Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 239 Bevern, St. Johannis 1633

Beschreibung

Grabplatte für Dorothea von Bothmer. Stein. Die hochrechteckige Platte steht heute gegenüber der ihres Mannes (vgl. Nr. 237) hinter der Kirchenvorstandsbank an der Nordseite des Chores. Die Platte war, weil die für sie bestimmte Gruft nicht belegt worden war, später umgedreht und die Rückseite mit einer Aufschrift für den statt ihrer dort Beigesetzten versehen worden. 1838 wurde sie bei einer Renovierung aufgenommen und später in dem 1893 vollendeten Neubau des Kirchenschiffs im Inneren angebracht.1) Auf der Rahmenleiste verläuft erhaben in vertiefter Zeile die überarbeitete Inschrift A. Im Innenfeld im Relief die Darstellung der Verstorbenen in einer Nische, darunter in einem durch eine schmale Leiste eingefaßten Rechteck die erhaben gehauene, zentriert angeordnete Inschrift B. Zu beiden Seiten der Nische jeweils acht Vollwappen mit den eingehauenen Beischriften C darunter.

Maße: H.: 195 cm; B.: 118 cm; Bu.: 4,5 cm (A), 3,5–4 cm (B), 1,7 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/1]

  1. A (†)

    DIE WOLEDLE EHRN VND VIELTVGENREICHEa) FRAVWE / DOROTEA VON BOEHTMAR STATZUb) VON MVNCHHAVSEN HINTERBLIBENE WITTWE / WELCHE IN DIESE WELT ANNO 1579 DEN 4 (DEZEM)BER / GEBOHREN IST DEN ⟨– – –⟩ ANNO ⟨....⟩ GOTTSEHLIG ENSCHLAFEN IHR ALTER ⟨..⟩ IAHR

  2. B

    ACT. 14. / DVRCH VIEL CREVTZ VND TRVBSAL MVSSEN / WIR INS REICH GOTTES GEHEN.2)

  3. C
    V(ON) BOTHMER V(ON) HOLLE 
    V(ON) D(EM) WERDER V(ON) MVNICHAVSEN 
    V(ON) ZERSEN V(ON) MANDELSLO 
    V(ON) HASSEBERGEN D(IE) FRESEN 
    V(ON) MANDELSLO D(IE) RAMEL 
    V(ON) SVRSEN D(IE) SMISING 
    V(ON) REBOCKE V(ON) MARENHOLTZ 
    V(ON) HOLTTORF V(ON) [– – –] 
Wappen:
Bothmer3)Holle11)
Werder4)Münchhausen12)
Zerssen5)Mandelsloh7)
Hasberg6)Frese13)
Mandelsloh7)Rom(m)el14)
Sürsen8)Korff gen. Schmising15)
Rehbock9)Marenholz16)
Holtorpe10)Warpke17)

Kommentar

Bei der Aufnahme der Grabplatte war die umlaufende Inschrift A offenbar beschädigt und wurde neu gefaßt, was sich insbesondere an der Fehlrestaurierung von STATZIJ zu STATZU in (A) und den für moderne Werkzeuge typischen scharfen Kanten der Buchstaben zeigt. Auch erscheinen die Lettern untypisch schmal und die Wortabstände sehr groß, ein Wechsel von Haar- und Schattenstrichen wie in (B) wird versucht, führt aber nur zu einer allgemeinen Verstärkung der Schäfte wie beim N; beim verschränkten W sind die beiden äußeren Schäfte verstärkt. Die Ziffern der Jahreszahl 1579 ähneln dem für die Mitte des 19. Jahrhunderts typischen Druckbild; vgl. auch Nr. 237. Dennoch hat sich der Steinmetz bemüht, den orthographischen Befund der Vorlage nachzubilden (Ligaturen, V-Schreibung, die Leerstellen). Inschrift B bewahrt demgegenüber den originalen Befund besser: Ein Wechsel von Haar- und Schattenstrichen mit Verstärkung der Schäfte und der Linksschrägen, aber auch des Mittelbalkens am H ist, wie die Bogenschwellung an C, G und dem Mittelteil des S, erhalten. Das weitgehende Fehlen von Serifen und Sporen deutet dagegen auf eine Überarbeitung hin. Auffallend ist das bewahrte oder kopierte einstöckige Z in CREVTZ mit geschwungenem oberen Balken sowie gebogenem Schrägschaft und gebogenem unteren Balken, das sich genau so auch in (C) (ZERSEN und MARENHOLTZ) findet. Während die eingehauenen Wappenbeischriften C mit ihren überwiegend erhaltenen serifenartigen Sporen insgesamt nur wenig verändert zu sein scheinen, gilt dies für die Wappen selbst nicht. Dafür spricht der punzierte Hintergrund der Schilde wie auch der offenbar veränderte Inhalt des Wappens Hasberg; auch dieses entspricht dem Befund auf der Platte für Statius von Münchhausen; vgl. Nr. 237.

