Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 66 Braunschweig, Landesmuseum 1564

Beschreibung

Glocke. Bronze. Am Hals zwei Ornamentstreifen. Zwischen diesen, eingerahmt von zwei Stegen, umlaufend ein Inschriftenband in erhaben gegossenen Buchstaben; als Worttrenner kleine, zum Teil wiederholte Figuren: ein Hirsch, Knabe mit Jagdfalken, Meerweib, Vogel und Hund. Unter dem vor dem Anfang der Inschrift angebrachten Hirsch ein Kruzifix, das auf der gegenüberliegenden Seite wiederholt wird. Die für die Kapelle in Eimen angefertigte Glocke wurde, weil geborsten, 1886 durch eine neue ersetzt; sie gelangte zunächst ins Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig,1) von wo sie später in das Landesmuseum kam.

Maße: H.: 45 cm (ohne Krone); Dm.: 55 cm; Bu.: 2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg Lampe) [1/5]

  1. · hynrick · der · yunger · herzuck · zu · brvnsvych · vnde · lvneburcha) · hadt · mych · lasen · geysen · anno lxiiii

Übersetzung:

Heinrich der Jüngere, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, hat mich gießen lassen im Jahr (15)64.

Kommentar

Der Gießer verwendet eine Spätform der gotischen Minuskel, deren Unterlängen auf der Grundlinie enden; c ist nach oben über das Mittelband hinaus verlängert. Auffallend sind neben dem spiegelverkehrten y Zierstriche an vielen Buchstaben. Von der Fahne des r bleibt ein Quadrangel, an das ein senkrecht verlaufender Zierstrich angeschlossen ist, der nach links zum Schaft gebrochen ist. Der obere Schrägbalken des k ist zum Quadrangel reduziert, der untere ist als oben und unten gebrochener Schaft gestaltet. Unter dem zu einem Schrägstrich verminderten Balken des e erscheint ein Punkt am Schaft, einmal – in yunger – auch eine Blüte. Vom unteren Bogen des g bleibt ein waagerechter Querstrich. Das z besteht aus zwei linksschrägen, übereinander gesetzten Schrägbalken, der Schrägschaft ist zu einem stark verkürzten Zierstrich reduziert. Das x besteht aus einem senkrecht gestellten Linksschrägschaft mit Mittelbalken; vom Rechtsschrägschaft bleibt ein Quadrangel. Der obere Teil des Bogens an dem offenen, doppelstöckigen a läuft in einen Zierstrich aus. Zierstriche bzw. Zierbögen sind auch an z und h angefügt, einmal auch bei d (vnde).

In sprachlicher Hinsicht zeigt die Inschrift neben niederdeutschen Formen (hynrick, brvnsvych, lvneburch) hyperkorrekte Anpassungen ans Hochdeutsche (herzuck, geysen).

Herzog Heinrich d. J., der das Patronat der Kapelle in Eimen innehatte, ließ um 1564 den Neubau der Fachwerkkapelle mit ihrem vorkragenden Obergeschoß und dem halbrunden östlichen Abschluß errichten. Gleichzeitig stiftete er, wie die Inschrift mitteilt, die Glocke.2) Gegossen hat diese, wie bereits Pfeifer vermutete, Cordt Mente aus Braunschweig.3) Dafür sprechen die Einrahmung der Inschrift mit mehreren Stegen und einem doppelten Ornamentband. Noch aussagekräftiger ist die Christusfigur mit ihren betonten Muskeln, die mit einem Model geformt wurde, das auch bei einer von Cordt Mente 1571 für die Wolfenbütteler Kirche Beatae Mariae Virginis gegossenen Glocke Verwendung fand; Figuren als Worttrenner finden sich auch an der von ihm für dieselbe Kirche hergestellten Taufe.4) Bereits 1532 hatte Cord Mente eine Glocke für Meerdorf (Lkr. Peine) gegossen, die verwandte Schmuckformen aufweist.5) Im Jahr davor (1531) war in Hildesheim eine prächtige Grabplatte für den Dompropst Levin von Veltheim entstanden; 1541 goß er die Grabplatte für Herzog Erich I. von Braunschweig-Calenberg, die sich in Hannoversch-Münden befindet. Cordt Mente war einer der bedeutendsten Stückgießer seiner Zeit, der Geschütze für die Städte Hildesheim, Hannover, Einbeck und vor allem Braunschweig goß, wo er von 1532 und 1550 Büchsen- und Zeugmeister war. 1550 wurde er entlassen, weil er in Verdacht stand, bei der Belagerung der Stadt durch Herzog Heinrich d. J. mit diesem konspiriert zu haben. Ab 1561 war er Zeugmeister der Herzöge Heinrich und Julius. Cord Mente starb zwischen 1575 und 1577.6)

Textkritischer Apparat

  1. lvneburch] Die Form des v ist beim Guß beeinträchtigt worden, weswegen die oberen Brechungen fehlen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kdm. Kr. Holzminden, S. 165. Pfeifer, Glockengießergeschlechter, S. 25.
  2. Kdm. Kr. Holzminden, S. 164.
  3. Vgl. Pfeifer, Glockengießergeschlechter, S. 25.
  4. Vgl. Kdm. Stadt Wolfenbüttel, S. 68f. (mit. Abb. 15 u. 16) u. S. 58f. (Bronzetaufe). Pfeifer, Glockengießergeschlechter, S. 29, Abb. 29. Allgemein zu der Taufe vgl. Mathies, Taufbecken, S. 66–78, 157, Farbtafel II u. Abb. 55–57 u. 58–60.
  5. Vgl. Kdm. Kr. Braunschweig, S. 281f.
  6. Vgl. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 319 (Grabplatte von 1531), sowie Register, S. 83. DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 145 (1541). DI 36 (Stadt Hannover), Nr. 66 u. 83. DI 42 (Stadt Einbeck), Register, S. 121. DI 19 (Stadt Göttingen), Nr. 94 u. 95. Pfeifer, Glockengießergeschlechter, S. 22–30. Mathies, Taufbecken, S. 68f.

Nachweise

  1. Kdm. Kr. Holzminden, S. 165.
  2. Pfeifer, Glockengießergeschlechter, S. 25, mit Abb. 26, S. 26.

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 66 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0006602.