Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 256 Hehlen, Immanuel-Kirche vor 1646

Beschreibung

Taufständer. Eichenholz, schwarz gefaßt. Der Taufständer stammt ursprünglich aus Kemnade, wo er sich noch 1976 befand.1) Achteckiger konischer Aufbau. Inschrift A unter einem vorspringenden Gesims an der Beckenrahmung umlaufend. Auf den acht Seiten der Wandung, die durch Voluten voneinander getrennt sind, jeweils ein Vollwappen mit Beischrift darunter, die zusammen vierteilige Ahnenproben der Stifter C. F. von Esleben und A. M. von Stockhausen ergeben. Alle Inschriften in Gold auf schwarzem Hintergrund gemalt, durch Restaurierung überformt.

Maße: H.: 112 cm; Dm.: 63,8 cm; Bu.: 2,3 cm (A), 1,8 cm (B).

Schriftart(en): Fraktur (A), Kapitalis (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Meike Willing) [1/4]

  1. A

    Mathe 28 . / Gehet hin in alle / weldt Lehret alle / heiden vnd Tauffe/t sie im Namen / des Vatters vn/d des Sohns / vnd des . H(eiligen) Geist/es.2)

  2. B

    V(ON) GRAPENDORF. // D(IE) RUMP.a) V(ON) FAURERTb) // BOSEN // V(ON) ESLEBEN // V(ON) STOCKHUSEN // V(ON) HAXTHUSEN // V(ON) STOCKHUSEN // V(ON) OENHVSEN

Wappen:
Esleben3)Stockhausen7)
Bose4)Haxthausen8)
Rump5)Stockhausen7)
Grapendorf6)Oeynhausen9)

Kommentar

Christoph Friedrich von Esleben (1580–1646) war seit 1617 Propst von Kemnade, seit 1619 betrachtete er sich als Pfandinhaber und Besitzer des früheren Klosters; 1620 heiratete er Anna Margaretha von Stockhausen (gest. 1656). Für ihre jung verstorbene Tochter Anna Sophia ließen die Eltern ein Epitaph errichten, auf dem die ersten zwei Wappen der beiden Ahnenproben ebenfalls angebracht sind; vgl. Nr. 217.

Christoph Friedrich von Esleben, der 1620 vergeblich versucht hatte, einen eigenen Pastor für Kemnade zu erhalten,10) das seit 1590 vom Amtsinhaber in Bodenwerder mit versehen wurde, stiftete „seiner“ Kirche zusammen mit seiner Frau auch noch eine dem Taufständer stilistisch verwandte Kanzel und ein Altarbild, die im Anfang des 18. Jahrhunderts beim Aufbau eines Kanzelaltars in Dielmissen Verwendung fanden; vgl. Nr. 257. Esleben und seine Frau wurden von 1627 bis 1633 durch Soldaten Tillys aus Kemnade vertrieben. Die Stiftung des Taufständers könnte bald nach ihrer Heirat 1620 erfolgt sein; dem entsprechen die Renaissanceschmuckformen und die Datierung durch Braun auf das erste Viertel des 17. Jahrhunderts.11) Der hölzerne Ständer müßte dann allerdings die Besetzung von 1627 bis 1633 überstanden haben. Eine Entstehung zwischen 1633 und von Eslebens Tod 1646 (zu seinem Sarg vgl. Nr. 258), die für die Kanzel anzunehmen ist, ist daher wohl wahrscheinlicher. Die Witwe stiftete 1652 der Kirche noch eine silberne, ursprünglich vergoldete Patene.12)

Textkritischer Apparat

  1. RUMP] Rymp Kdm. Kr. Holzminden.
  2. FAURERT] Faurert Kdm. Kr. Holzminden, mit Fragezeichen als unsicher gekennzeichnet; Faurent Reitemeyer. Vermutlich verlesen aus FALBERT; vgl. Anm. 5. Das runde U mit einer Brechung am oberen Ende des linken Bogenabschnitts entspricht nicht den sonst verwendeten zweischäftigen U mit Verbindungsbogen und dürfte wie das erste R, das nicht die geschwungene Cauda der übrigen R aufweist, auf einer Fehlrestaurierung beruhen, die möglicherweise die unsichere Lesung der Kdm. zugrunde legte.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 55. Kdm. Kr. Holzminden, S. 388f. Reitemeyer, Kulturgeschichtsbild, S. 188.
  2. Mt. 28,19.
  3. Wappen Esleben (drei Sparren). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 49 u. Tafel 115.
  4. Wappen Bose I (Rose). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 19 u. Tafel 43.
  5. Wappen Rump (Sparren). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 108; Bd. 2, Tafel 272. Bei Spießen wird die Familie als v. Oedingen, gen. Rump, bezeichnet. Ein Zweig der Familie Rump besaß bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts Haus Valbert bei Oedingen (heute Lennestadt/Kr. Olpe); vgl. Hömberg, Adelssitze, S. 82–93.
  6. Wappen Grapendorf (Grapen). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 60 u. Tafel 142.
  7. Wappen Stockhausen (gestümmelter Eichenstamm mit zwei Blättern). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 122; Bd. 2, Tafel 309. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 16 u. Tafel 18.
  8. Wappen Haxthausen (Wagenflechte). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 66; Bd. 2, Tafel 160.
  9. Wappen Oeynhausen (viersprossige Leiter). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 95; Bd. 2, Tafel 241.
  10. Vgl. StAW 11 Alt Kemn., Nr. 26, Bl. 5.
  11. Vgl. Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 55. Kdm. Kr. Holzminden, S. 389.
  12. Diese trägt die Inschrift: ANNA · MARGARETA · V(ON) · STOCH/VSEN · CHRISTOF / FRIDERICH · V(ON) · ESL/EBEN OBERSTER / SELIGER NACH/GELASNE WIT/WE 1652. Vgl. Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 54; Kdm. Kr. Holzminden, S. 389. In beiden Bänden findet sich kein Hinweis auf einen auch heute nicht aufzufindenden kleineren Kelch, der Reitemeyer zufolge die Inschrift C. v. Esleben trug; Reitemeyer, Kulturgeschichtsbild, S. 117 u. 187.

Nachweise

  1. Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 55 u. Tafel 97.
  2. Kdm. Kr. Holzminden, S. 389.
  3. Reitemeyer, Kulturgeschichtsbild, S. 196.
  4. Mathies, Taufbecken, S. 128.

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 256 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0025606.