Die rechte (heraldisch linke) Seite der Grabplatte zeigt die Wappen der mütterlichen Vorfahren der Dorothea von Bothmer (1579–1653/59), deren Mutter Marie Gesa (Agnes) (1539–1625) eine geborene von Holle war. Die Großmutter war Elisabeth von Münchhausen, Tochter von Everd von Münchhausen. Danach folgen die Wappen für die beiden Urgroßmütter dieser Seite, Gesa von Mandelsloh und Engel Frese und schließlich die vier Ur-Urgroßmütter: Gesa von Rommel, Sophie von Korff-Schmising, N.N. von Marenholz und Engel von Warpke.18) Die linke (heraldisch rechte) Seite spiegelt die Vorfahren des Vaters Lippold von Bothmer (1540–vor 1602) wieder. Ihr Großvater war Johann von Bothmer (1500–1586), der mit Ilse von dem Werder, Tochter von Friedrich von dem Werder und Ilse von Hasberg, verheiratet war. Der Urgroßvater Ernst war verbunden mit Helene von Zerssen, Tochter von Otto von Zerssen und einer geborenen von Sürsen; dessen gleichnamiger Vater Ernst war wiederum mit einer gebürtigen von Mandelsloh verheiratet.19)

Dorothea von Bothmer, die Witwe des Statius von Münchhausen, ließ die Grabplatte vermutlich zusammen mit der für ihren Mann (Nr. 237) anfertigen. Ihr Todesdatum wurde nicht nachgetragen, da sie 1652, bedrängt von Gläubigern und dem Wolfenbütteler Herzog August d. J., Bevern verlassen mußte und nach Höxter ging. Dort ist sie vor 1660 gestorben und begraben worden.20) Ihr leidender Gesichtsausdruck, durch den die Aussage des Bibelspruchs verstärkt wird, war sicher nicht nur durch den Tod ihres Mannes, sondern auch durch dessen materielle Schwierigkeiten und Anfeindungen seit seinem Konkurs von 1619 bestimmt, bei dem ihn Dorothea durch ihren persönlichen Einsatz bei Herzog Friedrich Ulrich vor dem völligen Ruin gerettet hatte.21)

Textkritischer Apparat

  1. VIELTVGENREICHE] So!
  2. STATZU] Ursprünglich wohl STATZIJ.

Anmerkungen

  1. Kdm. Kr. Holzminden 13. Uhden/Sander, Bevern, S. 450.
  2. Apg. 14,22.
  3. Wappen Bothmer (Boot). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 4 u. Tafel 4.
  4. Wappen Werder III (quadriert, 1 u. 4 schreitendes Pferd mit Satteldecke, 2 u. 3 schräges Gitter). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 443 u. Tafel 484.
  5. Wappen Zerssen (Kesselhaken). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 135 (Zersen); Bd. 2, Tafel 344.
  6. Wappen Hasberg (Kammrad in Seitenansicht, überhöht von zwei Rosen). Vgl. Siebmacher, Wappenbuch 1605, S. 206 (Tafel 186). Hier: (Altar auf Säulenfuß mit zwei nach schräglinks und schrägrechts lodernden Flammen). Möglicherweise fehlrestauriert.
  7. Wappen Mandelsloh (umwundenes Jagdhorn). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 253 u. Tafel 303.
  8. Wappen Sürsen (springender rechtshalber Steinbock), gewendet. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch 1605, S. 205 (Tafel 185).
  9. Wappen Rehbock (Rehbock). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 103; Bd. 2, Tafel 253.
  10. Wappen Holtorpe (achtmal geständert). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 73; Bd. 2, Tafel 175.
  11. Wappen Holle (drei Zipfelmützen 2:1). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 9 u. Tafel 10.
  12. Wappen Münchhausen (Mönch). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 2, S. 7 u. Tafel 6.
  13. Wappen Frese (Helm mit drei Straußenfedern). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 56 u. Tafel 131.
  14. Wappen Rom(m)el (geteilt, oben Löwe, unten gerautet). Vgl. Rommel, Die Rommels, Einband u. S. 3. DI 46 (Stadt Minden), Nr. 97, Anm. 9. DI 36 (Stadt Hannover), Nr. 126. Zur mindenschen Adelsfamilie der Rom(m)el vgl. Horst, Rittersitze Minden, S. 57f. u. 118. Rommel, Die Rommels, S. 1–6.
  15. Wappen Korff gen. Schmising (Lilie). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 34 u. Tafel 87.
  16. Wappen Marenholz (Rose). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 12 u. Tafel 13.
  17. Wappen Warpke (Lanzenspitze). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 128; Bd. 2, Tafel 328.
  18. Stammtafeln Münchhausen, S. 114, 72, 48f. u. 38. Horst, Rittersitze Minden, S. 118. Der Anschluß an Rommel, Die Rommels, ist nicht möglich.
  19. Vgl. Bothmer, Die von Bothmer, Tafel XIII u. VII.
  20. Vgl. Zadach-Buchmeier, Merians Beschreibung, S. 15–21. Neukirch, Adelskultur, S. 218. Uhden/Sander, Bevern, S. 446f. u. 450. Stammtafeln Münchhausen, S. 114. Bothmer, Die von Bothmer, Tafel XIII.
  21. Neukirch, Adelskultur, S. 215.

Nachweise

  1. Kdm. Kr. Holzminden 12f.
  2. Neukirch, Adelskultur, S. 217f., mit Abb. 110.
  3. Uhden/Sander, Bevern, S. 450.

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 239 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0023902.