Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 261 Rühle, Michaelis 1648

Beschreibung

Grabplatte für Barthold Albrecht. Grauer Sandstein, farbig gefaßt. Die hochrechteckige Platte war als Brückenstein verbaut worden und in der Mitte durchgebrochen. Nach einer Restaurierung im Jahr 1921 wurde sie links vom Altar eingemauert.1) Die Inschrift A verläuft auf der Rahmenleiste um den Stein, erhaben in vertiefter Zeile, in Hellgrau vor blauem Hintergrund gefaßt. Im Innenfeld im Relief der Verstorbene in Dreiviertelansicht mit einem Buch in der Hand in einer Rundbogennische, in den Zwickeln oben je ein Vollwappen. Unter der Darstellung die fünfzeilige Inschrift B auf einer Rollwerkkartusche, erhaben in vertiefter Zeile, grau vor blauem Hintergrund.

Maße: H.: 180,5 cm; B.: 77,2 cm; Bu.: 4,7 cm (A), 3,3 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versal und Minuskel-z (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Meike Willing) [1/1]

  1. A

    HIER LIGT BEGRAB(EN)a) DER HOCHGELERTE / HERR BARTHOLD ALBRECHT SEHLIG IST A(NNO) D(OMINI)b) 1557 IN HOEXTER GEBOREN ZU RIEL 36 / IAHR PASTOR GEWESEN VND A(NN)O / 1648 DEN ⟨....⟩ GESTSORBENc) SEINES ALTERS 91 IAHR ⟨..⟩ WOCHEN

  2. B

    AVS DANIEL 12 : / DIE LERER WERD(EN)a) LEVCHT(EN)a) WI DES HIME/LSGLANz VND DIE SO FIELE ZVR GERECH/TIGKEIT WEISEN WIE DIE / STERNE IMER VND EWIGLICH · 2)

Wappen:
Albrecht3)Ahrens4)

Kommentar

Die Inschrift A ist unregelmäßig ausgeführt. Während an der oberen Schmalseite die Buchstaben eng gedrängt sind, so haben sie auf der linken Längsseite deutlich mehr Platz, der auch Wortabstände erlaubt. Beim Nachnamen ALBRECHT ist das A als Versal gestaltet. Auffallend sind das ovale, schrägliegende O und das unziale G mit geschwungener, leicht nach rechts ausgestellter, gebogener Cauda. In Inschrift B erscheint ein kapitales Z mit Mittelbalken und linksschräg gestellten unteren Balken (ZVR) neben einem zweistöckigen Minuskel-z. Die großen Übereinstimmungen im Aufbau und in der Gestaltung sowie die Schrifteigentümlichkeiten, vor allem das G und das Versal-A, lassen vermuten, daß hier derselbe Steinmetz tätig war, der 1642 die Platte für die Pastorenfrau Anna Maria Lensen aus Bodenwerder schuf; vgl. Nr. 247.

Die Namensform „Riel“ für Rühle ist ungewöhnlich und nicht belegt bei Casemir/Ohainski.5)

Der laut Inschrift A 1557 in Höxter geborene Barthold Albrecht (Alberti), der seit 1575 an den Universitäten Erfurt und Helmstedt (1583/85) studiert hatte,6) war von 1594 bis 1597 Rektor in Eldagsen und anschließend von 1598 bis 1633 Pastor in Rühle; 1633 schied er mit 76 Jahren aus dem Dienst aus. Offenbar liegt hier der für die Frühe Neuzeit seltene Fall einer Zurruhesetzung vor. Ihm folgte in Rühle von 1633 bis 1649 Herbert Cordes.7) Barthold Albrecht heiratete 1594 in Eldagsen Elisabeth Ahrens, die Tochter des dortigen Bürgers Conrad Ahrens; sie starb 1622 in Rühle. Aus der Ehe gingen mindestens sechs Kinder hervor,8) von denen der nach seinem Vater ebenfalls Barthold genannte Sohn offenbar kurz nach der Geburt starb; vgl. Nr. 198.

Ein Enkel des Pastors Albrecht stiftete der Kirche in Rühle 200 Taler. Aus den Zinsen sollten jedes Jahr nach dem Karfreitagsgottesdienst der Pastor (1 Taler), der Küster, die beiden Altaristen und die „Hausarmen“ des Dorfes (4 Taler) einen kleinen Betrag erhalten; der Rest soll für den Erhalt der Kirche verwendet werden.9)

Textkritischer Apparat

  1. Vertieft ausgeführter Kürzungsstrich über der Zeile auf dem Rahmen, jeweils über dem letzten Buchstaben.
  2. A(NNO) D(OMINI)] Kürzungsstrich über AD vertieft über der Zeile auf dem Rahmen.
  3. GESTSORBEN] So!

Anmerkungen

  1. Jago, Rühle, S. 185. Vgl. die neuzeitliche Renovierungsinschrift auf dem Sockel: WIEDERHERGESTELLT · IM · JAHRE · 1921 · DURCH / FRANZ · ALBRECHT · ZU · LIVERPOOL · UND · LAND/RAT · GUSTAV ALBRECHT · ZU · OLDENSTADT ·. Dahinter ein Hakenkreuz mit den Buchstaben R / B / B / H in den Kreuzeswinkeln.
  2. Dan. 12,3.
  3. Wappen Albrecht (Löwe mit Gegenstand in den Pranken), gewendet.
  4. Wappen Ahrens (Vogel).
  5. Vgl. Casemir/Ohainski, Ortsnamen Lkr. Holzminden, S. 184f.
  6. Vgl. Matrikel Erfurt, Bd. 2, S. 433, Z. 40: Bartholus Albrecht Hoxariensis, immatrikuliert Michaelis 1575. Matrikel Helmstedt, Bd. 1, Abt. 1, S. 39, Nr. 63: Bartoldus Alberti, Huxariensis, immatrikuliert am 5. März 1583. Zur Möglichkeit des Studiums der evangelischen Theologie in Erfurt, besonders zwischen 1566 und 1630, vgl. Märker, Universität Erfurt, S. 61f.
  7. Freist/Seebaß, Pastoren, Bd. 1, S. 152. Die Angabe von Jago, wonach Barthold Albrecht während des ganzen Dreißigjährigen Krieges als Pastor in Rühle tätig gewesen sei, ist demnach zu korrigieren; Jago, Rühle, S. 185. Vgl. Matrikel Helmstedt, Bd. 1, Abt. 1, S. 139, Nr. 12: am 6. Aug. 1598 ordiniert zum Pastor in pago Rhuelen ad ripam Visurgis sito.
  8. Vgl. Freist/Seebaß, Pastoren, Bd. 2, S. 4, Nr. 47.
  9. Jago, Rühle, S. 185 u. 187 (Pfarramt Rühle).

Nachweise

  1. Jago, Rühle, S. 186 (nur Abb.)

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 261 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0026107.