützt, müssen dementsprechend korrigiert werden; Krämer, Besitzungen, S. 23.
  18. Letzner, Dasselische Chronica, 4. Buch, fol. 182v. Vgl. Uhden/Sander, Bevern, S. 64.
  19. Vgl. Rauls, v. Elze/v. Campe, S. 22 u. die Abb. am Schluß des Bandes. Mit anderer Jahreszahl (1518!): Uhden/Sander, Bevern, Abb. 70 (nach S. 224).
  20. Vgl. HStAH Cal. Or. 32, Nr. 2, 4, 6, 7, 11, 12, 13 u. 15 (zit. nach Findbuch).
  21. Vgl. HStAH Celler Br. 57, Nr. 15 (zit. nach Findbuch).
  22. Nachkommen des wohl vor 1520 geborenen Barthold „von Bevern“; vgl. Kieckbusch, Bastardbruder, bes. S. 156f. Honselmann, Notizen, S. 296 u. 298. Uhden/Sander, Bevern, S. 228f.

Nachweise

  1. Letzner, Dasselische Chronica, 4. Buch, fol. 182v.
  2. Kdm. Kr. Holzminden, S. 12.
  3. Kat. Kultur und Geschichte, Nr. 9, S. 14f. u. Abb. 16.
  4. Uhden/Sander, Bevern, S. 239 (nach Letzner) u. Abb. 71 (nach S. 224).
  5. Sander, St. Johannis-Kirche, S. 7f. (nach Letzner).

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 69(†) (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0006900.